Herr Balaban, rechtsextreme "Graue Wölfe" und der Essener Integrationsrat

30. November 2011
Grugahalle, 45131 Essen
Der Integrationsratsvorsitzende Muhammedt Balaban am Antikriegstag 2011
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  • Der Integrationsratsvorsitzende Muhammedt Balaban am Antikriegstag 2011
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Viel ist in den letzten Wochen darüber zu lesen, ob Muhammed Balaban, der langjährige Vorsitzende des jetzigen Integrationsrats und früheren Ausländerbeirats der Stadt Essen eine zu große Nähe zu den vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuften „Grauen Wölfen“ erkennen lässt.
Tatsächlich gibt es für die Nähe und Sympathie gegenüber diesen großtürkisch-nationalistischen Vereinen seit Jahren so viele Belege, dass Herr Balaban bei der anstehenden Neuwahl des Essener Integrationsratsvorsitzenden im Januar 2012 als „unwählbar“ gelten müsste.

Vorgeschichte eines andauernden Skandals

In der letzten Sitzung des Integrationsrats vor dessen Neuwahl hatten die Grünen als Dringlichkeitsantrag eine Resolution gegen einen Deutschlandkongress der „Grauen Wölfe“ in der Grugahalle eingebracht. Oberbürgermeister Reinhard Pass, wie auch die Geschäftsführung der zur städtischen Messegesellschaft gehörende Grugahalle sollten kurzfristig verhindern, dass dort tausende Besucher der laut Verfassungsschutzbericht eindeutig rechtsextremistischen, wie antisemitischen türkisch-deutschen „Idealistenvereine“ ihre Bühne finden.
Obwohl äußerst kurzfristig in die Sitzung eingebracht, konnte die Resolution dort nach kurzer mündlicher Vorstellung mit nur geringfügigen Änderungen mehrheitlich beschlossen werden. Die Grünen im Integrationsrat Burak Copur, dessen Stellvertreter Walter Wandtke und Samir Fetic wurden dabei durch die Stimmen der Ratsmitglieder von CDU, SPD, und der Linken unterstützt, wäre die FDP sich in Enthaltung übte.
Sechs der türkisch-stämmigen Integrationsräte, insbesondere die „Allianz Essener Türken“ des Vorsitzenden Muhammed Balaban stimmte jedoch dagegen.
Inklusive vieler Enthaltungen und vieler zu dieser letzten Sitzung des alten Integrationsrates gar nicht mehr erschienenen Mitglieder reichte es schließlich doch zu einer Zwei-Stimmenmehrheit für die Resolution.
Der Grugahallen-Kongress der „Grauen Wölfe“ wurde trotz aller nachhaltigen Kritik an der Grugahallen-Leitung mit vielen tausend TeilnehmerInnen leider trotzdem durchgeführt. Weiterhin tagte dieser Kongress ausgerechnet am 19.November, dem Vortag der wegen Wahlfälschungen notwendig gewordenen Wiederholungswahl des Integrationsrats. Umstände, die sicherlich mit dazu beitragen konnten, dass die „Allianz Essener Türken“ bei einer auf knapp unter 6% gesunkenen Wahlbeteiligung fast die Hälfte aller abgegebenen Stimmen erhielt und jetzt sogar 9 Sitze im neuen Gremium erhält.

Graue Wölfe und Herr Balaban – eine alte Liebe

Mit einer weniger knappen Abstimmungsergebnis der Integrationsratssitzung am 16. November wäre in einem vollbesetzten Gremium wahrscheinlich nicht weiter auf gefallen, dass Muhammed Balaban seit vielen Jahren ein positives Verhältnis zu den „Grauen Wölfen“ pflegt, zu dem er eigentlich auch öffentlich steht.
Bereits vor zwei Jahren, als Grüne im damaligen „AZI Ausschuss für Integration- und Zuwanderung“ mit einer Resolution gegen den am 30. Mai 2009 in der Grugahalle durchgeführten Deutschland-Kongress der Grauen Wölfe protestieren wollten, erklärte Herr Balaban in öffentlicher Sitzung, dass er es eigentlich bedauere, dort nicht eingeladen zu sein, um ein Grußwort zu halten. Grundsätzlich reicht diese Nähe zu den „Grauen Wölfen“ aber mindestens ins Jahr 1995 zurück, als die „Allianz der Essener Türken“ im damals „Ausländerbeirat“ genannten Gremium einen städtischen Mietkostenzuschuss für einen der rechten „Türk-Föderation“ , also dem Dachverband der Grauen Wölfe unterstehendem Kulturverein durchdrücken wollte.
Die seinerzeitige rechtslastige Kulturförderung, stilvoll sogar mit einem Deckungsvorschlag zulasten griechischer Kulturvereine unterlegt, scheiterte zum Glück am kommunalen Haushaltsrecht. Zuvor allerdings hatte die „Allianz Essener Türken“ bereits erfolgreich die zumindest zu dieser Zeit den Grauen Wölfen nahestehenden Mitglieder des Ausländerbeirats Bulazar und Kekec zu sachkundigen Einwohner in verschiedenen Ratsausschüssen bestellt.

Personellen Neustart für 2012 vorbereiten!

Die wegen Fälschungen der Briefwahlunterlagen durch eine einzelne Liste erforderlich gewordene vorzeitige Neuwahl des Integrationsrats bringt im Jahr 2012 auch dessen Neukonstituierung mit sich. Nachhaltig ist zu überlegen und Partei übergreifend vorzubereiten, ob nach anderthalb Jahrzehnten nicht endlich eine nicht mit den Grauen Wölfen sympathisierende Persönlichkeit den Vorsitz des Integrationsrats übernehmen soll.
Wenn der Integrationsrat erreichen will, dass er trotz seiner geringfügigen und unzureichenden Entscheidungsrechte politisch zumindest als Sprachrohr der MigrantInneninteressen in Essen ernst genommen werden will, braucht es einen personellen Neustart. Vielleicht wird es dann auch leichter, z.B. das Problem des auch in NRW noch fehlenden kommunalen Wahlrechts für Nicht-Deutsche und Nicht-EU-Bürger endlich zu lösen.

Wiederbelebungsversuche für ein grosstürkisch-osmanisches Reich?

Trotz aller kritischen Presseberichte, der Proteste von Grünen und einer deutlichen Mehrheit der Essener Ratsfraktionen, des Friedensforums und anderer Organisationen konnte allerdings am 19. November 2011 der Deutschland-Kongress der rechtsextrem-nationalistischen „Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Deutschland (ADÜTDF)“ in der Grugahalle ein weiteres Mal ungestört von irgendwelchen Gegendemonstrationen stattfinden.
Diese „Idealisten“ sind besser unter ihrem alt-türkischen Symbol als „Graue Wölfe“ bekannt. Insbesondere wegen ihrer militanten Mutterorganisationen in der Türkei werden sie seit langer Zeit vom deutschen Verfassungsschutz beobachtet.
Gegründet 1969 in der Türkei durch ihren 1997 verstorbenen Parteiführer Alparslan Türkes als „MHP - Milliyetçi Hareket Partisi“, die “Partei der Nationalistischen Bewegung“ “, wurde sie schnell auch unter türkischen Migranten in der Bundesrepublik aktiv. Was nicht verwundert, denn Türkes pflegte aus seiner Bewunderung für Adolf Hitler öffentlich kein Hehl zu machen und seine Kontakte zur NPD sind ebenfalls dokumentiert.
Viele Anhänger der MHP kamen aus den Sicherheits- und Militärkreisen der Türkei und gingen bereits in den Jahren vor dem Militärputsches von 1980 gewaltsam gegen vermeintliche Regimegegner und Separatisten wie die Kurden vor.
Die als paramilitärische Organisation gegründeten „Grauen Wölfe“ sind in dieser Zeit Urheber für zahlreiche Morde an linksgerichteten Politikern und Intellektuellen, so dass sie kurzfristig sogar in der Türkei verboten waren.
Wenn auch direkter Terror und Militanz der Organisation gegen Andersdenkende in den letzten Jahren durchaus zurückgegangen sind, so bleiben die Grauen Wölfe effektive geistige Brandstifter. Freiheitlichere, vielleicht föderale Strukturen des türkischen Staats gegenüber den großen Minderheiten im Land – wie den Kurden – werden verhindert.
Ob diese Ideen nun als Wiederbelebung eines Großtürkischen Reichs daher kommen, sich als Turanismus oder Pan-Turkimus bezeichnen, der Völkerverständigung dienen sie alle nicht. Beispielhaft hier ein übersetztes Motto aus einer älteren Veranstaltung der Grauen Wölfe in Essen, entnommen wohl einem viele hundert Jahre alten Spruch des Propheten Ali::
„Du sollst Deinem Feind vergeben, der deiner Deiner Person Schaden zugefügt hat, aber du sollst nie dem Feind vergeben, der Deiner Nation und Deiner Heimat Schaden zugefügt hat.“
.
Seit die MHP zwischen 1998 bis 2002 unter dem türkischen Regierungschef Ecevit zum Koalitionspartner aufsteigen konnte werden die Einträge in unseren Verfassungsschutzberichten allerdings immer spärlicher. Seit dieser Zeit tauchen Begriffe wie „Graue Wölfe“ oder „MHP“ z.T. noch nicht einmal mehr in den Registern auf, wahrscheinlich weil die jeweiligen Bundesregierungen den türkischen Natowaffenbruder damit nicht verärgern mochten.
Immerhin hat diese Waffenbruderschaft eine lange Tradition: Bereits im 19. Jahrhundert durch Kaiser Wilhelm II. begründet, im ersten Weltkrieg durch den gemeinsamen Kampf Deutschlands und des Osmanischen Reichs gegen die Engländer bekräftigt und im zweiten Weltkrieg durch eine Hitler-Deutschland freundliche Neutralität der Türkei fortgeführt.
Eine ehrliche Freundschaft mit der Türkei und ihren unterschiedlichen Menschen kann solche Tradition aber nur ablehnen.

Die von Muhammet Balaban und der „Allianz Essener Türken“ abgelehnte Resolution im Originaltext:

Resolution des Integrationsrates der Stadt Essen an die Geschäftsführung der Messe Essen und der Grugahalle und Herrn Oberbürgermeister Paß

Kein Raum für Rechtsextremismus und Völkerhass in der Grugahalle!

Rechtsextreme, der Völkerverständigung zuwiderlaufende Veranstaltungen haben keinen Platz in der Grugahalle. Dabei spielt es keine Rolle, on dort deutsche Anti-Demokraten oder Nationalisten anderer Herkunft Vorurteile gegen Minderheiten schüren wollen.

An rechtsextreme türkische Nationalisten wie die „Grauen Wölfe“ darf die Grugahalle nicht vermietet werden!

Der Integrationsrat der Stadt Essen protestiert dagegen, dass am kommenden Samstag, dem 19. November 2011, die zur städtische Messegesellschaft gehörende Grugahalle zum wiederholtem Male Austragungsort des sogenannten „Großen Kongresses“ der „Grauen Wölfe“ werden soll.
Die Geschäftsführung der Messe Essen und der Grugahalle und Herr Oberbürgermeister Paß sind aufgefordert, alle Möglichkeiten zu nutzen, dieser rechtsradikalen Veranstaltung und ihren voraussichtlich über 7.000 Besuchern keine seriöse Bühne zu bieten.

Die seit vielen Jahren vom Verfassungsschutz beobachteten „Grauen Wölfe“, offiziell als „Föderation der Demokratischen Türkischen Idealistenvereine in Deutschland e. V.“ (ADÜTDF) firmierend, sind laut Verfassungsschutz bestrebt, „das Entstehen einer extremistischen isolierten türkischen Jugendbewegung in Deutschland zu fördern“.

Die Antwort der Regierung des Landes Nordrhein-Westfalen auf die Kleine Anfrage des CDU-Landtagsabgeordneten Olaf Lehne von März diesen Jahres klassifiziert die rund 150 zum Netzwerk gehörenden Vereine wie folgt:
„Die Grauen Wölfe sind durch einen übersteigerten türkischen Nationalismus geprägt. Zu ihren Feindbildern zählen unter anderem Kurden, Amerikaner, Juden, Armenier sowie gesellschaftliche Minderheiten wie etwa Homosexuelle. […] Ihre Bestrebungen richten sich gegen den Gedanken der Völkerverständigung sowie das friedliche Zusammenleben der Völker und sind damit eindeutig verfassungsfeindlich …“.

Viele Gründe also, mit diesem Kongress nicht den weltoffen-toleranten Ruf des Veranstaltungsortes Grugahalle aufs Spiel zu setzen.

Essen, den 16.11.2011
Der Integrationsrat der Stadt Essen

Autor:

Walter Wandtke aus Essen-Nord

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