FLUCH ODER SEGEN?
"DIE PASSION" IN ESSEN

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Am Mittwochabend fand "Die Passion" in Essen statt, und ich hatte das Glück, dieses Live-Event nicht zuhause vor dem Fernsehgerät zu schauen, sondern live vor Ort auf dem Burgplatz. Eine alte Geschichte sollte auf neue Weise erzählt werden.

Essen im Passionsfieber. Zeche Zollverein statt Garten Getsemani.
Das Sterben und die Auferstehung Jesu Christi im Ruhrgebiet. Live und in der Prime Time.

"Die Passion" wahrscheinlich das TV-Event des Jahres 2022, ob als Top oder Flop würde sich zeigen.

Bei den Essener Passionsspielen gab es einige bekannte Gesichter. Ich schreibe hier bewusst nicht Staraufgebot, denn das ist natürlich für jeden von uns eine Definitionssache. Wie oder warum manche dieser "bekannten Gesichter" zu ihrer Rolle gekommen sind, hat mich selbst ein wenig verwundert, aber dass ist nicht mein Problem. RTL wird schon seine "Gründe" für diese Auswahl gehabt haben.

So hielt der Sender auch an Gil Ofarim fest, der optisch mehr an Jesus erinnerte als Alexander Klaws, aber dessen Auftritt umstritten war.

Alexander Klaws, der erste "DSDS-Gewinner" in der RTL Geschichte, der mehr kann und ist als ein "One Hit Wonder" überzeugte mit seiner Stimme und seinem Auftritt. Besonders die Szene des gespielten Verrates und dem Judas-Kuss mit Mark Keller fand ich gelungen.

Ella Endlich verkörperte Maria, die Mutter von Jesus und sang u. a. "Wie schön du bist" von Sarah Connor.
Ein Titel, der ihr an diesem Abend auf den Leib geschneidert war. In ihrem schlichten grünen Kleid, was an ein Gewand aus früherer Zeit erinnerte , sah sie wirklich wunderschön aus.
Ich persönlich fand ihre Stimme leider an einigen Stellen zu "schwach" und hätte mir ein wenig mehr Ausdruck und Emotion gewünscht.

Toll war natürlich die direkte Nähe zum Essener Dom, dessen Gemäuer rund um den Klostergarten für den Auftritt von Ella Endlich mit einbezogen wurden.

Bei der Szene, wo Nelson Müller  "Jesus" am Imbissstand bediente und Rainer "Calli" Calmund als Kunde davor seine Currywurst verspeiste, haben viele Menschen im Publikum geschmunzelt. Aber als "Jesus" im Auto abtransportiert wurde und als seine Mitgefangenen GZSZ-Fiesling "Jo Gerner" und Frauenknast-Lesbe "Walter" im Bild erschienen, war für einige im Publikum das Maß der Fremdscham erreicht. Es wurden Stimmen laut: "Was ist das hier? Comedy? Will RTL uns eigentlich verarschen?"

Ich empfand diese Szene zuerst als absurd; irgendwie zog es die Ernsthafigkeit dieses TV-Glaubensevents ins Lächerliche. Gedanklich reflektierte ich das Gesehene immer wieder im Laufe des Abends. Was hatte sich RTL dabei nur gedacht?
Mit den Verhafteten sollen wir ja ganz klar etwas verbinden. Das sind Menschen, die kriminell sind, die etwas schlimmes getan haben, die wir als Verbrecher titulieren würden. Und all das trifft auf "Jo Gerner" und "Walter" zu, die trotz ihrer Boshaftigkeit auch zu echten Fan-Lieblingen avanciert sind (und deren Serien natürlich auch bei RTL zu sehen waren bzw. sind).
Und an der Reaktion des Publikums merkte man, dass die Beiden und ihre Rollen bekannt sind. Seriöser wäre es wahrscheinlich gewesen, wenn man Jan Hofer und Ulrike von der Groeben als Gefangene genommen hätte. Aber dann wäre auch wieder ein Stück weit Identifikation mit der Rolle des Verbrechers verloren gegangen.

Zugegeben für ein Live Event gab es viele vorproduzierte Einspieler, die man vor Ort im Publikum auf großen Bildschirmen sehen konnte. Live zu sehen gab es überwiegend Thomas Gottschalk, der als Erzähler durch den Abend führte.

Ja, auch ich musste am Anfang des Abends erst mal "rein kommen". Die Leidensgeschichte von Jesus wurde uns sozusagen in einem modernen Gewand erzählt: Anstatt auf einem Esel reist Jesus mit dem Bus an.
Seine Jünger und er sind gekleidet wie die Menschen in der heutigen Zeit. Ein Heiland in Jeans, der Fladenbrot und Currywurst isst. Für den ein oder anderen vielleicht zu gewöhnungsbedürftig.

Während "Die Passion" auf dem Burgplatz beginnt, startet auf dem Rüttenscheider Markt eine Prozession mit einem 250 Kilo schweren Leuchtkreuz. Rund hundert Menschen tragen und geleiten das Kreuz zum Essener Burgplatz. Zwischendurch gibt es mehrere Live Schaltungen zu RTL Reporterin Annett Möller, die diese Prozession begleitet und die Menschen dabei interviewt.

Ein bewegender Moment war für mich als Henning Baum (Pontius Pilatus) nach der Ankunft des Kreuzes erzählt oder sagen wir lieber beschreibt, wie eine Kreuzigung durchgeführt wird, während wir Bilder von Jesus am Kreuz auf den Bildschirmen sehen. Stille auf dem Burgplatz.

Der ein oder andere Zuschauer hat sich wahrscheinlich schon bereits im Vorfeld gefragt, wie die Kreuzigung  Jesu schauspielerisch dargestellt wird. Fakt ist, dass Alexander Klaws nicht ans Kreuz gehängt wurde. Die Rede von Henning Baum war im übertragenen Sinne die Kreuzigung. Eine durchaus gelungene und emotionale Alternative.

Ich denke, dass "Die Passion" den Menschen die Ostergeschichte noch mal auf andere Art und Weise gezeigt (vielleicht auch näher gebracht) hat. Besonders für Menschen, die noch nicht viel vom Leidensweg Jesu gehört oder die Hälfte schon wieder vergessen haben, war dies eine Möglichkeit sich mit dem Leiden Jesus Christus auseinander zu setzen. Man muss wissen, wie man etwas "verkauft". Es sollte kein "Aus Alt mach Neu" werden, sondern einfach nur moderner erzählt werden, moderner in Szene gesetzt werden, stärker in die heutige Zeit eingebunden werden.

Leider habe ich gemerkt, dass nicht alle diese moderne Interpretation verstehen bzw. damit umgehen können; besonders wenn man die Original Geschichte nicht kennt.
Als Alexander Klaws in weiß gekleidet als Jesus auf dem Dach der Lichtburg steht, soll dies das Symbol für die Auferstehung sein.

Immer wieder höre ich Stimmen und Geflüster im Publikum: Springt der jetzt da runter? Ist das ein Stuntman? Jetzt stürzt er sich bestimmt vom Dach.

Nein, liebe Leute. Jesus hat damals nach seiner Kreuzigung keinen Selbstmord von einem Haus begangen. Er ist auferstanden. Auferstanden von den Toten. Die Auferstehung hat für das Christentum eine grundlegende Bedeutung.
Vielleicht war diese Szene für den ein oder anderen sagen wir mal etwas zu "modern".

Ich habe Kommentare und Sprüche der teilweise "ahnungslosen" Menschen um mich herum mitbekommen, so dass ich an dieser Stelle noch mal vermerken möchte, dass "Die Passion" von RTL bitte nicht mit dem Fernsehsender "RTL Passion" zu verwechseln ist.

Zum Ende der Veranstaltung gab es auf der Bühne den Segen von dem evangelischen Pfarrer Jan Vicari und der katholischen Theologin Theresa Kohlmeyer.
Essen war an diesem Abend im Zentrum des Deutschen Fernsehens, Einspieler von verschiedenen Essener Locations wurden gezeigt und die Hauptbühne auf dem Burgplatz war in unmittelbarer Nähe des Essener Doms. Da hätte ich mir u. a. schon einen Bischof Overbeck auf der Bühne für den Segen gewünscht.

Wie dem auch sei. Gelungen oder nicht gelungen? Segen oder Fluch? Für mich war es kein Segen, aber auch kein Fluch. Mir hat diese moderne Inszenierung gefallen und es war mal etwas anderes.

Autor:

Nina Benninghoff aus Oberhausen

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