Herr Töns (MdB SPD) antwortet zur Diätenerhöhung

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Ich freue mich sehr, dass unser Gelsenkirchener Bundestagsabgeordneter der SPD, Herr Töns, meine Anfrage meinem Wunsch entsprechend persönlich beantwortete. Und das sogar sehr zügig. Ich bin überrascht und erfreut. Mein Dank geht an Herrn Töns.

Wie ich bereits in meiner Anfrage, die hier zu lesen ist, erwähnte, werde ich auch die Antwort veröffentlichen.

Leider schreibt Herr Töns schon zu Beginn, dass er meiner Darstellung zur Regelung des Antrages zur Diätenerhöhung widerspricht. Dabei habe ich nichts anders geschrieben, als er hier verdeutlicht. Das ist in meiner Anfrage nachzulesen. Hat er nicht richtig gelesen? Oder habe ich mich nicht konkret ausgedrückt? Nun, die Kommunikation zwischen Bürger und Politik muss ja erst reifen.

Eine Analyse auf die Beantwortung meiner Fragen folgt im Anschluss.

Hier die Antwort von Herrn Töns:

„Sehr geehrte Frau Stoffers,

vielen Dank für Ihre E-Mail. Entgegen Ihrer Darstellung habe ich am 13.12.17 nicht für oder gegen eine Diätenerhöhung gestimmt, sondern für die Aufrechterhaltung eines Anpassungsmechanismus, der seit 2016 in Kraft ist und die Höhe der Abgeordnetenentschädigung an die Nominallohnentwicklung in Deutschland koppelt. Diese Anpassung erfolgt nicht sofort, sondern zur Mitte jedes Jahres auf Basis der Daten des Statistischen Bundesamtes. Ob es sich um eine Erhöhung handelt, wird feststehen, wenn der Präsident des Statistischen Bundesamtes bis zum 31. März 2018 dem Bundestagspräsidenten die Entwicklung des Nominallohnindexes vorlegt.

Laut Artikel 48 Absatz 3 des Grundgesetzes haben Abgeordnete ein Recht auf eine „angemessene, ihre Unabhängigkeit sichernde Entschädigung“; laut Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1975 müssen die Abgeordneten dabei „vor den Augen der Öffentlichkeit“ selbst über die Höhe ihrer Entschädigung entscheiden. Dass Abgeordnete die Höhe ihrer Entschädigung selbst bestimmen müssen, wird in der Öffentlichkeit häufig kritisiert. Dennoch halte ich das aktuelle Verfahren, auch im Vergleich zu früheren Regelungen, für transparent und öffentlich nachvollziehbar.

Der Prozess zur Festlegung der Höhe der Entschädigung war bis 2016 so geregelt, dass der Bundestagspräsident dem Parlament einen Vorschlag über die Höhe der Entschädigung unterbreitete, über den dann im Plenum abgestimmt wurde. Für die Bürgerinnen und Bürger war bei diesem Verfahren allerdings oft nicht ersichtlich, an welchen Kriterien sich der Vorschlag des Bundestagspräsidenten orientierte.

Um das Verfahren zur Anpassung der Abgeordnetendiäten für die Bürgerinnen und Bürger transparenter zu gestalten, hat der Bundestag in der 17. Wahlperiode eine unabhängige Expertenkommission beauftragt, Vorschläge für ein neues Verfahren auszuarbeiten.
Die im März 2013 von der Expertenkommission vorgelegten Vorschläge sehen vor, dass die Abgeordnetenentschädigung 1) an die jährliche nominale Lohnentwicklung gekoppelt sein und sich 2) in ihrer Höhe an den Bezügen oberster Bundesrichter orientieren soll. Seit Juli 2016 werden diese Vorschläge umgesetzt; parallel dazu hat der Bundestag die Transparenzregeln für Zusatzverdienste verschärft und eine Reihe von Schritten zur Absenkung der Altersvorsorge von Abgeordneten beschlossen.

Dass meine Zustimmung zur Weitergeltung des Anpassungsmechanismus bereits im Dezember erfolgt ist – als ich, wie Sie schreiben, „gerade mal drei Monate im Bundestag“ war – ist einer entsprechenden Regelung im Abgeordnetengesetz geschuldet: Damit der von der Expertenkommission empfohlene Mechanismus für die aktuelle Wahlperiode weiter gelten kann, muss er innerhalb von drei Monaten nach der konstituierenden Sitzung bestätigt werden. Vorschläge für einen alternativen Mechanismus zur Festlegung der Abgeordnetenentschädigung hat es bis zu diesem Zeitpunkt nicht gegeben – auch nicht von den Fraktionen Die Linke und AfD, die gegen die Weitergeltung des Mechanismus gestimmt haben.

Sie führen in Ihrem Schreiben aus, dass die AfD mein Abstimmungsverhalten im Hinblick auf die Anpassung der Abgeordnetenentschädigung für ihre Öffentlichkeitsarbeit nutzen könne. Ich werde mein Abstimmungsverhalten im Plenum jedoch auch in Zukunft nicht davon abhängig machen, wie die AfD darauf reagieren könnte – zumal ich nicht glaube, dass ich durch hasenfüßiges Taktieren auch nur einen AfD-Wähler zurückgewinnen würde. Ich habe für die Weitergeltung des Anpassungsmechanismus gestimmt, weil er nach meiner Ansicht – auch im Vergleich zur Praxis vor 2016 – eine bessere Nachvollziehbarkeit für Bürgerinnen und Bürger schafft. Dies sehe ich als angemessenere Entscheidungsgrundlage als die mögliche Reaktion anderer Parteien.

Die von Ihnen kritisierte Ausnahme vom Mindestlohn für Langzeitarbeitslose will die SPD abschaffen. Bereits in der vergangenen Wahlperiode hat Andrea Nahles, damals Arbeitsministerin, das Kanzleramt auf die Wirkungslosigkeit dieser Regelung hingewiesen. Dass wir die Ausnahme vom Mindestlohn für Langzeitarbeitslose abschaffen wollen, ist auch in unserem Wahlprogramm für die Bundestagswahl 2017 festgeschrieben.

Mit freundlichen Grüßen

Markus Töns" 

Die Analyse:

1. Langzeitarbeitslose, Unterbeschäftigte, etc.:

Meine Frage: „Wie möchten Sie einem ALG-II-Bezieher in Gelsenkirchen vermitteln, dass die automatische Anpassung gerechtfertigt ist?“

Antwort Herr Töns: „Dennoch halte ich das aktuelle Verfahren, auch im Vergleich zu früheren Regelungen, für transparent und öffentlich nachvollziehbar.“ 

Meine Recherchen haben jedoch ergeben, dass der Nominallohnindex innerhalb eines Jahres schwankt. Die Diäten jedoch nicht. Sinkt der Index im Laufe eines Jahres, tun die Diäten das jedoch nicht. Deshalb widerspreche ich Herrn Töns, dass dieses Verfahren geeignet und eben auch gerecht ist. Zu überlegen wäre, die Diätenerhöhung an einen anderen gemeingültigen Index anzupassen.

Frage wurde beantwortet. Zeichen: Weiter so!

2. Gehaltserhöhungen müssen andere verhandeln, Mehrbedarfe beantragt werden:

Meine Frage lautete: „Mit welcher Begründung glauben Sie, einer Erhöhung nach drei Monaten gerecht zu werden?“

Antwort Herr Töns: „Damit der von der Expertenkommission empfohlene Mechanismus für die aktuelle Wahlperiode weiter gelten kann, muss er innerhalb von drei Monaten nach der konstituierenden Sitzung bestätigt werden.“

Das heißt jedoch nicht, dass man zustimmen muss. Man muss nur zustimmen, wenn man mehr Geld haben will. Man muss nicht zustimmen, wenn man ein solidarisches Zeichen in eine Stadt geben will, welche von Armut geprägt ist.

Frage wurde beantwortet. Zeichen: Keine Reflektion auf die Auswirkung

3. Der gesetzliche Mindestlohn:

Meine Frage: „Wäre es nicht klüger gewesen, aus Solidarität mit ihrer eigenen Politik und den Langzeitarbeitslosen zu signalisieren, dass Sie einer Anpassung in weniger als 6 Monaten Ihrer Amtszeit nicht zustimmen? Die Menschen, die in Gelsenkirchen den Auswirkung der Politik Ihrer Partei unterliegen, haben diese Chancen nicht.“

Antwort Herr Töns: „Die von Ihnen kritisierte Ausnahme vom Mindestlohn für Langzeitarbeitslose will die SPD abschaffen. Bereits in der vergangenen Wahlperiode hat Andrea Nahles, damals Arbeitsministerin, das Kanzleramt auf die Wirkungslosigkeit dieser Regelung hingewiesen. Dass wir die Ausnahme vom Mindestlohn für Langzeitarbeitslose abschaffen wollen, ist auch in unserem Wahlprogramm für die Bundestagswahl 2017 festgeschrieben.“

Die SPD hat diesen Mindestlohn doch in der GroKo durchgesetzt. Wie kompetent ist eine Partei, die nicht in der Lage ist, ihre Kernkompetenz durchzusetzen? Erst abstimmen und dann ein „neee doch nicht“? Dieses vorgehen schafft kein Vertrauen in die politische Arbeit der SPD.

Frage wurde beantwortet. Zeichen: Es fehlt die Glaubhaftigkeit.

4. Der Soziale Arbeitsmarkt/Soziale Teilhabe:

Meine Frage: Wie fühlt es sich an, sich selbst eine positive Anpassung des monatlichen Einkommens auferlegen zu können? Dagegen wollen Sie Arbeitsmodelle umsetzen, welche Menschen nicht mal an einem Mindestlohn teilhaben lassen müssen. Wie erklären Sie Ihr Verhalten, welches nicht als vorgelebtes Beispiel gelten kann? Wie möchten Sie das ALG-II-Beziehern in Gelsenkirchen vermitteln?

Antwort Herr Töns: keine!

Ein Abgeordneter im Bundestag ist nur seinem Gewissen verpflichtet. Daher meine Frage. Aber keine Antwort. An dieser Stelle zeigt sich, wie wichtig bundesweite Volksentscheide sind und die repräsentative Demokratie sich überholt hat.

Es mag Gründe geben, wieso er auf das Thema nicht eingehen mag. Aber da werde ich weiter dranbleiben. Dieser soziale Arbeitsmarkt ist in seiner Umsetzung alles andere als sozial. Vielleicht mag das der Grund sein, dass Herr Töns nicht antworten mag. Denn jede Antwort würde darauf hindeuten, dass mit diesem Arbeitsmarktmodell eine Verschärfung von Hartz IV droht.

Frage wurde nicht beantwortet. Zeichen: Jetzt werde ich neugierig, wieso nicht. Da steckt mehr hinter! Dranbleiben.

5. Bekämpfung der sozialen Ungleichheit:

Meine Frage: „Wie können Sie authentisch dem Bürger in Gelsenkirchen glaubhaft machen, dass Sie mit einer Abstimmung für die Anpassung einer Abgeordnetenentschädigung, soziale Ungleichheit bekämpfen wollen?“

Antwort Herr Töns: keine!

Das mag daran liegen, dass es gar nicht möglich ist. Wenn man für sich selbst eine komfortable Situation herausarbeitet, während die Menschen im Wahlkreis in Armut leben und diese Chance nicht haben, kann man diese Frage nicht beantworten.

Frage wurde nicht beantwortet. Zeichen: Unglaubwürdigkeit!

6. Reflektion nach der Wahl:

Meine Frage: „Wieso stimmen Sie bei einem so sensiblen Thema genau in die Richtung, wieso die SPD vom Wähler abgestraft wurde? Ist das Ihr Signal?“

Antwort Herr Töns: keine!

Das mag daran liegen, dass die Zeichen auf „weiter so!“ gestellt sind. Da die Menschen, entgegen seiner Ansicht, die Arbeit der SPD mit 20% nicht honoriert haben, scheint eine Reflektion der Situation gar nicht wirklich vorhanden.

Frage wurde nicht beantwortet. Zeichen: Weiter so! Die SPD hat recht und die BürgerInnen verstehen es nur nicht.

7. AfD:

Meine Frage: Haben Sie vielleicht nur einen Moment daran gedacht, dass die AfD genau diese Situation nutzen könnte, um sich über die etablierten Parteien erheben zu können? Und Sie geben mit Ihrem Abstimmungsverhalten Wasser auf die Mühlen der AfD-Wähler. Haben Sie überhaupt verstanden, welch ein Signal Sie nach Gelsenkirchen geben?

Antwort Herr Töns: „Ich werde mein Abstimmungsverhalten im Plenum jedoch auch in Zukunft nicht davon abhängig machen, wie die AfD darauf reagieren könnte – zumal ich nicht glaube, dass ich durch hasenfüßiges Taktieren auch nur einen AfD-Wähler zurückgewinnen würde.“

Herr Töns scheint nicht zu verstehen, dass die AfD nicht das Problem ist, sondern die WählerInnen, welche sie wählen. Das sind ganz viele Menschen, die von der herkömmlichen Politik enttäuscht und wütend sind. Die Leute, die für die AfD im Parlament sitzen, sind wenige, gemessen an denen, die in Deutschland die Politik der SPD kritisieren.

Was hasenfüßig ist und was nicht, ist gar nicht das Thema. Die SPD hat bei der Bundestagswahl 2017 470.000 Wähler an die AfD verloren. Da ist aber mal ordentlich Engagement gefragt, um diese Wähler wieder zurückgewinnen zu wollen. 

Frage wurde beantwortet. Zeichen: Rückgewinnung der verlorenen Wähler wird nicht deutlich.

8. Mehreinnahmen sinnvoll und gemeinschaftlich einsetzen:

Meine Frage: Werden Sie ebenfalls die Mehreinnahmen, welche ab Mitte 2018 für Sie zu erwarten sind, einem guten Zweck in Ihrer Stadt zukommen lassen? Vielleicht einem Verein, der sich gegen rechtspopulistisches Gedankengut stark macht? Wären Sie bereit, ein Signal zu setzen?

Antwort Herr Töns: „Vorschläge für einen alternativen Mechanismus zur Festlegung der Abgeordnetenentschädigung hat es bis zu diesem Zeitpunkt nicht gegeben – auch nicht von den Fraktionen Die Linke und AfD, die gegen die Weitergeltung des Mechanismus gestimmt haben.“

Im erweiterten Sinne kann man diese Aussage vielleicht dieser Frage zuordnen. Wirklich beantwortet wird die Frage jedoch nicht. Es kann aber auch nicht DIE LINKE oder die AfD dafür verantwortlich sein, dass Herr Töns der Regelung zur Diätenerhöhung zustimmt. Er hätte ja noch die Möglichkeit der Enthaltung oder der Ablehnung gehabt. Das ist zu einfach gedacht.

Aber diese Aussage motiviert mich natürlich, entsprechenden Fraktionen eine Anfrage zu stellen, ob sie Alternativen bereits überlegt haben. Denn erstaunlicherweise findet in den Parteien oft mehr statt, als wir in der Öffentlichkeit mitbekommen. So ist DIE LINKE beispielsweise dabei, gegen die Regelung der Abschaffung der Arbeitslosenversicherung in der sozialen Teilhabe vorzugehen. Dazu wird noch ein Artikel folgen.

Frage wurde nicht beantwortet. Zeichen: Mein Geld gehört mir!

Fazit:

Die Antworten oder nicht Antworten waren erwartbar. Aber wie Herr Töns im Konkreten seine Abstimmung bewertet und nicht erkennt, welch ein Zeichen nach Gelsenkirchen gesandt wird, zeigt, dass wir als Bürger doch konkreter in unserer Kommunikation werden müssen.

Man kann zwar wunderbar über Soziales reden, aber das Verhalten schafft Konsequenzen. Wie heißt es so schön: An Ihren Taten sollt Ihr sie messen.

Und in Zeiten der Umdeutung von Sprache muss man einmal mehr hinschauen, dass Vieles, was mit „sozial“ beschrieben wird, nicht mehr sozial ist. Bestes Beispiel ist die Kampagne: „Sozial ist, was Arbeit schafft“.

Dazu schrieb ich in der ISSO (Ausgabe Nov. 2017):

„An dieser Stelle möchte ich noch mal genauer auf die Herkunft zurückkommen.
Alfred Hugenberg, Vorsitzender der Deutschnationalen Volkspartei (DNVP) und Unterstützer von Adolf Hitler, sagte am 31. Juli 1932 in einer Rundfunkansprache zur Reichstagswahl: "Gesunde Wirtschaft bedeutet heute vor allem Beseitigung der Arbeitslosigkeit. Derjenige ist wirklich und wahrhaft sozial, der Arbeit schafft."
Der Hugenberg-Konzern kontrollierte damals die Hälfte der deutschen Presse und trug maßgeblich zum Aufstieg der NSDAP bei.“

Die Entwicklungen scheinen sich zu wiederholen.

Beantwortungsquote: 50%
Weitere Anfragen werden folgen.

Autor:

Sandra Stoffers aus Recklinghausen

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