Maria, ihm schmeckt’s!

Bei meiner italienischen Familie schmeckt‘s immer!
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Wir essen Crostoi – Panettone schmeckt nämlich nicht!

Wie Sie wohl schon mitbekommen haben, ist meine Schwiegermutter Italienerin. Sie kommt vom Norden des Stiefels. Ihr Dorf liegt am Fuße der Dolomiten, auf 922 Metern überm Meeresspiegel, nicht weit weg von Südtirol, aber auch nur 95 Kilometer nördlich von Venedig. Wenn wir uns aufmachen zu unseren Verwandten jenseits des Brenners, wird das Auto sorgsam bepackt – ist für jedes Kind was dabei? Sind etwa seit dem letzten Mal neue geboren?
Im Dorf angekommen, wurde früher eine ritualisierte Begrüßungsfolge eingehalten. Das war todernst, zunächst musste man dem Familienoberhaupt Sirio – der Mann von Giovanna, aber dazu später – seine Aufwartung machen. Heute schauen wir einfach, wer so da ist. Im Prinzip ganz einfach: Wenn ich einen Stein schmeißen würde, bekäme den bestimmt ein Verwandter an den Kopf. Wobei, Stein wäre das falsche Bild, eher einen Käse oder aber eine Salami. Selbstgemacht, vom Wildschwein, Zio (Onkel) Paolo ist da ein Künstler. Paolo ist übrigens der Gatte von Tante Elisabetta, doch dazu später. Die beiden sind nicht gerade groß, deswegen wohnen sie auch in einem schnuckeligen kleinen Häuschen, einer wahren „Casa Bonsai“. Aber für Bonsais ist eher Cousin Valerio zuständig, dessen Frau Maria Luisa tut jetzt nix zur Sache, es geht eher um seine Mama Oliva, die älteste Schwester meiner Schwiegermutter. Aber dazu später.
Er ist sehr herzlich, unser italienischer Teil der Familie, und ständig zu Tisch. Und da wird gespachtelt, was das Zeugs hält, auch gerne mal ein Gläschen zur Brust genommen. Ein „Schlückchen“ heißt übrigens „un cinet“ im Gebirgs-Slang, das war mit das Erste, was ich lernte. Denn ohne diesen Hinweis würde das Glas immer wieder gefüllt mit dem schweren roten Landwein. Mittags. Bei 40 Grad. Da kennen die nix! Allerdings wird inzwischen akzeptiert, dass der große Mann aus Deutschland da pingelig ist und partout nicht im Hellen trinken möchte. Na gut, ansonsten ist er ganz ok, denken die Verwandten. Nur beim 70. Geburtstag von Onkel Paolo, den wir auf einer Art Almhütte begingen... Doch irgendwie kamen wir mit unserem Auto die vielen Serpentinen auch wieder unbeschadet herunter. Essen und Trinken ist hier Kult – immer lauert irgendwo die Angst, es könne nicht genug sein, oder – oh Graus – dem Besuch nicht munden. Ich fühle mich da meinem Leidensgenossen Jan Weiler sehr verbunden, der ja von seiner Sippe auch vollgestopft wird. Ich habe dann auch brav aufgegessen, im Laufe der Jahre zugenommen, mittlerweile strahlt Elisabetta, wenn sich mich speisen sieht: „Das ist ein Mann! Der kann essen!“ Ein Tagesausflug in die Lagunenstadt? Wir nehmen den Zug, es ist wirklich nicht weit. „Wir kommen spät zurück, ihr braucht kein Essen für uns zu machen. Wir essen in Venedig.“ Was man daran nicht verstehen kann, wird mir ein ewiges Rätsel bleiben. Tante Oliva hat eine Kleinigkeit vorbereitet – will heißen: zehn Schnitzel, Salat, Bratkartoffeln. Ich esse. Tante Elisabetta kommt auch noch rüber (fast die gesamte Verwandtschaft wohnt an einer Straße) und bringt was zu Essen mit, ein paar gefüllte Crêperöllchen – wir haben bestimmt Hunger und keiner hat was gemacht, da wir ja gesagt hatten, wir wollten nichts… Ich esse. Lecker!

„Duuu“, frage ich meine Schwiegermama, „was habt ihr denn immer so zu Weihnachten gebacken?“ Die Gute blickt leicht angewidert, rümpft die Nase: „Panettone. Aber ich weiß nicht…“ Da sind wir uns wieder mal einig, die Mutter meiner Frau und ich, das schmeckt nicht. Sieht Jan Weiler übrigens genauso, nennt Panettone „den Versuch, aus Bauschaum, Rosinen und Zitronat einen Kuchen zu backen - und er schmeckt auch so.“ Ein Vorschlag zur Güte: „Was ist denn mit Crostoi?“ Die selige Giovanna – die Frau von Onkel Sirio - das haben Sie sich bestimmt gemerkt, oder? - war eine begnadete Köchin und bereitete raue Mengen dieses knusprigen Gebäcks zu. Ursprünglich gab’s die frittierten Teig-Blätter nur zum Fasching, steht aber heutzutage ganzjährig auf dem Speiseplan. Mehl, Salz, Eier, Weißwein und ganz wichtig: Grappa! – aber nur „un cinet“ – werden verknetet, ausgerollt, zu Rauten ausgeschnitten, frittiert und mit Puderzucker bestäubt. Ich esse. Lecker!

Zutaten für etwa 60 Stück:
400 g Mehl, 1 Prise Salz, 3 nicht so große Eier, ein Glas Weißwein - gemischt mit Grappa, Puderzucker zum Bestäuben.
Zubereitung:
Mehl in eine Schüssel sieben. Salz, Eier und das Wein-Grappa-Gemisch zugeben, zu einem glatten Teig verkneten.
Den Teig ganz dünn ausrollen - wenn vorhanden, in einer Nudelmaschine - und in Rauten schneiden. In das heiße Öl geben, goldbraun backen, herausheben, abtropfen lassen, mit Puderzucker bestäuben. Übrigens: mit vier Händen geht es deutlich besser!

Autor:

Daniel Henschke aus Essen-Werden

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