Schalke-Pfarrer Ernst-Martin Barth: „Man muss ja auch mal über die Schwarz-Gelben lachen können.“

Seit 18 Monaten ist Pfarrer Ernst-Martin Barth auch in der Schalke-Kapelle tätig. Eine Dauerkarte besitzt er aber schon seit fast 30 Jahren! | Foto: Gerd Kaemper
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  • Seit 18 Monaten ist Pfarrer Ernst-Martin Barth auch in der Schalke-Kapelle tätig. Eine Dauerkarte besitzt er aber schon seit fast 30 Jahren!
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Im Evangelium nach Matthäus heißt es in Kapitel 18, Vers 20: „Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen.“ Mitten in der Kapelle des FC Schalke 04 und damit unter mehr als zwei oder drei Namen ist seit 18 Monaten der evangelische Pfarrer Ernst-Martin Barth , seit 25 Jahren an der Matthäus-Kirche in der evangelischen Kirchengemeinde Buer, und seit 31 Jahren wohnhaft in Erle.

Die Kapelle in der Veltins-Arena dient als ein Ort der Ruhe und ist ein heiliger Raum. 100 Taufen und 60 Gruppen-Führungen finden unter anderem in den 60 Quadratmetern pro Jahr statt. Zudem noch Eheschließungen, Gedenkfeiern sowie auch Seelsorge oder eine Andacht für Verstorbene. Spieler, Manager und Funktionäre finden aber ebenso den Weg an Spieltagen zu der Kapelle, in der der Altar exakt auf einer Höhe mit dem Anstoßkreis im Stadion steht und von dem man aus den Spielertunnel sieht.

Stadtspiegel: Was bedeutet es für Sie, Herr Barth, wenn Sie durch die doppelte Glastür in die Kapelle gehen?
Ernst-Martin Barth: „Ich gucke durch das geöffnete Kreuz, mir ist nichts versperrt und Gott lädt zu neuen Erfahrungen ein. Man kommt vom Spielfeld, hat das Stadion im Rücken und den Altar vor sich. Fußball und Glaube sind „auf Schalke“ nicht zu trennen!

Wie finden Sie es, dass die Kapelle so nah am Spielfeld ist und nicht etwas abgeschiedener?
„Man hat zum einen die Arena direkt bei sich, wo das Spektakel stattfindet, der Kampf über Sieg und Niederlage. Zum anderen hat man direkt die Kapelle, in der jeder in sich gehen kann, Stille gefunden wird. Egal, ob Flüchtlinge, Asyl-Suchende, Arbeitslose, Menschen jeder Kultur und jeder Hautfarbe. Die Verbindung ist sehr gut gewählt, zwischen Alltag und dem Spieltag. Damit wird auch gezeigt, dass wir uns nicht abschotten.“

Die Farben in der Kapelle sind nicht blau und weiß...
„... und diese Entscheidung war sehr weise. Für den Fan war es sicherlich eine sehr schwere. Aber die Aufgabe der Kapelle ist hier wichtiger. Außerdem soll hier nichts ablenken. Die jetzige Gestaltung ist für das meditative Auge sehr gut. Wir wollen keine Fahnen oder Kutten haben und wir beten auch nicht für den Sieg, weil das bedeuten würde, dass wir dem Gegner eine Niederlage wünschen.“

Manager Horst Heldt hat in der vergangenen Saison einmal seinen Platz auf der Tribüne verlassen und das Spiel in der Mixed-Zone auf den Fernsehern weiterverfolgt. Kommt er öfter hier nach unten in die Katakomben?
„Während des Spiels sitze ich auf meinem Platz. Es gab schon einige Gäste-Spieler, Manager oder Funktionäre, die vor einem Spiel hier in die Kapelle gekommen sind.“

Schalke-Spieler besuchen Sie hier aber nicht oft?
„Namen werde ich jetzt keine nennen. Aber ich habe beispielsweise Benedikt Höwedes vor zwei Wochen mal so getroffen und mich etwas ausführlicher mit ihm unterhalten können. Er hört sehr gut zu und strahlt damit eine Ruhe aus, die eine sehr bemerkenswerte Seite in ihm zum Vorschein bringt. Diese Ruhe, die er ausstrahlt, tut dem Verein und uns allen gut.“

In einem Interview haben Sie mal gesagt, dass Sie eigentlich ein Parochialtyp sind. Wie passt das dann mit Ihrer Arbeit als Pfarrer der Kapelle des S04 zusammen?
„Ich bin mit Leib und Seele Gemeinde-Pfarrer und liebend gerne Seelsorger. Durch die Aufgabe beim S04 entdecke ich aber ganz neue Fragen und Werte. Die Strukturen hier sind ja auch anders, als wenn ich in meiner Gemeinde bin. Ich mache zum Beispiel auch bewusst kein Online-Banking, weil ich den Kontakt zu Menschen gerne suche. Hier haben die Schalker eine Heimat.“

Was bedeutet es, Schalke-Pfarrer zu sein?
„Dass ich mit Liebe, Fleiß und Humor arbeite. Man muss ja auch mal über die Schwarz-Gelben lachen können (schmunzelt). Es ist ein Geschenk, hier arbeiten zu können, weil ich so viele, unterschiedliche Menschen treffe. Ob hier aus Gelsenkirchen, dem Emsland, aus Tansania, Brasilien, Weißrussland. Die Menschen kommen von überall her.“

Was viele vielleicht gar nicht wissen: Sie sind ein richtiger Schalke-Fan.
„Seit 31 Jahren wohne ich in Erle. Eine Dauerkarte beim FC Schalke 04 habe ich seit gefühlten 28 Jahren. Ich weiß noch genau, wie ich damals mit meinem Vater und der Straßenbahn zur Glückauf-Kampfbahn gefahren bin. Bei der Eröffnung des Parkstadions war ich dabei, ebenso als das erste Länderspiel am 13. Oktober 1973 dort gegen Frankreich absolviert wurde. Jetzt sitze ich im Block M, Reihe 20, Sitz 24.“

Gibt es einen Gott auf Schalke?
„Ich kenne keinen blau-weißen Gott und bin ihm auch noch nicht begegnet (lächelt). Scherz beiseite. Einen Fußball-Gott gibt es nicht. Das musste der Verein 2001 ja leider auch schon schmerzlich feststellen.“

Es heißt immer, dass die Schalke-Verrücktheit keine Grenzen kennt. Was war für Sie bisher das Verrückteste?
„Eine rührende Geschichte. Ein Sohn rief mich an, dass er und sein Vater die Mutter/Frau zur Silberhochzeit überraschen und hier herbringen wollen. Damit Sie nicht wusste, wohin es geht, wurden ihr die Augen verbunden. Das Interessante an der Geschichte: Die Frau ist Dortmund-Fan, der Mann Schalke-Fan. Sie kam in Dortmund-Kleidung, er in Schalke-Kleidung. Als ihr die Augen hier unten vor der Kapelle wieder geöffnet wurden, weinte sie vor Freude. Das war wunderschön.“

Zur Person:

> Ernst-Martin Barth, geboren am 17. August 1959 in Marl-Hüls, ist verheiratet und hat zwei Töchter.

> Nach seinem Studium der Ev. Theologie in Münster und Bielefeld-Bethel begann er 1985 mit seinem Vikariat an der Dreifaltigkeitskirche Erle.

> Seit dem 1. April 1989 ist Barth Pfarrer an der Matthäuskirche in Middelich.

> Seit dem 1. Februar 2014 hat der 56-Jährige eine halbe Stelle Synodalbeauftragung für die Arena-Kapelle.

Autor:

Raphael Wiesweg aus Gelsenkirchen

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