"Fragen, ihr müsst Fragen stellen!" - Gegen das Vergessen nach Israel

Die Reisegruppe um Georg Liebich-Eisele (r.) vor der Grabeskirche in Jerusalem. | Foto: Privat
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Seit mittlerweile 23 Jahren veranstaltet Georg Liebich-Eisele ehrenamtlich Fahrten gegen das Vergessen. Mit seinen Gedenkstättenfahrten bietet er Jugendlichen und Erwachsenen die Möglichkeit, sich mit der Schoah zu befassen. Unverzichtbarer Bestandteil der Fahrten ist dabei immer der persönliche Kontakt mit Zeitzeugen.

Zu einer neuntägigen Israel-Reise brach Liebich-Eisele im Juli auf. Er begleitete dabei eine Gruppe von 20 jungen Menschen im Alter von 18 bis 26 Jahren. Die thematischen Schwerpunkte des umfangreichen Programms lagen neben dem Holocaust auch auf der jüdischen Kultur und Tradition sowie auf der aktuellen politischen Lage Israels.

„Ich bin sehr froh, dass wir für diese Reise mit Uriel Kashi einen erfahrenen und sehr sympathischen Reiseführer gefunden haben. Ohne ihn wären wir den Menschen bei weitem nicht so nah gekommen“, resümiert Liebich-Eisele begeistert. Die ersten fünf der neun Tage verbrachte die Gruppe in Jerusalem und der näheren Umgebung der Metropole. Hier besuchten die Reisenden auch Yad Vashem, die bedeutendste Gedenkstätte für die während der Schoah ermordeten Juden. Hier erhielten sie in einem Workshop, dem auch ein Zeitzeuge beiwohnte, einen Einblick in die israelische Umgangsweise mit dem Holocaust. Liebich-Eisele: „Es ist beachtlich, wie sehr sich die Erinnerungskultur in Israel von der deutschen unterscheidet. Für die Jugendlichen war das eine wichtige Erkenntnis.“

Ganz normaler Alltag, ganz normale Menschen

Während einer ausgiebigen Stadtführung besichtigten die jungen Menschen unter anderem den Tempelberg, die Klagemauer, die Via Dolorosa sowie das Grab von Oskar Schindler, der während des zweiten Weltkrieges mehr als tausend jüdische Verfolgte vor dem Tod rettete. Auch führte ihr Weg die Reisegruppe in die palästinensischen Autonomiegebiete, wo sie die Gelegenheit für einen Besuch in Betlehem bekam. „Einige der Jugendlichen hatten sicher ein mulmiges Gefühl bei der Reise. Umso begeisterter waren sie aber, als sie das friedliche Leben der Palästinenser und deren Gastfreundschaft erlebten. Besonders die Geburtskirche und das Abendessen mit Blick auf die Hirtenfelder sind für mich unvergessliche Momente“, schwärmt Georg Liebich-Eisele. „Es ist in meinen Augen unwahrscheinlich wichtig zu erkennen, dass abseits von der Krisen-Berichterstattung auch ein ganz normaler Alltag mit ganz normalen Menschen in Israel stattfindet.“
Bei einem Zwischenstopp auf dem Weg nach Tel Aviv-Jaffa stand die Journalistin Lydia Aisenberg bereit, um die Gruppe durch „Givat Haviva“ zu führen, ein Seminarzentrum, das sich dem Friedensprozess zwischen Israel und Palästina widmet. Im persönlichen Gespräch mit der gebürtigen Britin lernten die Reisenden viel über die Gründung des Staates Israel im Jahr 1948 sowie die religiösen, kulturellen und politischen Konflikte der Region.

"Das kann kein Geschichtslehrer vermitteln"

Die letzten vier Tage verbrachte die Gruppe um Georg Liebich-Eisele in Tel Aviv-Jaffa, wo sie unter anderem die berühmte Petruskirche, den Rothschildboulevard und die Independance Hall besuchte. Ihren letzten - und nach Ansicht Liebich-Eiseles bewegendsten - Tag verlebten die Gladbeckerinnen und Gladbecker in Holon, wo sie einer Einladung eines jüdischen Kulturzentrums folgten. Nicht weniger als 15 Zeitzeugen und -zeuginnen standen den Reisenden hier als Gesprächstpartner zur Verfügung. Die wohl bekannteste von ihnen, Batsheva Dagan, überlebte drei Konzentrationslager. „Fragen stellen, ihr müsst Fragen stellen“, habe sie die Jugendlichen ermutigt, so berichtet Liebich-Eisele sichtlich berührt. „Das, was wir an diesem Tag in Holon lernen konnten, kann kein Geschichtslehrer und kein Buch vermitteln. Neben den Älteren haben uns auch die jüngeren Generationen in Holon aufs Herzlichste empfangen. Gedichte, Lieder, szenische Darbietungen - es lag diesen Menschen so sehr am Herzen, ihre Geschichten an die nächste Generation weiterzugeben.“

Ihre Erfahrungen werden die Reisenden in den kommenden Wochen dokumentieren und aufarbeiten. Auch nach der Reise, so berichtet Liebich-Eisele, gebe es Treffen der Gruppe. „Das Thema scheint noch nicht abgeschlossen, das freut mich sehr.“ Auch für das nächste Jahr plant der hauptberufliche AWO-Mitarbeiter drei Gedenkstättenfahrten, davon zwei für junge Menschen, die vom Landesjugendamt unterstützt werden, eine für Erwachsene. Für letztere steht auch der Zeitraum bereits fest: Vom 9. bis zum 19. September wird Liebich-Eisele eine Israel-Reise mit Erwachsenen unternehmen. Interessierte können sich bereits jetzt unter Tel. 52215 mit ihm in Verbindung setzen.

Autor:

Jens Steinmann aus Herne

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