Hinter den Kulissen der Deutschen Bahn

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Einmal Lokführer sein, hupen und auf der Strecke ganz vorne im Führerabteil sitzen. Dieser Traum ging für Kinder beim Bahn Werkstattfest in Erfüllung.

Sie durften dem Lokführer über die Schulter schauen und konnten sich den Führerstand erklären lassen. Spätestens als Lukas (8 Jahre) jedem, den er traf, erklärte: „Ich durfte den Scheibenwischer anmachen“ ist klar: Eine gelungene Aktion fand auf dem Werksgelände statt, die nicht nur Kinderherzen höher schlagen ließ.
Bereits im rappelvollen Sonderzug, den die Bahn AG vom Hauptbahnhof einsetzte, um Interessierte zum Werksgelände Schederhofstraße zu befördern, war klar: Das Fest zieht mindestens genauso viele Besucher an wie die Öffnung des Werkes vor einigen Jahren bei der Extraschicht.
Blitzblank waren die Züge, fein rausgeputzt für den großen Tag, der Sonderzug bis auf den letzten Platz gefüllt. Denn wann bietet sich einem schon einmal die Gelegenheit, hinter die Kulissen der Deutschen Bahn zu blicken?
„Wir sind stolz, alle Werksführungen sind ausgebucht“, berichtete Knut Germann, Pressesprecher. „Schon im Vorfeld konnte man sich anmelden und die Führungen haben regen Zuspruch.“ Natürlich war auch der STADTSPIEGEL dabei und hat unter der fachkundigen Leitung von Stephan Reinke eine Führung mitgemacht.
Schon von Weitem fielen die großen weit geöffneten Tore der Werkshalle auf. Und da waren sie schon die Züge, auf die nicht nur Eisenbahnfans fliegen: Vier an der Zahl warten auf die gespannten Gäste.
„1974 wurde die Werkstatt hier erbaut“, berichtete Reinke und versetzte damit einige in Erstaunen: So lange gibt es die Werkstatt schon in Essen. Zwei Gleise mit vier Arbeitsständen (voll belegt mit vier Zügen) gibt es am Schederhof. Natürlich mit Oberleitung, so dass die Züge selbsttätig herein und herausfahren können. „Das spart die Rangierlok“, so Reinke.
Im Werk in Essen werden sogenannte Bedarfsreparaturen durchgeführt, d. h. wenn eine Lok ein Problem bereitet oder aber auch ein Rad nicht mehr richtig läuft: Hier kümmert man sich um den Zug. Ein Komplettpaket, dass einen jeden solchen alle 16.400 Kilometer ereilt. Denn dann kommen die Züge ins Werk zum Nachsehen. „Das ist in der Regel nach 14 Tagen der Fall“, verriet Reinke dem verdutzten Zuhörer. Regelmäßige Instandsetzungen und Prüfungen sind für die DB AG oberstes Gebot, denn Zigtausende nutzen jeden Tag den Weg über die Schienen.
Los ging es also seitlich am ersten Zug vorbei. Auf fünf Ebenen kann gleichzeitig an einem Zug gearbeitet werden. Das spart Zeit und Geld. Sogar unter dem Zug gibt es Gänge, breite Seitenarbeitsgruben und mobile Dacharbeitsbühnen erleichtern das Instandsetzen an den Zügen. Gewaltig sehen die Züge aus, besonders der neueste der Baureihe ET 422. Er ist mit optimierten Bremsen und lichtdurchflutetem Interieur ein Zug der Zukunft. Doch auch er muss einmal in die Werkstatt.
Dann kümmern sich 53 Mitarbeiter im Früh- / Nacht- und manchmal auch im Spätdienst- ja nach anfallenden Arbeiten- um den Koloss.
Vorbei an ausrangierten und neuen Bremsklötzen und alten dreckigen Sitzen ging es zum hinteren Teil der Halle. Hier konnte man beobachten wie die Radstände geprüft werden. Mit Ultraschall selbstverständlich, um die kleinsten Risse frühzeitig zu entdecken und das Rad gegebenenfalls auszutauschen.
Nach einer gewissen Frist gibt es sowieso eine Rücklaufprüfung für den Zug. Macht jedoch ein Rad vorher Probleme, kommt es hierhin und die Radsatzdurchdrehmaschine nimmt sich seiner an. „Um dem Fahrgast ein möglichst gutes Fahrgefühl und die größtmögliche Sicherheit zu geben, werden besonders die Achsen und Räder mehrfach kontrolliert“, betonte Reinke.
Er ist eigentlich Techniker für Instandhaltungssysteme und disziplinarisch für die Arbeiter verantwortlich, aber macht die Führungen gerne. „Den Leuten den Arbeitsbereich zu zeigen und zu erklären, was wir hier eigentlich machen, das ist spannend“, befindet er.
Aufgebockt stand ein Zug da, ließ die Besucher nur Staunen! 12 Tonnen sind hochgebockt um einfacher Arbeiten unter dem Zug durchzuführen.
Gewaltig sehen sie aus die Teile wie Radstände, Eletkronik unter dem Zug, die man normalerweise nie zu Gesicht bekommen würde.
„Dieser Zug wird hier noch drei bis vier Wochen stehen. In Marl haben Kindsköpfe einen Einkaufswagen vor den Zug gestellt. Trotz eingeleiteter Notbremsung konnte der Lokführer das Gefährt nicht richtig stoppen und der Einkaufswagen wurde mit geschleppt.“ Das Ende vom Lied: Gerissene Elektronikleitungen, abgerissene Schläuche, verkratzte Stellen und Radbeschädigung. „Was so ein Streich alles nach sich zieht, daran denken die Täter meistens nicht“, empörte sich Reinke.
Reinke verriet uns: „Nur wenn der Strom und die Elektrik komplett ausgeschaltet sind, darf man aufs Dach des Zuges“. „Warum?“, schallte es direkt aus einem Kindermund. „Der Zug fährt mit 15.000 Volt. Ein Abstand von unter 1,50 Meter bedeutet somit Lebensgefahr. Deswegen ist es auch so gefährlich auf Züge zu klettern, auch wenn Kinder das gerne mal machen“, warnte Reinke.
Auf dem Dach angekommen drängten sich dann alle gebannt an die Absperrung. So sieht er also aus, der Zug von oben, aus allernächster Nähe.
Reinke erklärte weiter: „Vieleicht ist einigen von Ihnen schon einmal der im zickzack führende Fahrdraht über dem Stromabnehmer aufgefallen? Der ist dafür da, damit sich das Material nicht abnutzt und gleitet eben im Zickzack über den Stromabnehmer.“ Sollte dieser sich doch wieder erwarten abnutzen, wird eine Luftschicht im Stromabnehmer freigelegt und der Stromabnehmer fährt automatisch nach unten, um nicht am Fahrdraht hängen zu bleiben.
Auf die Frage warum man in der Bahn öfter ins Schwitzen kommt und die Klimaanlage nicht funktioniert antwortete Reinke: „Eine Klimaanlage besitzt zwei Kreisläufe. Geht einer von ihnen kaputt, fällt die Anlage in einem Waggon aus. Doch die anderen Waggons haben ja auch ihre eigenen Klimageräte und die kühlen dann den warmen Waggon mit. Natürlich kommt es einem in diesem Waggon trotzdem etwas wärmer vor als normal.“
Der Verkehrsbetrieb Rhein-Ruhr überwacht 84 Fahrzeuge, geteilt in jeweils 42 Fahrzeuge in Essen und Düsseldorf.
Grundsätzlich sind überwiegend Elektriker im Werk in Essen tätig, weniger Schlosser, denn in der Ausbildung lernt ein Elektriker bei der Bahn auch mechanische Sachen.
„Sitz- und Polsterarbeiten machen die Jungs nebenbei“, berichtete Reinke nicht ohne Stolz.
Wer jetzt noch nicht genug gesehen hatte, der konnte mit der Bahn in die Waschstraße fahren, sich das Führerhaus genauer ansehen oder sich die einzelnen Arbeitsschritte im Werk noch näher erklären lassen.
Für die Kids sorgten Kinderschminken und Luftballonkünstler dafür, dass nicht nur die Kleinsten das Führerhaus erklommen, sondern auch Giraffen, Flugzeuge und Enten.
Und wer Hunger bekam, der konnte sich die Grillwurst und vieles mehr schmecken lassen, bevor es mit dem extra eingesetzten Sondershuttlezug wieder zurück zum Hauptbahnhof ging.
Fotos: Markus Decker

Autor:

Silvia Decker aus Emmerich am Rhein

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