Wenn jeder Tag Aids-Tag ist

In Gelsenkirchen übernehmen diesen Part unter anderem Steve Fasshauer von der Aids-Hilfe und Silvia Kerstan und Johanna Zielinska vom Gesundheitshaus Gelsenkirchen e.V.. Foto: Gerd Kaemper
  • In Gelsenkirchen übernehmen diesen Part unter anderem Steve Fasshauer von der Aids-Hilfe und Silvia Kerstan und Johanna Zielinska vom Gesundheitshaus Gelsenkirchen e.V.. Foto: Gerd Kaemper
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„Der 1. Dezember ist Welt-AIDS-Tag, ein Tag, der mit Leben gefüllt ist, an dem sich Betroffene und (scheinbar) Nichtbetroffene engagieren, an dem sie öffentlich sichtbarer werden, selbst Mut fassen und andere ermutigen. Der Welt-AIDS-Tag wurde erstmals 1988 ausgerufen. Er wurde vor allem der Solidarität mit betroffenen Menschen und den ihnen Nahestehenden gewidmet. Ein Tag, an dem auch deutlich gemacht werden soll, dass für diese Menschen jeder Tag des Jahres ein „AIDS-Tag“ ist.“ So beschreibt die Aids-Hilfe Gelsenkirchen den heutigen Tag.

Von Silke Sobotta

GE. Der Welt-AIDS-Tag in Gelsenkirchen wurde bereits gestern (30. November) mit dem Film „Themba“ in der Schauburg in Buer begangen. Am heutigen Mittwoch, 1. Dezember, wird der Arbeitskreis „AufGEklärt“, eine Kooperation von Aids-Hilfe, dem Schwulen- und Lesbenzentrum The Point, dem Mädchenzentrum und dem Arzt mobil, HIV und Aids in den Mittelpunkt stellen und dazu beitragen, Stigmatisierung und Diskriminierung abzubauen. Nicht zuletzt aber auch nach mehr als 20 Jahren aufklären. Präsent ist der Arbeitskreis auf der Bahnhofstraße inmitten des „weihnachtlichen Gelsenkirchen“.

Denn auch nachdem Aids am 1. Dezember 1981 als eigenständige Krankheit anerkannt wurde, gibt es immer noch viele Unklarheiten und auch Mythen. Der Stadtspiegel sprach darüber mit Steve Fasshauer, dem Abteilungsleiter der Aids-Hilfe, die seit 2003 im Gesundheitshaus Gelsenkirchen an der Franziskusstraße angesiedelt ist. Träger der AIDS-Hilfe ist der gemeinnützige Verein Gesundheitshaus Gelsenkirchen e.V.
Seit August hat Gelsenkirchen mit Steve Fasshauer einen Neubürger, denn seitdem ist der Braunschweiger Sozialarbeiter/-pädagoge mit Studienschwerpunkt Management und Medizin in der Stadt tätig und wohnhaft. Der 28-Jährige hat sich bereits während seines Studiums für diese Aufgabe entschieden: „Die Arbeit im Bereich der Aids-Hilfe ist sicherlich nicht einfach, aber sie stellt eine große Herausforderung dar“.
Und nicht nur das, sie bringt auch eine Menge Arbeit mit sich. Doch auch davor scheut Fasshauer nicht zurück, der schon während des Studiums bei der Aids-Hilfe in Braunschweig tätig war, dort sein Praktikum absolvierte und auch seine Abschlussarbeit zu dem Thema schrieb. In Gelsenkirchen belebt er gemeinsam mit Sigrid Schraa die Aids-Hilfe und hat sich für seine Arbeit vieles vorgenommen.
Laut Eintrag beim Robert-Koch-Institut gibt es in Gelsenkirchen lediglich neun HIV-Infizierte, doch der Fachmann weiß es besser und schätzt die Dunkelziffer bedeutend höher: „Viele Betroffene wissen gar nicht, dass sie hier die Möglichkeit haben, sich testen zu lassen.“Für die zahlenmäßige Erfassung Neuinfizierter in Gelsenkirchen bedeutet das, dass Menschen, die sich beispielsweise in einer anderen, für sie anonymeren Stadt testen lassen, auch in der dortigen Statistik auftauchen. Auch wenn sie hier in Gelsenkirchen leben.
Heutzutage ist der größte Teil von Neuinfektionen (etwa 70 %) im Bereich der MSM (Männer, die Sex mit Männern haben) zu suchen. Dabei handelt es sich nicht automatisch um Homosexuelle, es können auch Bisexuelle oder Heteromänner sein, die gelegentlich Sex mit dem gleichen Geschlecht eingehen. Durch die Zunahme von männlichen Prostituierten hat sich so eine „Hoch-Risiko-Gruppe“ herausgebildet.
„Gerade Prostituierte achten darauf, dass ein Kondom zum Einsatz kommt, und bei den Drogenabhängigen konnte die Zahl durch den Spritzentausch stark eingedämmt werden. Die Mutter-Kind-Transmission fällt sogar beinahe komplett weg“, schildert der Sozialarbeiter.
Letzteres ist zu verzeichnen dank gezielter Kaiserschnitte, damit die Kinder nicht bei der Geburt durch das Blut der Mutter infiziert werden, und durch eine direkte medikamentöse Therapie der Babys kurz nach der Geburt. Außerdem dürfen die betroffenen Mütter ihr Kind auf keinen Fall stillen, weil das ein hohes Infektionsrisiko darstellen würde.
Als Problem sieht Fasshauer, dass zum einen die finanzielle Ausstattung für Aids-Hilfen immer ein wenig mehr beschnitten wird, zum anderen aber auch die Akzeptanz in der Bevölkerung stetig abnimmt.
„Immer häufiger kursiert das Ammenmärchen von der Heilbarkeit und dem geringeren Risiko einer Ansteckung“. Als Beispiel nennt er die Frage: „Kann ich mich durch Speichel anstecken?“ Dazu meint Steve Fasshauer: „Klar, wenn man ihn literweise zu sich nimmt.“
Darum will die Aids-Hilfe in Gelsenkirchen zukünftig häufiger als nur einmal im Jahr zum Welt-AIDS-Tag auf das Thema aufmerksam machen.
So ist die Aids-Hilfe auch buchbar. Das heißt, sie kommt auf Anfrage in berufsbildende Schulen, Pflegeeinrichtungen oder zu Anbietern von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen im Bereich Pflege.
Sie besucht aber auch die Insassen der Justizvollzugsanstalt und das dortige Personal, um für Aufklärung zu sorgen.
Ab 2011 wird ein Positiven-Frühstück ins Leben gerufen und mit Hilfe der ebenfalls im Gesundheitshaus angesiedelten Kontaktstelle für Selbsthilfegruppen (KISS) soll es auch bald wieder eine Selbsthilfegruppe in Sachen HIV und Aids geben.
Um dies alles zu ermöglichen, bedarf es aber auch eines Präventionsbudgets, das bei der Aids-Hilfe nicht üppig ausfällt.
Darum ist sie auf Spenden und Hilfen angewiesen. „Ein erster Schritt wären schon Apotheker, die Kondome spenden. Wir können aber auch Ehrenamtler gut gebrauchen. Zum Beispiel HIV-Positive, die zum Beispiel Aufklärung in Schulen betreiben könnten. Oder aber andere, die Erkrankte besuchen und psychisch unterstützen würden. Wer und wo dabei zum Einsatz kommen könnte, würde individuell entschieden werden, weil es nicht immer leichte Aufgaben sind.“

Die AIds-Hilfe Gelsenkirchen:
- Beratung
Die Aids-Hilfe bietet Information für alle, die Fragen zum Thema HIV und AIDS sowie anderen sexuell übertragbaren Infektionen/Krankheiten haben. Eine Kontaktaufnahme ist persönlich im Gesundheitshaus Gelsenkirchen, Franzikusstraße 18-24, telefonisch unter Tel. 9822315 und per E-Mail, info@aidshilfe-ge.de, möglich.
Offene Sprechstunden sind dienstags von 9 bis 12 Uhr sowie nach Vereinbarung.
Jeden Montag von 18 bis 19.30 Uhr findet vor Ort die Beratung im MyWay in Gelsenkirchen statt.
- Betreuung
Die Aids-Hilfe bietet Betreuung für Menschen mit HIV und AIDS und deren Angehörige. Die Unterstützung richtet sich nach den individuellen Bedürfnissen des Ratsuchenden und umfasst im Allgemeinen Bereiche wie:
- Hilfe bei Antragstellung und Behördengängen
- Hausbesuche
- Begleitung zu Ärzten, Krankenbesuche
- Betreuung von Betroffenen, z.B. in der örtlichen JVA
- Psycho-soziale Begleitung im Alltag
- Hilfestellung bei der Compliance (strenges Einnahmeschema bei der Antiretroviralen Therapie)
- Prävention
Mit der Präventionsarbeit möchte die Aids-Hilfe über HIV und AIDS, Übertragungswege und Schutzmöglichkeiten informieren. Über HIV zu informieren bedeutet auch, sich mit Themen wie Liebe, Partnerschaft, Sexualität oder auch Drogensucht etc. auseinander zu setzen. Dies wird in Gruppen und auch in individuellen Einzelgesprächen angeboten.
- Die Ziele sind:
- Abbau von Ängsten und Mythen und somit unbeschwerten und selbstverantwortlichen Umgang mit Sexualität
- Vermeidung von Neuinfektionen
- Vermeidung von Ausgrenzung und Diskriminierung durch Aufklärung

- Was ist AIDS?
AIDS (Acquired Immune Deficiency Syndrome, also „erworbenes Abwehrschwäche-Syndrom“) ist eine schwere, durch HIV ausgelöste Schwächung des körpereigenen Abwehrsystems. AIDS macht den Körper wehrlos gegen viele Krankheitserreger und anfällig für Tumoren, die ein gesunder Mensch ohne Probleme abwehrt. Die durch die Schwächung des körpereigenen Immunsystems ausgelösten Krankheiten führen schließlich zum Tode.

- Was ist HIV?
HIV (Humanes Immundefekt Virus) ist ein Virus, das vor allem die Zellen des Abwehrsystems befällt. Es vermehrt sich mit ihnen, setzt sie außer Funktion und zerstört sie schließlich. Das körpereigene Abwehrsystem kann - anders als bei den meisten anderen Infektionen - HIV nicht aus dem Körper entfernen, obwohl einige Wochen nach der Infektion Abwehrstoffe (Antikörper) gegen das eingedrungene Virus gebildet werden.

- Was passiert nach der Infektion mit HIV?
Wenige Wochen nach einer HIV-Ansteckung kann es zu ersten Anzeichen der Infektion wie z.B. kurz andauerndem Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen, Hautausschlag und Drüsenschwellungen kommen. Dieses vorübergehende Krankheitsbild („akute HIV-Erkrankung“) ist jedoch nicht mit der Krankheit AIDS („Vollbild“) gleichzusetzen.
Die meisten Menschen mit HIV bleiben über viele Jahre beschwerdefrei. Die Infektion wirkt sich in dieser zeit nicht spürbar aus und ist den infizierten Menschen nicht anzusehen. Ganz wichtig ist aber, dass mit der Ausbreitung des Virus im Körper diese Menschen andere anstecken können und zwar schon bevor Antikörper im HIV-Test nachweisbar sind.
Auch dann, wenn das Virus aufgrund einer Behandlung mit Medikamenten nicht mehr im Blut nachweisbar sein sollte.
Langsam entwickelt sich eine Schwächung des Immunsystems, die schließlich zur Erkrankung AIDS führt - dem tödlich verlaufenden Endstadium der HIV-Infektion. Ursächlich für den Tod sind meist Infektionen, ausgelöst durch verschiedene, für Gesunde meist harmlose Erreger.

- Wie erkennt man eine Infektion mit HIV?
Eine HIV-Infektion kann man niemandem ansehen!
Auch wenn manche Menschen dies glauben - und sich dann möglicherweise aufgrund dieses Irrtums lebensgefährlichen Ansteckungsgefahren aussetzen. Eine HIV-Infektion lässt sich nur durch Laboruntersuchungen des Blutes nachweisen. Und eine AIDS-Erkrankung kann nur der Arzt feststellen. Denn viele Symptome, die bei AIDS auftreten, kommen auch bei anderen Erkrankungen vor.

- Wann gibt es eine Schutzimpfung?
Trotz intensiver Forschung konnte bisher kein wirksamer Impfstoff gegen HIV entwickelt werden. Auch für die nahe Zukunft ist dies nicht zu erwarten.

Autor:

silke sobotta aus Gelsenkirchen

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