Wann sind wir eine Gesellschaft?
Oder, lassen wir uns von AfD spalten?

In einer Anfrage möchte zunächst die AfD die Auflistung der Corona Infektionen nach Stadtteilen aufgelistet haben. Was ist das Ziel der AfD, fragt man sich. Warum vertraut man der Verwaltung nicht, dass sie das im Blick hat und entsprechende Maßnahmen gezielt ergreift? Will man eine öffentliche Debatte darüber in dem Bewusstsein, dass man genau weiß, dass die südlichen Stadtteile von Menschen mit Zuwanderungsgeschichte geprägt sind und man dort mehr Infektionszahlen vermutet? Sollen sie an den Pranger gestellt werden? Will man, dass nicht nur die B224 uns voneinander nach Nord und Süd trennt, sondern jetzt auch menschlich die Corona Infektion? Welchen Mehrwert haben wir sonst davon???

Es hat nicht lange gedauert, dass der Landtagsabgeordnete einer etabilierten Partei mit auf den Zug aufgestiegen ist. Schließlich will Mann in den Bundestag. Je nach Wetterlage hofiert man entweder die Menschen mit Zuwanderungsgeschichte und ihre Vereine, gleich welche politische Gesinnung sie in ihrem Herkunftsland unterstützen, um ihre Stimmen zu bekommen, oder man macht Wahlkampf auf ihre Kosten. Auch eine etabilierte Partei fasst Mut und spricht aus, was manche in ihren Reihen wahrscheinlich schon länger dachten, dass die Migranten die Treibenden des Infektionsgeschehens sein könnten. In vorauseilendem Gehorsam ruft dann der Vorsitzende des Integrationsrates uns Menschen mit Zuwanderungsgeschichte dazu auf, dass wir uns an die Regeln halten sollen. Wer sich aber in der Community bewegt, weiß, dass die allermeisten sich an die Regeln halten. Pauschalisierende Beschuldigungen oder Belehrungen in Richtung bestimmter Gruppen sind nicht hilfreich!

Die allermeisten Migranten halten sich an die Corona Schutzverordnung

Nicht nur, dass wir Menschen mit Zuwanderungsgeschichte die hiesigen Medien verfolgen, sondern auch herkunftssprachliche Zeitungen und Fernsehsender berichten und warnen uns seit Beginn der Pandemie sehr ausführlich. Sogar einzelne, dramatische Schicksale werden uns als warnende Beispiele regelmäßig vor Augen geführt. Weltweit sind wir alle betroffen und leiden unter der Situation, nicht nur Gladbeck, Deutschland und die Deutschen. Die Moscheen waren beim Ausbruch der Pandemie die ersten Gotteshäuser, die für Gebete und Veranstaltungen geschlossen hatten. Wer inzwischen wieder in die Moschee geht, nimmt seine rituelle Waschung zu Hause vor, seinen eigenen Gebetsteppich mit, muss sich eintragen und in Abstand beten. Die Regeln die Bund und Land für Religionsgemeinschaften aufgestellt haben, werden eingehalten! Die Älteren haben sogar Angst, dass sie erkranken oder sterben und ihre Kinder und Angehörigen nicht bei ihnen sein oder zur Beerdigung kommen könnten. Daher sind sie besonders vorsichtig.
Viele haben mit ihren Kindern zusammen Häuser gekauft und wohnen in größeren Familienverbunden in einem Haus zusammen als vielleicht eine kleine Kernfamilie. Das heißt aber nicht, dass sie sich nicht an die Coronaschutzverordnung halten.

Man braucht anscheinend Schuldige

Aber schuldig sind wir Menschen mit Zuwanderungsgeschichte, wenn Integration nicht klappt, wenn Kinder nicht ausreichend Deutsch können, wenn Unruhe und Lautstärke herrscht und jetzt auch, wenn die Infektionszahlen steigen. Es gibt überhaupt keine Selbstkritik, ob Chancengleichheit wirklich vorhanden ist in diesem Land und in dieser Stadt, ob es wirklich eine Wertschätzung für andere Kulturen und Sprachen gibt, denn Wertschätzung und Anerkennung können auch Schlüssel für Integration und Zusammenhalt sein. Stattdessen wird oft gerne hierarchisiert. Es gibt höherwertige und minderwertige Kulturen und Sprachen.

Wenn man uns Menschen mit Einwanderungsgeschichte als Teil der Gesellschaft akzeptieren würde, würde man so nicht fragen und einen Keil in die Gesellschaft treiben. Aber mit Hilfe des Landtagsabgeordneten, einer etablierten Partei, wahrscheinlich auch vielen Beschwerden bei der Verwaltung, dass andere doch sich freier verhalten als man selbst, und leider auch einem Pressekommentar hat die AfD ihr Ziel erreicht. Wie berichtet wird, ist die Verwaltung eingeknickt und schlüsselt Corona Fälle nun nach Stadtteilen auf. Schade und gefährlich! Vertrauen in die Verwaltung und die Bürgermeisterin hätten es auch getan, wie in anderen Städten auch. Unvorsichtiges und unsolidarisches Verhalten wird es nicht nur bei Menschen mit Zuwanderungsgeschichte geben. Alle müssen sich an die Nase fassen. Aber anscheinend sind wir hier als Gesellschaft noch weniger zusammengewachsen als anderswo und man braucht Schuldige.

Autor:

Interkulturelle Frauengruppe Gladbeck aus Gladbeck

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