Anonyme Anzeige – Beschwerde an das Jobcenter Gelsenkirchen

Allmählich haben sich die größten Wogen geglättet, so dass ich über folgenden Vorgang berichten kann. Natürlich ist mir bewusst, dass diese Veröffentlichung viele Widersacher, Shitstorms und Pöbeleien zu Tage bringen wird. Es wird aber auch anderes Feedback geben, wie ich bereits erfahren durfte. Das Thema ist zu brisant, als dass es nicht angegangen werden muss. Zu wenige machen öffentlich, was dieses Hartz-IV-Gesetz mit den Menschen macht. Natürlich gibt es auch diese Menschen, die meinen, an einer Anzeige muss ja was dran sein. Genauso glauben sie, dass Menschen zu Recht sanktioniert werden. Die Wahrheit liegt aber auch oft woanders. Und das muss auch von Betroffenen mehr diskutiert werden. Vielleicht mache ich ja mehr Menschen Mut, sich zu wehren.

Worum geht es?

Seit der Agenda 2010 ist mir bewusst, dass die Gesellschaft sich auf Grund der Verschlimmbesserung am Arbeitsmarkt verändern wird. Armut, Angst und Perspektivlosigkeit verändert eine Gesellschaft, wie wir nun auch 11 Jahre nach Einführung von Hartz IV erleben müssen. Aus diesem Grund bin ich aktiv geworden und mein Engagement gegen die Ungerechtigkeiten bei Hartz IV variieren je nach Mitstreitern, Kampagnen und auch anderen Möglichkeiten.

Um eine neue Idee von Arbeit zu denken und auch zu kommunizieren, habe ich eine Plattform ins Leben gerufen, die sich mit tauschen, teilen und Talenten befasst. Meine Ausgangsidee war: Wenn es keine Erwerbsarbeit mehr gibt, von der die Menschen leben können, was können wir als Gesellschaft entwickeln, um dennoch unsere Grundbedürfnisse zu decken? Das Motto lautet „Vom Wert der Arbeit“. Nach und nach entwickelt sich um diese Idee herum ein Netzwerk, Ideen werden vorangetrieben, man redet über das Bedingungslose Grundeinkommen und ich entdecke Talente, die mich ins Staunen bringen.

Nun bin ich auf Grund meines Engagements selbst in Hartz IV gerutscht. Mein ehemaliger Arbeitgeber im öffentlichen Dienst fand meine politische Arbeit, die ich privat ausübte, nicht so prickelnd und wiegelte Kollegen gegen mich auf. Mobbing und gesundheitliche Nachteile, wie ein posttraumatisches Belastungssyndrom, sind die Folge.

Ich sah mit meiner Idee eine Möglichkeit, wieder allmählich einen Weg zurück in die Gesellschaft zu finden. Was Mobbing mit einem Menschen machen kann, ist wahrscheinlich nur für jemand nachvollziehbar, der es selbst erlebt hat. Nach und nach fand ich wieder Vertrauen in mich und andere Menschen. Meinen Beruf konnte ich nicht mehr ausüben, Umschulungen wurden abgelehnt. Wie sollte es also mit mir weitergehen? Ich hoffte, dass meine gesellschaftliche Initiativarbeit mit meinem Projekt ein Weg in eine Tätigkeit sein könnte, die nicht nur meine Gesundheit stabilisiert, sondern auch andere Menschen dazu bewegt, sich mit ihrem eigenen Talent auseinanderzusetzen.

Die Idee wurde angenommen und entwickelt sich prima.

Was ist passiert?

Ich begann gerade mit einem Stand bei öffentlichen Veranstaltungen die Idee zu den Menschen zu bringen. Ironie des Schicksals war, dass sich just zu diesem Zeitpunkt die Initiative „Sanktionsfrei“ entwickelte, die ich sehr gerne unterstütze. Auf meinem Stand lagen Flyer und ich diskutierte mit den Menschen, wieso die Sanktionen im SGB abgeschafft gehören. Genau zu dieser Zeit erhielt ich einen Brief vom Jobcenter-Gelsenkirchen, dass eine Anzeige eingegangen ist, in dem die Behauptung aufgestellt wurde, ich könne für mein Einkommen mit meinem Projekt selbst sorgen. Mir war klar, dass es irgendwann mal einen Denunzianten geben würde, der die Idee beim Jobcenter anscheißen würde. Ja, genau so nenne ich diesen Vorgang. Deshalb war ich auch mit einer Kostenrechnung ausgestattet, Quittungen, Kontoauszüge, alles lag schon parat. Wie gewünscht gab ich diese Unterlagen beim Jobcenter ab. Seit dem warte ich auf die Rücksendung dieser Unterlagen.

Dass dieser Denunziant gleich schon zu Beginn meiner öffentlichen Arbeit tätig wurde, überraschte mich dann doch. Natürlich leben wir auch mit Spitzeln und Denunzianten in einer Gesellschaft, aber wie schnell sie sind, ist schon rekordverdächtig.

Die Brisanz dieser Thematik geht noch weiter:

Mir wurde sofort die Bedürftigkeit aberkannt und die Leistung eingestellt. Die nächste Miete wurde fällig und ich wusste nicht mal, wie es um meine Krankenversicherung bestellt war.

Es gab ein paar Tage später in einem anderen Fall ein persönliches Gespräch mit einer Angestellten aus der Leistungsabteilung. Wenn man schon mal dort ist, kann man auch mal versuchen, weitere Informationen zu erlangen. Die Mitarbeiterin der Leistungsabteilung behauptete, die Anzeige sei anonym gewesen.

Was gilt es zu klären?

Das Jobcenter glaubt erst mal anonymen Anzeigen? Was, wenn sich nur mal jemand rächen möchte oder ihm die Nase vom Nachbarn nicht passt oder einfach einem anderen Menschen Schaden zufügen möchte? Dann wird im Jobcenter SOFORT zum Nachteil des ALG-II-Beziehers gehandelt und seine Existenz gefährdet?

Darüber hinaus werde ich versuchen zu klären, ob es eine Dienstanweisung gibt, einem ALG-II-Bezieher SOFORT die Bedürftigkeit abzuerkennen, ohne Prüfung, ohne ein Gespräch und daraufhin die Leistung einzustellen.

Wenn ein Mensch keine Ersparnisse hat, eine Familie durchbringen muss und dann noch seine Bedürftigkeit beweisen muss, bleibt er nicht mehr stabil. Das haut den stärksten psychisch um. Wer will verantworten, ob nicht gerade auch Suizidgefahr besteht? Denn mürbe wird man eh mir der Zeit, steckt man perspektivlos im SGB II. Den Druck kann man eine Zeit aushalten, aber nicht immer.

Mittlerweile konnte ich meine Situation klären. Dennoch werde ich mich dem Thema widmen und mein Engagement dafür einsetzen, dass anonyme Anzeigen in Zukunft keine Bedeutung und Beachtung mehr erlangen und dass es NICHT mehr möglich ist, Menschen sofort die Leistung zu verweigern. Aus diesem Grunde startete ich eine Beschwerdeoffensive und warte nun darauf, welche Informationen mich erreichen.

Beschwerdeoffensive

Über verschieden Stellen versuche ich nun eine Transparenz zu erlangen. Seit meinem Engagement in Sachen der Kosten der Unterkunft-Senkung in Gelsenkirchen weiß ich, dass es sehr schwer ist, wirklich Informationen von der Stadtverwaltung zu erhalten. Daher gehe ich von einer intensiveren Arbeit aus.

Inhalt der Beschwerde an das Jobcenter-Gelsenkirchen, Herrn Dirk Sußmann (Geschäftsführer), Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg und Bezirksdirektion Düsseldorf:

- Am 8. März schrieb ich das Jobcenter – Team 534 per Mail mit der Frage an, ob ich denn noch krankenversichert sei. Ich erhielt keine Antwort.

- Am 24. März 2016 gab ich die gewünschten Unterlagen im Jobcenter an der Vattmanstraße in Gelsenkirchen mit Quittierung persönlich ab.

- Am gleichen Tag schrieb ich dem Team 534 erneut eine Mail mit meinem Widerspruch und der Information, dass ich die Unterlagen abgegeben habe. Die Dokumente wie Kontoauszüge und Quittungen wollte ich aus Sicherheitsgründen nicht per E-Mail senden.

- Vom 29. März 2016 erhielt ich vom Jobcenter ein Schreiben mit dem Hinweis, dass sich meine Kontoauszüge nicht in der E-Mail befanden. Den Grund dafür habe ich gerade erwähnt.

- Am 31. März schrieb ich dem Team 534 eine E-Mail mit der Bitte, mir unverzüglich mitzuteilen, wenn meine Kontoauszüge eingetroffen sind. Das ist bis heute nicht erfolgt.

- Am 21. April 2016 sendete ich noch mal eine E-Mail an das Team 534, mir unverzüglich meine Kontoauszüge zurückzusenden oder einen Grund zu nennen, wieso sie meine Auszüge noch einbehalten. Das ist bis heute nicht erfolgt.

Meine Forderungen an das Jobcenter Gelsenkirchen sind:

- Ich fordere unverzüglich meine Kontoauszüge zurück. Ist hier eine Verlustanzeige zu stellen, bitte ich um Antwort, in welcher Form diese eingeleitet werden kann.

- Ich möchte gerne geprüft wissen, wie die Arbeitsanweisung im Jobcenter Gelsenkirchen lauten, was den Umgang mit anonymen Anzeigen anbelangt. Ist es erforderlich, gleich die Grundsicherung einzustellen? Nicht auszudenken, wie Menschen reagieren und leiden, die keine Ersparnisse mehr auf ihrem Konto haben.

- Die Kommunikation im Jobcenter Gelsenkirchen scheint desaströs. Nicht ein Mal hat das Team 534 auf meine Fragen geantwortet. Keine Antwort auf meine Frage nach der Krankenversicherung, keine Antwort auf meine Frage, ob die Kontoauszüge mittlerweile eingetroffen sind, keine Antwort auf meine Aufforderung, die Kontoauszüge zurückzusenden. Ich bitte um Klärung, wieso die Kommunikation derart verweigert wird.

- Der Schriftverkehr lief über jemanden Namens „ich“, aber kein weiterer Name war erkennbar. Alles lief über das Team 534. Es war nicht mal zu erkennen, ob es sich um einen Mann oder Frau handelt. Wie kommuniziert man mit „ich“? Gibt es da nicht höflichere Möglichkeiten der Korrespondenz?

- Ist es möglich, Akteneinsicht zu erhalten und das Schreiben bzw. die Anzeige einzusehen? Wenn das Schreiben anonym ist, wird ja der Datenschutz gewahrt. Und dass es anonym sein soll wurde mir bei einem persönlichen Gespräch im Jobcenter mitgeteilt.

Jeder Adressat bestätigte mir bereits den Eingang. Nun warte ich auf weitere Informationen.

Autor:

Sandra Stoffers aus Recklinghausen

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