"Ich sage 'nein danke'!": Weg mit dem Betreuungsgeld?

Im August 2013 wurde das sogenannte Betreuungsgeld eingeführt. Es wird maximal bis zum dritten Lebensjahr an Eltern ausgezahlt, die ihr Kind nicht in einer KiTa betreuen lassen. Derzeit verhandelt das Bundesverfassungsgericht eine Klage des Landes Hamburg: Unter anderem verstoße das Gesetz gegen die Ungleichbehandlung von Mann und Frau, heißt es. Über das Thema sprachen wir mit der Gleichstellungsbeauftragten der Stadt Goch Monika van Heek im Rahmen unserer Samstagsfragen.

Das Betreuungsgeld ist umstritten. Was halten Sie von dieser Leistung?

Das Betreuungsgeld wird gezahlt, wenn kein Platz im Betreuungssystem mit frühkindlicher Förderung in Tageseinrichtungen oder in der Kindertagespflege gemäß Paragraph 24 Absatz 2 SGB VIII in Anspruch genommen wird. Dieses Angebot hatte für mich als Gleichstellungsbeauftragte direkt einen etwas merkwürdigen Beigeschmack. Verstehen Sie mich nicht falsch, es ist absolut in Ordnung, wenn Eltern ihr Kind selber zu Hause, von Familienmitgliedern oder sonstigen Personen betreuen lassen möchten. Das muss und sollte toleriert werden und in der absoluten Entscheidungsfreiheit der Eltern liegen, aber warum bitte muss das aus den staatlichen Töpfen bezahlt werden? Die Entscheidung, ob ich ein Kind bekomme oder nicht, treffe ich bestenfalls selber. Die Verantwortung dafür übernehme ich als Elternteil. Das Betreuungsgeld bessert geringfügig die Haushaltskasse auf, aber ist das der gewünschte Effekt? Es belohnt die private freiwillige Entscheidung das Kind zu Hause zu betreuen und das Kind von Einrichtungen mit frühkindlicher Förderung fern zu halten. Der Verzicht wird bezahlt. Es steht in keinen Zusammenhang mit einer Berufstätigkeit.
Der Umkehrschluss daraus, die Eltern, die das Betreuungssystem in Anspruch nehmen (müssen oder wollen), haben zwar einen gesetzlichen Anspruch auf einen Betreuungsplatz, aber auch den damit verbundenen Aufwand (zeitliche Vorgaben, Einschränkungen).

Eine Berufstätigkeit mit einem oder mehreren zu betreuenden Kindern ist auch heute noch kein Honig schlecken. Ich kenne eine Vielzahl berufstätiger Eltern, die minutiös ihren Tagesablauf planen. Diese Eltern gehen leer aus. Obwohl sich viel getan hat in den letzten Jahren, gute Unterstützungsleistungen für Eltern wie das Elterngeld oder der gesetzliche Anspruch auf einen Betreuungsplatz geschaffen wurden, ist das Betreuungsgeld in meinen Augen eher negativ besetzt - ein Rückschritt. Ich sage zum Betreuungsgeld nein danke! Darauf können wir verzichten.

95 Prozent der Bezieher von Betreuungsgeld sind Frauen. Gegner sprechen bei der Leistung diffamierend von der „Herdprämie“. Mütter würden von einer Rückkehr ins Arbeitsleben abgehalten. Was sagen Sie dazu? Verstößt das Betreuungsgeld gegen die Gleichbehandlung von Mann und Frau?

Das Gesetz verstößt meiner Meinung nach nicht gegen die Gleichbehandlung von Mann und Frau, da ja laut Gesetzesvorgabe auch ein Vater das Betreuungsgeld in Anspruch nehmen kann. Es fördert allerdings unterschwellig das immer noch bestehende klassische „Rollendenken“, was in meinen Augen kontraproduktiv und wenig zeitgemäß ist.

Falls da Gesetz zum Betreuungsgeld gekippt würde, in welche Bereiche sollte das Geld dann fließen?

Das Betreuungsgeld wird nicht so stark in Anspruch genommen, wie es ursprünglich prognostiziert wurde. Die ersparten Gelder könnten an vielen Stellen sinnvoll eingesetzt werden und zum Beispiel in weitere Maßnahmen der Vereinbarkeit von Familie und Beruf fließen, wie die bessere Abdeckung der Randzeiten in Kinderbetreuungseinrichtungen (z. B. bei Schichtdiensten, eventuell mit Übernachtungsmöglichkeiten). Es könnten weitere flexible Arbeitszeitmodelle ermöglicht werden, zum Beispiel Kombinationsangebote mit Telearbeitsplätzen, die vom Staat subventioniert werden könnten, um hier auch die Arbeitgeber zu entlasten. Wir brauchen gutes qualifiziertes Personal in den Betreuungseinrichtungen (die auch entsprechende Gehälter erhalten - sh. Equal Pay Day), denen die Möglichkeit der Weiter- und Fortbildung finanziert wird. Wir brauchen zusätzliches Lehrpersonal an den Schulen, um Unterrichtsausfall zu vermeiden.

Unterstützungsleistungen in Form von Steuererleichterungen könnten Eltern entlasten, die sich den Betreuungsaufwand zeitlich teilen (jedes Elternteil mit einer befristeten Berufstätigkeit von circa 30/32 Stunden). Das ist mein absolutes Lieblingsmodell einer modernen Familie. Im Zusammenspiel mit den Betreuungsangeboten ergibt sich daraus eine hohe Lebensqualität mit ausreichend Zeit für Familien mit Kindern. Eine optimal ausgewogene Beziehung von beiden Elternteilen zu den Kindern wird geschaffen sowie eine gerechte Verteilung der Verantwortung für Familie und Beruf. Die Rückkehr zur Vollzeitarbeitsstelle muss jedoch gewährleistet sein.

Frage: Diskutiert mit! Welche Meinung habt ihr zum Betreuungsgeld?

Autor:

Marjana Križnik aus Düsseldorf

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