Die doppelte Tragödie
Die Fauststadt Staufen, die Geothermie und der Erdgeist

"Staufen darf nicht zerbrechen". Risse in der Rathausfassade.
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  • "Staufen darf nicht zerbrechen". Risse in der Rathausfassade.
  • hochgeladen von Bernd Dröse

Die Fauststadt Staufen liegt etwa 25 km südlich von Freiburg idyllisch  am Rande des Südschwarzwaldes und des Markgräfler Landes und lädt die Urlauber mit  ihrer   hervorragenden Gastronomie  (köstliche Weine!! ) ,  ihrer  beschaulichen mittelalterlichen Altstadt, vielen Sonnenstunden und Festen zum längeren Verweilen und Genießen ein.
Zur Geschichte des Städtchens gehören allerdings auch zwei Tragödien.

Dem Johann Georg Faust, der  historischen Vorlage für Goethes Werk,  soll 1539 im "Gasthaus zum Löwen"  nach Ablauf des 24 jährigen Paktes mit Mephisto  von diesem das Genick gebrochen worden sein, um ihn der ewigen Verdammnis zuzuführen. Eine andere Sage berichtet, dass  Faust im Löwen  bei einer Explosion sein Ende gefunden hat. Belegt ist auf jeden Fall, dass der wandernde Alchimist  Faust als Goldmacher in Diensten des  damaligen Burgherren Anton von Staufen stand.

In Goethes literarischer Umsetzung des Stoffes glaubt Faust in der Studierstubenszene,  dass er  mit seiner menschlichen Beschränktheit an die  Grenzen der Erkenntnisfähigkeit  gestoßen ist und verzweifelt an den Wissenschaften. In dieser Situation  fühlt er sich in einem Buch vom Zeichen des Erdgeistes , der die Urgewalten der Natur verkörpert,  angezogen  und beschwört  diesen herbei. Doch der Erdgeist macht ihm klar, dass Dr.Faustus als ein unwürdiger Mensch sich niemals mit ihm auf eine   Stufe  wird stellen können  und weist ihn zurecht:

Du gleichst dem Geist, den du begreifst. Nicht mir!

Nun hatten  die Verantwortlichen der  Stadt Staufen im Jahre 2007 bestimmt nicht an den Erdgeist gedacht, als sie den Auftrag zu Geothermiebohrungen gaben, um unter anderem das mittelalterliche Rathaus aus dem Jahre 1564 umweltfreundlich zu beheizen. Doch bei den Bohrungen drang das unter Druck stehende Grundwasser in die darüber liegende Gips-Keuper-Schicht ein, so dass  das Anhydrit in der Schicht sofort in Gips umwandelt wurde und zu einer  Volumenvergrößerung von 50-60%  führte. In der Folge wurde die gesamte Altstadt angehoben. (Anfangs mit einer Geschwindigkeit von 11 mm pro Monat. ) Die historische Altstadt geriet  im wahrsten Sinne des Wortes aus den Fugen.  270 Häuser wurden durch Risse geschädigt. Die maximale Hebung im  Zentrumsbereich lag bis zum März 2016 bei 57 Zentimetern. Dauerhaft müssen  Pumpen inzwischen den Grundwasserspiegel niedrig halten.

Es ist eine Ironie des Schicksals, dass ausgerechnet in der Fauststadt Staufen die oben zitierten Worte  des Erdgeistes einen aktuellen Bezug finden.

Ich fürchte, dass Menschen in naher Zukunft noch öfter die Erfahrung machen müssen, dass die Kräfte der Natur trotz aller technologischen Fortschritte  nicht immer zu bändigen sind.

Gerade wir im Ruhrgebiet leiden teilweise noch immer  unter Bergschäden. Auch bei uns bekommen Gebäude  Risse und  geraten in Schieflage, obwohl hier ein anderer Wirkmechanismus als in Staufen vorliegt. Auch bei uns im Revier müssen die Pumpen dauerhaft in den ehemaligen Bergwerken   laufen. Erdsenkungen treten ebenfalls  in vielen anderen Regionen Deutschlands bei zu starker Grundwasserentnahme auf.

Für mich gehört die Gegend im Dreiländereck zu den schönsten Regionen Deutschlands und ich freue mich schon auf die nächsten Besuche im Markgräfler Land- vielleicht schon im Sommer 2021.


Autor:

Bernd Dröse aus Essen-West

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