"Von Frauen wird erwartet, dass sie Angehörige pflegen": Frauentag noch aktuell? Ein Interview

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Es gibt keine Puppen-Vatis. Kloputzen gilt in zu vielen Haushalten immer noch als "Kernkompetenz" der "Hausfrau". Und es sind immer noch Frauen, die in Küchenschürzen von Werbeprospekten für Küchenbedarf grienen. Von nicht vorhandener Lohngleichstellung gar nicht erst zu reden. Und, Hand auf's Herz: Wie viele Arzthelfer kennen Sie? Oder aber Männer, die in einer Teilzeit-Beschäftigung im Niedriglohn-Sektor der drohenden Altersarmut entgegen blicken? Der Weltfrauentag wird am 8. März zum 104. Mal begangen. Er entstand im Kampf um Gleichberechtigung und Wahlrecht. Ab in die Mottenkiste damit oder noch aktuell? Darüber sprachen wir mit Hildegard Wolff, Mitarbeiterin der Gocher Frauenberatungsstelle Impuls im Rahmen unserer Samstagsfragen.

Frau Wolff, brauchen wir noch einen Weltfrauentag?

„Ja, das denke ich schon. Denn es gibt immer noch keine völlige Gleichberechtigung, und daher muss dies immer wieder öffentlich gemacht werden. Es wird zwar vom Rechtlichen her versucht, Gleichberechtigung umzusetzen, aber die Rechtsprechung entspricht dem Gleichheitsgedanken meiner Meinung nicht. Bei sexuellen Übergriffen etwa erfolgt die Rechtsprechung häufig zu ungunsten von Frauen. Oder aber die immer noch bestehenden Ungleichheiten beim Verdienst, die nicht zuletzt zu einer Altersarmut von Frauen führen kann.

Frauen sind heutzutage nicht mehr in dem Maße alten Rollemustern verhaftet. Es gibt Möglichkeiten für eine Vereinbarkeit von Familie und beruflicher Verwirklichung.

Von jungen Frauen wird heutzutage erwartet, dass sie Beruf, Familie mit Kindern und die Paarbeziehung „hinbekommen“. Wenn es nicht klappt, wird gesagt, dass es an ihnen läge. Heutzutage wird signalisiert: Es gibt doch Gleichberechtigung. Warum kriegst du das denn nicht hin? Wir sind früher als Frauen auf die Straße gegangen, um für unsere Rechte zu kämpfen. Damals konnten WIR sagen, dass es an den Umständen gelegen habe.

Woran hakt es noch immer in Sachen Gleichberechtigung von Mann und Frau?

Von Frauen wird beispielsweise auch immer noch erwartet, dass diese ihre Eltern oder andere Angehörige pflegen. Dieser Automatismus besteht immer noch. Frauen nehmen diese Rolle ein, ordnen ihre eigenen Bedürfnisse unter und kommen dabei nicht selten an ihre eigenen Grenzen.

Die Frauen-Beratungs stelle Impuls berät seit 15 Jahren Frauen, die sich in Trennung und Scheidung befinden, Opfer häuslicher, sexualisierter oder digitaler Gewalt oder Stalking geworden sind. Wo ist der Beratungsbedarf am größten?

„Der Anteil der Rat suchenden Frauen, die Gewalt erfahren, hat zugenommen. Denn seitdem 2002 das Gewaltschutzgesetz in Kraft getreten ist, ist die häusliche Gewalt nicht mehr länger privat. Die von häuslicher Gewalt betroffenen Frauen rufen viel die Polizei.

Sie selbst sind sogenannte Warnsignale-Trainerin. Was versteht man darunter?

Diese Qualifikation befähigt mich, im Beratungsgespräch mit Frauen mögliche Warnisgnale für häusliche Gewalt zu erkennen.

Welche können dies sein?

Bestimme Verhaltensmuster können darauf hinweisen, dass ein Partner dominant ist und der andere sich unterordnet. Ein Warnsignal kann etwa sein, wenn ein Partner dem anderen alle Schuld zuschiebt und sein eigenes Fehlverhalten herunterspielt. Das kann Gefahr bedeuten.

Wo ist der Beratungsbedarf am größten?

Bei einem Drittel der Frauen, die zu uns kommen, steht eine Trennungs- oder Scheidungsproblematik im Vordergrund. Zugenommen hat die Zahl der Frauen, die sich nach 20 oder mehr Jahren in Trennung/Scheidung befinden.

Was können mögliche Gründe hierfür sein?

Viele dieser Frauen sind den traditionellen Weg gegangen, haben dem Mann „den Rücken frei gehalten“. Wenn die Kinder, als ein Stück Gemeinsamkeit, aus dem Haus sind, stellt man fest, dass das Miteinanander nicht mehr klappt, man sich in verschiedene Richtungen entwickelt hat.

Wie kann man „vorbeugen“?

Sich Zeit füreinander nehmen, Gespräche suchen und zu schauen „Wie geht es dem anderen?“. Sich Nischen vom Alltag suchen, um mit dem Partner in Kontakt zu bleiben

Sind Trennung/Scheidung heutzutage „problemloser“, da gesellschaftlich tolerierter?

Sich zu trennen, ist einfacher geworden, denn niemand zeigt mehr mit dem Finger auf die Betroffenen. Aber das damit einhergeehnde Prozedere ist schwieriger geworden. Früher war der Mann gegenüber der Frau unterhaltspflichtig, nun wird vorausgesetzt, dass sich die Frau nach einer Scheidung auf eigene Beine stellt. Das ganze Prozedere, der finanzielle Druck und vor allem, als Mutter arbeiten zu gehen, kann eine große Belastung für die betroffenen Frauen sein. Wir begleiten und beraten Frauen auch in dieser schwierigen Lebenssituation.

HIldegard Wolff, Diplom-Sozialwissenschaftlerin         Foto: Geib
Autor:

Marjana Križnik aus Düsseldorf

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