Diätenerhöhung – Anfrage an Irene Mihalic (MdB Bündnis ´90/ Die Grünen)

Im Wahlkampf haben uns die Direktkandidaten ihre politischen Werte und Inhalte mitgeteilt. Und immer mehr fällt auf, dass das Verhalten der Politiker im Bundestag mit ihren Aussagen nicht unbedingt übereinstimmt.

Bereits vor der Bundestagswahl 2017 habe ich geschrieben, dass wir kein Programm wählen, sondern Menschen, die wir besser kennen sollten. Denn sie werden mit ihren Abstimmungen das Land verändern und/oder beeinflussen. Wir geben mit unserer Wahl des Direktkandidaten unser Vertrauen weiter. Aber wie weit reicht das Vertrauen? Ich versuche, ein paar Widersprüche zu klären und frage daher die Abgeordneten an. Herr Töns (MdB SPD) hat mir bereits freundlicherweise geantwortet.

Nun gehen folgende Fragen an Irene Mihalic (Bündnis ´90/ Die Grünen):

„Hallo Irene,

im September 2017 bist Du erneut in den Bundestag gewählt worden. Einige Deiner Positionen haben wir bereits diskutiert. Dennoch verstehe ich nach wie vor Dein Verhalten bezüglich Deiner, nicht nur im Wahlkampf getätigten, Aussagen. Gerne möchte ich Dir ein paar Fragen stellen, um zu verstehen, was wir in Gelsenkirchen mit Dir als Abgeordnete der Partei Bündnis ´90/ Die Grünen erwarten dürfen.

Am 13.12.2017 fand im Bundestag eine Sitzung statt, in der die Regelung für die Diätenanpassung an den Nominallohnindex für 2018 und Folgende abgestimmt wurde. Es ist erforderlich, dass die Abgeordneten binnen drei Monate nach einer Bundestagswahl, über diese Regelung abstimmen.Dieser Regelung hast Du zugestimmt. Nun meine Fragen:

1. Gelsenkirchen als abgehängte Stadt:

Unter diesem Titel findet sich auf Deiner Seite die Forderung:

„Gelsenkirchen benötigt dringend mehr finanzielle Unterstützung vom Bund, sonst werden wir in Zukunft tatsächlich abgehängt sein.“

Meine Frage: Wie Du richtig erkennst, braucht Gelsenkirchen Investitionen. Die Diäten(erhöhungen) werden mit Steuergeldern bezahlt. Steuergelder, die an anderer Stelle dringender gebraucht werden. Wie passt Deine Forderung mit Deiner Abstimmung zusammen?

2. Investition in Projekte:

In Deinem Artikel (s. 1.) schreibst Du:

„Ich denke, als Wiedergutmachung wäre eine finanzielle Unterstützung der Bundesregierung für die städtische Marketing-Abteilung denkbar.“

Zwar kann eine Kampagne ein Image richten, aber nicht die realen Lebensverhältnisse korrigieren.

Meine Frage: Es gäbe eine Möglichkeit, einen Imageschaden positiv zu beeinflussen. So könnte beispielsweise die Differenz der Diätenerhöhung in ein entsprechendes Projekt als Spende fließen. Wäre dies eine Idee, dem Imageschaden gerecht zu werden?

3. Engagement gegen Faschismus:

Auf Deiner Seite steht über Dich:

„Ich erlebte hautnah, dass Faschismus nicht nur in Geschichtsbüchern zu finden ist, sondern für uns heute eine reale Bedrohung darstellt. Dagegen wollte ich etwas tun. Mit den Jahren bei der Polizei wurde mir zunehmend klar, dass es nicht ausreicht, anzutreten, wenn es „brennt“. Demokratie und Freiheit leben vom Engagement jeder Einzelnen.“

Daher ist es auch wichtig, sich mit den Beweggründen der Menschen auseinanderzusetzen, welche für Rechtspopulisten leichtes Futter sind. Es hat Gründe, wieso Menschen nunmehr AfD wählen. Sie fühlen sich von etablierten Parteien nicht mehr vertreten, fühlen sich wehrlos. Das Wort „Protestwählen“ dürfte Dir nicht fremd sein.

Deine Sicht ist auf das Staatsorgan und die NSU gerichtet. Jedoch fehlt mir der Blick auf die Menschen. Wenn Parteien stark werden, sind es BürgerInnen, die sie gewählt haben und unterstützen.

Hier ein paar Beispiele, was ich von AfD-Anhängern über die Diätenerhöhung als Reaktion im Netz gefunden habe:

„Sie finden sich großartig, wie sie aus dem leeren (?) Staatssäckel noch das Letzte herauspressen “

Gerade auch bei der Anfrage an Herrn Töns zur Diätenerhöhung kamen gleich AfD-Reaktion:

„Es haben noch viel zu weníge die AfD gewählt. Man kann sich schon jetzt das Desaster in Berlin nicht mehr mit ansehen.“

„Die AfD wird immer stärker. Sie wird die SPD schon bald überholt haben. Freuen wir uns darauf und hoffen wir auf die Veränderungen durch die AfD. Auch Sie werden davon profitieren.“

In dem Tenor und noch böser geht es im Netz weiter. Und in Gelsenkirchen haben wir 17% AfD-Wähler. Deine Partei hat bei der Bundestagswahl 2017 etwa 40.000 Wähler an die AfD verloren.

Nun meine Frage: Wie haben wir es zu verstehen, dass Du Dich authentisch gegen Rechtsextremismus engagierst, aber durch Dein Abstimmungsverhalten zur Diätenerhöhung die Kritik der AfD-Wähler an die etablierte Politik gleichzeitig bedienst? Ist das Dein Zeichen an Gelsenkirchen, den 17% AfD-Wählern etwas entgegenzusetzen?

4. Machtstellung:

In der WAZ-Online vom 24.9.2017 bekundest Du, dass die Arbeit mit der AfD höllisch wird. Du sagst:

„Wir konnten den Wählern unsere Positionen vermitteln. Die Leute haben das gewählt, wofür wir stehen. Politische Relevanz ergibt sich aus Inhalten und nicht aus der politischen Machtstellung heraus.“

Meine Frage: Du hast Die Macht, über Dein Einkommen selbst zu bestimmen. In Deiner Aussage lässt Du erkennen, dass Politische Relevanz sich nicht aus einer Machtstellung heraus ergibt. Wieso handelst Du gerade bei diesem sensiblen Thema unsensibel? Die BürgerInnen haben nicht die Möglichkeit aus ihrer Armut mit einer Abstimmung über ihr existenzsicherndes Einkommen zu entscheiden. Du schon. Das demonstriert Macht und macht was mit den Menschen, welche AfD wählen oder sie evtl. noch wählen werden. Oder hat Deine Abstimmung politische Relevanz und wir verstehen sie nicht? Dann erläutere sie uns doch bitte.

5. Soziale Gerechtigkeit:

Im WDR Kandidatencheck zur Bundestagswahl sagst Du ab Minute 1:05:

„Auch die Schere zwischen Arm und Reich in Deutschland geht immer weiter auseinander. Und das heißt, wir müssen hier auch dringend für mehr soziale Sicherheit und für mehr soziale Gerechtigkeit sorgen.“

Über 52.000 Menschen leben in Gelsenkirchen von Transferleistungen des Jobcenters mit allen Druckmechanismen. Das sind jedoch noch nicht alle in Armut lebenden Menschen in Deinem Wahlkreis.

Meine Frage: Der Regelsatz im SGB hat sich 2018 um 7 Euro erhöht. Bist Du wirklich der Ansicht, dass die Abstimmung für Deine persönlich steigende Diätenerhöhung das richtige Zeichen für soziale Gerechtigkeit ist?

6. Authentizität:

Das Gesagte ist schnell gesagt. Deine Abstimmung für die Weiterführung einer Regelung, die per se schon in der Kritik steht, zeigt jedoch was Anderes.

Meine Frage: Gemäß § 38 des GG ist ein Abgeordneter nur seinem Gewissen verpflichtet. Wie fühlt sich Dein Gewissen an, wenn man für sein eigenes Wohl selbst abstimmen kann, die Menschen sich in Deinem Wahlkreis dagegen täglich mit den Folgen der sozialen Ungleichheit befassen müssen? Wie kann man von sozialer Ungleichheit reden, jedoch anders handeln?

Diese Anfrage werde ich öffentlich halten. Wir BürgerInnen sind, wie Dir sicher klar ist, Dein Souverän. Letztendlich bist Du nur Deinem Gewissen verpflichtet. Und da ist in unserer derzeitigen freiheitlich demokratischen Grundordnung ein Ordnungsfehler.

Deine Antwort werde ich ebenfalls öffentlich halten. Ich bin der Ansicht, jeder Abgeordnete hat die Chance verdient, den BürgerInnen seines Wahlkreises zu verdeutlichen, was dieses Abstimmungsverhalten jedem einzelnen bedeutet. Vielleicht irren wir BürgerInnen in unserer Bewertung und Empörung.

Ich danke Dir im Voraus für Deine Antwort.

Mit freundlichen Grüßen
Sandra Stoffers“

Autor:

Sandra Stoffers aus Recklinghausen

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