„Deadline für Angela Merkel“

Joachim Poss zeigte sich im Interview überzeugt von der positiven Wirkung des Gelsenkirchener Appells und enttäuscht von der Reaktion der Bundesarbeitsministerin. | Foto: Gerd Kaemper
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  • Joachim Poss zeigte sich im Interview überzeugt von der positiven Wirkung des Gelsenkirchener Appells und enttäuscht von der Reaktion der Bundesarbeitsministerin.
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Die Unterstützer des „Gelsenkirchener Appell“ fanden in den Initiatoren des kürzlich beendeten Projekte "Steinbruch Demokratie" neue Mitstreiter bei ihrer Idee, Langzeitarbeitslose durch sozialversicherungspflichtige Beschäftigung wieder in die Arbeitswelt einzugliedern.

Der Stadtspiegel sprach mit dem Gelsenkirchener SPD-Bundestagsabgeordneten Joachim Poss über den neuen Anlauf in Sachen „Gelsenkirchener Appell“.

Von der Leyen ist nicht die gute Fee

Stadtspiegel: Herr Poss, der Gelsenkirchener Appell geht in eine neue Runde, nachdem Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen dem ersten Vorstoß eine klare Absage erteilte. Welche Chancen sehen Sie für den Gelsenkirchener Appell?
Joachim Poss: „Ich hatte seinerzeit Frau von der Leyen auch selbst schon angeschrieben und sie dabei auf die Besonderheiten der hiesigen Struktur aufmerksam gemacht. Dabei hat sich Frau von der Leyen nicht als die gute Fee erwiesen, die sie sonst gern vorgibt zu sein.“

Die Idee des Gelsenkirchener Appells ist es Langzeitarbeitslose in einem sozialen Arbeitsmarkt mit sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung zu integrieren. Wie ist das finanzierbar?
„Das wäre regelbar, wenn Mittelzuweisungen flexibler gehalten würden. Es bedarf eines Instrumtariums, das es bis dato nicht gibt. Frau von der Leyen glaubt, dass die Reform 2012 so etwas regelt, aber das sehen die Jobcenter und die Weiterbildungsträgeranders. Gerade für die Langzeitarbeitslosen wird das benötigt, was der Appell fordert: einen sozialen Arbeitsmarkt, der als Pilotprojekt in Gelsenkirchen erprobt wird, von hier in die Region gehen könnte, die ja ähnliche Probleme hat, und dann noch weiter ausgeweitet werden könnte. Dabei wird schon konkretisiert, wo solche Beschäftigung möglich wäre, denn viele der Betroffenen sind auf dem normalen Arbeitsmarkt nicht integrierbar. Darum müssen andere Wege als die bestehenden gefunden werden.“

Soziale Arbeitsplätze, aber wo?

In welchen Jobs könnten diese Langzeitarbeitslosen denn eingesetzt werden? Wie muss man sich das vorstellen?
„Dazu sind hier konkrete Vorschläge entwickelt worden. Das könnte z. B. auf den Schulhöfen sein, wo im Rahmen eines solchen Projekts Schulgärten angelegt werden könnten oder in der Wohnungslosenhilfe. Die Möglichkeiten sind vielfältig. Ebenso wichtig wäre es aus meiner Sicht, das Problem von Anfang an zu verfolgen. Damit meine ich: bei den Kindern. Die sozialen Probleme sind Realität und darauf muss ein Politiker reagieren und nicht einfach alles schön färben. Und das tut Frau von der Leyen, wenn sie sagt, dass für alles ausreichend Geld und die richtigen Maßnahmen vorhanden sind. In Gelsenkirchen wird mit wenigen Mitteln vieles mit Erfolg durchgeführt, wie z. B. die Auszeichnungen für das Best Ager-Projekt beweisen.“

Im Jahr 2010 zeigte sich das Bundesministerium für Arbeit und Soziales noch interessiert am Modellprojekt „Bürgerarbeit“. Dieses weist einige Parallelen zu Gelsenkirchener Appell auf. Warum dann die Absage gegen die Gelsenkirchener Idee?
„Diese Frage müsste das Ministerium beantworten. Das Projekt „Bürgerarbeit“ ist im Übrigen finanziell nicht ausreichend ausgestattet. Die Träger mussten ständig dazu schießen und das sorgte nicht gerade für Begeisterung bei ihnen.“

Warum hält die Arbeitsministerin aus Ihrer Sicht nichts vom Gelsenkirchener Appell, wenn dieser doch über die Bürgerarbeit hinaus gehende Ideen verfolgt und finanzierbar wäre? Oder hat sie vielleicht gar keine Kenntnis von dem Projekt? Die Antwort an den Oberbürgermeister ließ sie ja von ihrem Staatssekretär verfassen.
„Kenntnis hat sie definitiv. Sie hat mir auf ein Schreiben persönlich geantwortet, zumindest hat sie es persönlich unterzeichnet und darum gehe ich davon aus, dass sie den Inhalt kennt. Entweder ist Frau von der Leyen nicht willens sich damit zu befassen oder es ist ihr einfach nicht vorstellbar, welche Probleme es hier vor Ort gibt nach Jahrzehnten der Monostruktur. Das Problem ist, dass es mehrere Einladungen nach Gelsenkirchen gab, um ihr vor Ort die Problematik zu verdeutlichen. Doch die hat sie allesamt ausgeschlagen. Die Ruhrgebiets-CDU mit ihrem Vorsitzenden Oliver Wittke war offenbar auch nicht in der Lage, bei Frau von der Leyen etwas im Sinne des Gelsenkirchener Appells zu erreichen.“

Wie könnten die sozialen Arbeitsplätze, deren Einrichtung der Gelsenkirchener Appell zum Ziel hat, finanziert werden?
„Dazu wären verstärkte politische Anstrengungen nötig. Es gibt vieles zu tun in unserer Republik. Denken Sie allein an die maroden Brücken in Nordrhein-Westfalen, die derzeit im Gespräch sind. Auch die Brücken sind ein Zeichen dafür, dass wir lange Jahre auf Verschleiß gefahren sind. Wir sehen im internationalen Vergleich immer gut aus, aber wenn man ein wenig tiefer blickt, ist vieles marode. In der neuen Legislaturperiode kommen auf welche Regierung auch immer viele schwierige Aufgaben zu, die es zu lösen gilt. Der Gelsenkirchener Appell ist dabei ein eher kleiner finanzieller Aufwand, der zu stemmen ist. “

Scheidet Merkel 2016 aus?

Der "Stern" hat noch einmal das Gerücht aufgegriffen, dass Angela Merkel im Falle ihrer Wiederwahl nicht die ganze Legislaturperiode über Kanzlerin bleiben wolle. Laut "Stern" wolle sie sich 2016 zurückziehen, weil sie dann 25 Jahre in der Politik hinter sich hätte. Glauben Sie dem Stern?
„Das nehme ich nicht ernst. Für mich stellt sich diese Frage aber auch nicht, denn ich gehe davon aus, dass die Kanzlerschaft von Angela Merkel am 22. September 2013 mit der Bundestagswahl endet. Und das allen bisherigen Umfragen zum Trotz.“

Lesen SIe zum Gelsenkirchener Appell auch den Beitrag von Markus Tillmann.

Autor:

silke sobotta aus Gelsenkirchen

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