Der Herr der (Ge)Schichten

Der Buraner Künstler Christian Nienhaus beherrscht verschiedene Ausdrucksarten und kann sie miteinander kombinieren. | Foto: Gerd Kaemper
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  • Der Buraner Künstler Christian Nienhaus beherrscht verschiedene Ausdrucksarten und kann sie miteinander kombinieren.
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Ein Künstler erschafft sein Werk mit seinen Händen. Mit einem Pinsel oder einem anderen Hilfsmittel. Bei Christian Nienhaus ist das anders. Seine Werke entstehen im Kopf, formen sich zu Buchstaben, Textfragmenten, in verschiedenen Tagebüchern festgehalten.

Seit dem 13. Lebensjahr schreibt er täglich ins Tagebuch. Nicht nur in eins. „Ich schreibe parallel in mehrere“, erzählt der Künstler. Da gibt es eins mit Gedanken aus seinem persönlichen Leben, eines, das sich mit seiner Kunst, seinen Ideen befasst und eines mit aktuellen Arbeiten, mit Seiten voller Skizzen oder Zeichnungen von Objekten. In jedem gibt es eingeklebte Zettel, denn nicht immer ist sofort ein Tagebuch für einen Gedanken zur Hand. Seine Tagebücher sind die Grundlage für Christian Nienhaus‘ Werke.

Denn wenn er erst einmal eine Leinwand bespannt hat, beginnt der Künstler sein Projekt häufig damit, die Leinwandrückseite zu beschreiben. Leinwand wird zum Tagebuch, auf das mitunter Zeichnungen oder Versatzstücke von Texten geklebt werden. Das Bild entsteht dann Schicht für Schicht, collagenartig. Über die Schichten kommen Farben und Lacke, Zeichnungen, Gedanken, Sätze. Und wieder neue Farbe, als müsse er neu beginnen. Dabei entsteht ein Geschichtenbild wie ein Roman in mehreren Strängen, immer wieder überdeckt von Nebenhandlungen. Das Finale sind dann oft markante Zeichnungen. „Zum Schluss wird alles mit klaren Lacken versiegelt und mit einem ganz feinen, hauchdünnen Papier überdeckt. So dünn, dass es wie eine klare Folie alle Schichten darunter erkennen lässt“, verrät der Künstler. So schließt sich das Buch einer jeden Nienhaus‘schen Bildgeschichte, die nie nur Bild sondern Projekt ist und in der die Betrachter sehen können, was sie sehen können und sehen wollen. „Wer sich mit meinen Arbeiten beschäftigt“, sagt der Kosmopolit Christian Nienhaus, „sieht das Resultat eines abgeschlossenen Projektes. Ich bevorzuge diesen Begriff statt Bild, denn ich betreibe keine Landschaftsmalerei, in der Existierendes eingefangen wird. Ich konserviere über meist längere Zeit Gedankengut, Situationen und Themenkomplexe.“ Und das nicht nur zweidimensional. „Irgendwann reicht mir die Leinwand nicht mehr aus, dann erschaffe ich ein kinetisches Objekt.“

Der Kreislauf von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft

Dem ersten derartigen Projekt, „Beginn und Begann“ – einer Kombination aus Technik und Malerei, entstanden während seines Studiums der Freien Kunst an der Ruhr Akademie in Schwerte – liegt eine Endlosgeschichte zugrunde: Ein Vater geht mit seinen Kindern „Beginn“ und „Begann“ in den Wald. Nur „Beginn kommt wieder heraus und geht wieder in den Wald. So wird aus „Beginn“ wieder „Begann“. „Die Zukunft geht immer vorwärts“, erklärt Christian Nienhaus, „wenn sie als „Beginn“ wiederkommt, kehren auch Gegenwart und Vergangenheit zurück, um bald wieder zu verschwinden.“ Diese philosophische Geschichte um den Kreislauf von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft in eine Zeichnung umzusetzen, war die Aufgabe, die der Kunststudent Nienhaus seinerzeit von seinem Professor Detlef Bach gestellt bekam. Nienhaus experimentierte auf der Leinwand und bildhauerisch, konnte aber das Thema sowohl in dem einen als auch anderen Metier nicht vernünftig umsetzen. So näherte er sich der Lösung auf technischem Weg und baute ein kinetisches Objekt.

Ganz gleich, ob es um Malerei, Modedesign oder elektronische Kunst geht: Ohne handwerkliche Fähigkeiten, so der Künstler, geht es nicht. Ohne das Nähen, Tischlern und die Kenntnisse im Bereich Elektro- und Steuerungstechnik könnte er viele seiner Projekte nicht selbst umsetzen (geschweige denn, die bunten Malerjeans flicken, die sein Markenzeichen sind). Und es selbst zu tun, ein Werk aus seinen Fähigkeiten entstehen zu lassen, eine Idee zu beleben, die erst im Schaffensprozess die endgültige Gestalt bekommt, sich darin immer wieder wandelt, das ist Nienhaus Anspruch an sich selbst und seine Projekte, von denen oft mehrere parallel entstehen.

Und wenn sie fertiggestellt sind? „Jedes fertige Bild ist eine abgeschlossene Geschichte. Es ist wie eine Liebesgeschichte, die zu Trennung führt. Man hat viel Zeit miteinander verbracht, Spaß gehabt, aber irgendwann ist es einfach vorbei“, beschreibt Christian Nienhaus den Trennungsprozess. „Außer, ein Projekt wird nach vielen Monaten wieder so interessant, dass ich es mir doch noch einmal vornehme.“

In allen seinen Projekten steckt auch Nienhaus‘ kritischer Blick auf die Welt und seine Zeit. So ist die überdimensionale Weltkugel nicht einfach nur ein großes mechanisches „Spielzeug. Vielmehr zeigt sie mit den zum Requiem von Bach ausfahrenden Kontinenten, wie sich diese voneinander weg entwickeln, wo der Zusammenhalt der Welt doch nur funktioniert, wenn alles nah beieinander ist. „Ich bin nicht Künstler, weil ich schöne Bilder malen will“, sagt Christian Nienhaus.

Autor:

Silvia Dammer aus Hagen

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