Die Zahl der Infektionen in Gelsenkirchen steigt rasant weiter nach oben
Galoppierende Entwicklung

Gesundheitsdezernent Luidger Wolterhoff appelliert an das Verantwortlungsbewusstsein der Gelsenkirchener. 
Foto: Gerd Kaemper
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  • Gesundheitsdezernent Luidger Wolterhoff appelliert an das Verantwortlungsbewusstsein der Gelsenkirchener.
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Lag der Inzidenzwert am Mittwoch noch bei 113,2, vermeldete das Dashboard der Stadt Gelsenkirchen am Donnerstag bereits 123,6 und Freitag bei 129. Damit sollte inzwischen jedem Bürger klar sein, dass das Virus, das uns einen entspannten Sommer gegönnt hat, mit Macht zurück ist. Oberbürgermeister Frank Baranowski und Gesundheitsdezernent Luidger Wolterhoff, der derzeit den Krisenstab leitet, appellieren darum an die Gelsenkirchener: „Halten Sie die Regeln ein. Nehmen Sie Abstand von Treffen mit vielen Personen auch in Ihrem Zuhause!“

In China feiert man inzwischen „den Sieg über das Virus“, aber das was dort an Einschränkungen möglich ist, wäre hier weder denkbar noch von den Menschen erwünscht. Nicht zuletzt, weil, wie Oberbürgermeister Frank Baranowski erklärt, „die Stadt nicht überall sein kann. Wir können und wollen nicht wie in China alles überwachen. Wir können nur bitten, die sozialen Kontakte wie schon zu Ostern auf das nötigste herunterzusetzen.“

Maskenpflicht in allen öffentlichen Gebäuden

Einer der nächsten Schritte im Kampf um die Eindämmung des Virus ist die Maskenpflicht, die seit Donnerstag, 22. Oktober, in allen öffentlichen Gebäuden gilt.
Doch auch das ist nicht die Lösung, denn „mich sorgt die Situation sehr, weil die Infektionen nicht lokalisierbar sind und durch eine diffuse Ursachen-Situation die Nachverfolgung sehr schwer ist. Darum wird zunehmend deutlicher: Wenn nicht alle Bürger mitziehen, wird die Entwicklung nicht eindämmbar sein“, erklärte Baranowski.
Besorgt äußert sich auch der Gesundheitsdezernent: „Wir sind innerhalb von nur drei Wochen von einem Inzidenzwert von unter 50 auf 113 geklettert. Die Alterstruktur zeigt, dass ein Drittel der Infizierten im Alter von 15 bis 15 Jahre alt sind und ein weiteres Drittel zwischen 35 und 59 Jahren. Das letzte Drittel teilen sich Kinder bis 15 und Senioren über 60. Wir haben zur Zeit 600 Infizierte (Stand Mittwoch, Donnerstag lag die Zahl bereits bei 672!) in Gelsenkirchen und rund 1500 Personen in Quarantäne. Bei allen in Quarantäne befindlichen Personen greift die Nachverfolgung von Kontakten, das können bei diesen Alterstrukturen mitunter viele gewesen sein, was durchaus bis zu 50 Telefonate erforderlich machen kann.“
Inzwischen kommt die Gesundheitsverwaltung an ihre Grenzen, auch wenn mit 70 Mitarbeitern, die für die Betreuung der Quarantänefälle im Einsatz ist, mehr daran arbeiten als das Land vorgibt. Aber neben der Nachverfolgung der Kontakte, müssen die Mitarbeiter auch die Einhaltung der Quarantäne überprüfen und die Entwicklung des Gesundheitszustandes abchecken. Hilfen bekommt die Gesundheitsverwaltung durch andere Verwaltungsteile und derzeit zehn Bundeswehrsoldaten, wobei laut Wolterhoff bereits eine Anfrage auf weitere Unterstützung durch die Bundeswehr läuft.
„Die Situation macht ein hohes Maß an Selbstmitgestaltung der Bürger erforderlich. Denn bitte bedenken Sie: Nicht alles, was erlaubt ist, muss auch notwendig sein. Überprüfen Sie selbst, Ihr Verhalten“, bittet Wolterhoff. „Man darf zum Beispiel mit fünf Personen aus verschiedenen Haushalten im Restaurant an einem Tisch sitzen, aber muss man das in dieser Situation unbedingt?“

Vorbereitungen für den Schulstart am Montag

Schuldezernentin Anne Heselhaus informierte über die Vorgaben des Landes zum Schulstart am Montag: „Ab Klasse 5 gibt es wieder die Maskenpflicht. Ansonsten ist das Lüften das A und O in der aktuellen Situation. Man könnte auch sagen, die AHA-Regeln (Abstand halten, Hygiene beachten und Alltagsmaske tragen) werden um ein L für Lüften erweitert. Aber das vom Schulministerium vorgegebene Lüften alle 20 Minuten und in jeder Pause gestaltet sich in den Herbst- und Wintermonaten schwierig. Darum testen wir derzeit mobile Luftreinigungsgeräte, die zwar kein Ersatz für das Lüften sein können, aber eine Ergänzung bieten.“
Erfreut ist Heselhaus darüber, dass inzwischen mehr als 12.000 iPads für Schüler und 3.000 Laptops für Lehrer eingetroffen sind, die allerdings noch alle konfiguriert werden müssen, was wieder einige Zeit in Anspruch nehmen wird. Aber der Präsenzunterricht ist das Ziel der Schuldzernentin.

Lockdown - wenn, dann für die Metropole Ruhr

In Sachen Lockdown setzt Oberbürgermeister Frank Baranowski ein klares Signal: „Ich mag das Wort gar nicht und finde einen lokalen Lockdown im Ruhrgebiet auch schwer vorstellbar. Man kann die Städte im Ruhrgebiet, wo auf der anderen Straßenseite bereits eine andere Stadt sein kann, nicht lokal isolieren. Man muss bei solchen Maßnahmen immer die gesamte Metropole Ruhr sehen.“
Luidger Wolterhoff wünscht sich ebenfalls „einheitliche Spielregeln für das Land NRW, wie im Falle der Sperrstunden.“
Trotzdem muss bei weiterhin steigenden Infektionszahlen über weitere Einschränkungen des öffentlichen Lebens nachgedacht werden, in Gelsenkirchen, aber auch der Metropole Ruhr und dem Land, in dem es viele Städte gibt, die einen Inzidenzwert von mehr als 100 aufweisen.

Gefahr durch das Virus muss bewusst werden

Bei der Nachverfolgung der Infektionsketten stößt die Gesundheitsverwaltung zunehmend auf junge Leute, die naturgemäß deutlich stärker sozial unterwegs sind als Ältere. Von den jungen Leuten wird das Virus dann ins Elternhaus getragen und zieht so weiter seine Kreise.
Der Sozialdezernent betont den Ernst der Situation: „Es ist wichtig, dass es den Bürgern ins Bewusstsein kommt, dass das Virus gefährlich ist. Wir haben zur Zeit 24 Corona-Patienten in stationärer Behandlung, vier davon auf der Intensivstation und ein Patient muss beatmet werden.“
Das hört sich auf den ersten Blick nicht viel an, aber die „galoppierende Entwicklung der Infektionen“, wie Wolterhoff sagt, kann sich hier schon bald niederschlagen und nicht nur das Gesundheitssystem an den Rand der Kapazitäten bringen, sondern auch Leben in Gefahr bringen.

Autor:

silke sobotta aus Gelsenkirchen

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