Flüchtlinge: Kirche packt an

Überglücklich in dér neuen Essener Wohnung ist die siebenköpfige syrische Familie Al Jashi (nicht alle anwesend). Fotos: Privat
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  • Überglücklich in dér neuen Essener Wohnung ist die siebenköpfige syrische Familie Al Jashi (nicht alle anwesend). Fotos: Privat
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Kritik an Stadt: Verwaltungsapparat überfordert – Beispiel syrische Familie!

Werner Sonnenberg ist ein besonnener Mensch. Aber jetzt platzte dem ev. Pfarrer, Essen-Frohnhausen, doch fast der Kragen. Jeder weiß - für Flüchtlinge werden händeringend Räumlichkeiten gesucht. Die Kirchengemeinde hatte eine Wohnung der Stadt angeboten. Doch - bis endlich eine syrische Flüchtlingsfamilie dort einzog, zeigt die blanke Stadtüberforderung: „Sie hat ihr Versprechen nicht gehalten.“

Wie schwer die Suche nach Flüchtlingsunterkünften ist, bewies der Informationsnachmittag, 24. 9., Haus der Kirche. Sonnenberg zitiert Sozialdezernent Peter Renzel, „dass in Essen etwa 5200 Flüchtlinge untergebracht sind. Hauptsächlich in Zeltdörfern, Turnhallen; 500 in Essener Wohnungen. Die Stadt wünscht sich dringend bis Ende des Jahres noch weitere 300 private Wohnplätze. Renzel bat alle Gemeinden, Begegnungsmöglichkeiten in ihren Räumlichkeiten zur Integration zu schaffen.“

So weit so gut! Jein. Hier der Frohnhauser „Flüchtlingsfall“. „Wir als Kirchengemeinde beschlossen schon im letzten Jahr, eine leer stehende Wohnung im Apostelzentrum der Stadt Essen anzubieten: 4 1/2-räumig, 86 qm. Die Stadt Essen mietete sie daraufhin ab 1 Juli 2015 an, mit der Maßgabe, diese für eine fünf-köpfige Familie einzurichten. Es dauerte allerdings Wochen, bis Lampen, Feuermelder, Herd installiert, aufgestellt waren. Für uns in der Gemeinde war völlig unverständlich die Tatsache, dass die Stadt Essen ihr Versprechen, die Wohnung so herzurichten, dass eine Flüchtlingsfamilie dort einziehen kann, nicht nachkam.
Die Asylantenansturm zeigt auch die Überforderung der Stadt-Mitarbeiter.“

Grund für einige Ehrenamtliche, schnell und unbürokratisch zu handeln: Wohnung streichen; die „Heinzelmännchen“ schleppten gespendete Möbel ran, richteten die Räumlichkeiten wohlig ein. Stets dabei Sonnenbergs Frau Martina, KiTa-Leiterin am Postreitweg. „Da setzt meine Kritik ein, dass bei einer außergewöhnlichen Situation die Verwaltung der Stadt Essen einfach überfordert ist, auf Freiwillige angewiesen ist. Aber wie soll es weitergehen? Flüchtlinge kommen immer mehr und weiter. Es fehlt an Koordination, Vernetzungen.“

Zumal die syrische Familie schon seit langem wusste, dass ihnen eine Wohnung zugesprochen wurde. Die Stadt Essen sprach von drei Kindern! Das stimmte aber nicht.

Sonnenberg verdeutlicht: „Zwei Wochen vor ihrem Einzug wollte sich die Familie Al Jashi aus Damaskus vor Ort kundig machen. Dabei stellte sich heraus, dass sich zwei weitere Söhne noch in einem Auffanglager in Stuttgart befinden. Heißt also, eine sieben-köpfige Familie kommt - nur bei Nachweis eines festen Wohnsitzes.“

Vorab, die Wohnung wurde der Familie offiziell am 7. Oktober übergeben. Bis dahin eine lange Odyssee – wobei man sich wundert, dass sich die Sieben wiedergefunden haben.

Ehepaar Sonnenberg über die Großfamilie: „Nach der Zerstörung ihres Stadtteils Jarmuk/Damaskus durch Diktator Assad, planten sie die Flucht. Die war klug organisiert. Die Wahnsinnsstrecke Mittelmeer blieb ihnen erspart. Mit dem Ersparten hatten sie das große Glück, Flugtickets bis nach Paris zu bekommen, um in Europa Asyl zu beantragen. Vor elf Monaten flüchteten die Söhne; die Mutter mit den drei Töchtern Februar 2015; der Vater im April 2015. Alle lebten in verschiedenen Auffanglagern; zuletzt in Essen-Kray, Grimbergstraße.

Zur Familie: Gut bürgerlich, aus Damaskus. Vater Taysir, Polizist. Der ältere Sohn Mohammed (26) studierte Maschinenbau. Tawfek (18) Fachabitur - jetzt Hauptschulabschluss in Deutschland mit Weiterführung. Marwah (20) studierte Ökonomie, Maran (12) geht zum Burggymnasium, Auffangklasse. Die vierjährige Alma besucht ab nächste Woche die KiTa am Postreitweg. Mittelpunkt ist natürlich Mutter Salha.

Jetzt sind alle überglücklich. Sie werden von der Diakonie betreut bei Behördengängen. Augenblicklich steht der Integrationskurs bei der Familie an, heißt Deutsch lernen, Praktika finden für ihre berufliche Qualifikation, um schließlich Arbeit zu finden. Sie sind dankbar für die Unterstützung sowie für die personelle Begleitung aus der Gemeinde. Willkommen!

Autor:

Ingrid Schattberg aus Essen-West

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