Auf ein "Kum Bah Yah": Der Mundharmonika-Workshop mit Chris Kramer

Der Mundharmonika-Virtuose Chris Kramer gibt einem seiner Schüler Tipps. Er veranstaltet seit 17 Jahren Workshops und hat nach eigenen Schätzungen rund 12.000 Menschen unterrichtet.
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„Einatmen. Ausatmen. Die Mundharmonika ist jetzt ein Teil von euch.“ Chris Kramer macht die Augen auf und blickt in elf ratlose, aber auch ziemlich ehrgeizige Gesichter. Eines davon gehört zu mir, und ich frage mich kurz, ob ich unserem Lehrer seine abgedroschene Redewendung verzeihen kann. Aber dann beginnt er zu spielen und ich merke schnell: Das kleine Instrument ist dem freundlichen Musiker offenbar wirklich ins Gesicht gewachsen.

Drei Voraussetzungen gebe es, hieß es in der Kursbeschreibung der VHS Gladbeck, wenn man den vierstündigen Workshop bei Chris Kramer belegen will. Und die erfüllte ich, der ich erstens noch nie Mundharmonika gespielt hatte, zweitens keine Noten lesen kann und mich drittens freiwillig angemeldet hatte. Nach Wochen der Vorfreude ist es schließlich soweit: Montag, 18 Uhr. Mit zehn Gleichgesinnten, der jüngste vielleicht 25, der älteste 70 Jahre alt, sitze ich vor Chris Kramer, meine Zehn-Loch-Richter-Harp in C Dur fest in meinen klammen Händen. Dann stellt er sich der mehrfach ausgezeichnete, auf zig Platten vertretene, von Peter Maffay engagierte, Bücher schreibende und tausendmal ins Fernsehen eingeladene Mundharmonika-Virtuose vor: „Hi, ich bin Chris Kramer und ich spiel‘ echt gern Mundharmonika.“

Übung macht den Meister

Potzblitz, denke ich mir, das ist die Coolness von Blues und Rock‘nRoll. Im kitschigsten Sonnenuntergang auf einer Brücke stehen, dem Feierabendverkehr auf der A 40 zusehen und dann schmachtvoll Songs von Johnny Cash spielen. Ja, denke ich noch, das will ich auch. Dann finde ich mich im Workshop wieder, der gerade begonnen hat. Es lärmt. Alle pusten in das vierte Loch der Mundharmonika, ein C. Ich lärme mit, versuche angestrengt, auch wirklich nur durch das vierte Loch zu pusten und nicht auch noch durch Nummer drei und fünf. Das ist schwierig, weil ich dafür Kräfte in meinen Lippen mobilisieren muss, von denen ich bis dahin nichts geahnt habe. Kurz darauf setzt sich Chris Kramer neben mich, nickt mir aufmunternd zu und horcht. Irgendwie dringt sein Gehör durch den Krach, der durch ganz viele Cs entstanden ist, und korrigiert leicht den Winkel, mit dem ich mir das Instrument ins Gesicht drücke. „Siehste? Schon besser. Aber du atmest nicht so richtig locker“, strahlt er mich an. „Ja, haste Recht.“, japse ich ihm zu.

"Kum Bah Yah"

Eine Stunde später kann ich ein einzelnes C spielen. Chris Kramer verkündet, dass es jetzt Zeit für die Tonleiter sei. Als wir elf Harp-Anfängerinnen und -Anfänger uns unbarmherzig durch die Tonfolge wurschteln, erfüllt eine gewaltige Kakophonie den Raum, wie sie nur angehende Musiker zu erzeugen wissen. Ich muss kurz an die armen Seelen vom Yoga-Kurs denken, von denen uns nur ein zarter Fußboden trennt, doch in den Mienen meiner Mitstreiter erkenne ich feurigen Eifer. Also weiter. 20.15 Uhr. Beseelt von der Harmonie der Tonleiter in C Dur, verpasse ich fast die Ansage unseres Lehrers: „Gut, ich würde sagen, wir spielen jetzt mal ein schönes Lied. Kum Ba Yah.“ Und wirklich, nach ein paar Durchläufen spielen alle mit, sogar gleichzeitig. Aus dem kreischenden Missklang ist ein lustiges Musizieren geworden, das allen sichtlich Spaß macht.

Missionar der Mundharmonika

Nachdem wir noch ein weiteres Stück („Long, long ago“) geübt und gemeinsam gespielt haben, sind sich fast alle sicher, mehr lernen zu wollen. 22 Uhr. Chris Kramer, der in 17 Jahren Workshops nach eigenen Schätzungen rund 12.000 Menschen das Spielen beigebracht hat, bezeichnet sich selbst als „der freundlich-bierbäuchige Missionar der Mundharmonika“. Und das mit Recht, denke ich, als ich die Tonleiter übend zum Bahnhof gehe. „Kum Ba Yah“ ist zwar nicht Johnny Cash, aber ein Anfang.

Autor:

Jens Steinmann aus Herne

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