Voller Durchblick ...

... Sie haben Ihr Ziel (fast) erreicht ...

... von oben

Der liebe Gott sieht alles! Wie oft habe ich diesen Satz in meiner Kindheit hören müssen. Irgendetwas hatte ich ja immer ausgefressen. Vorab am Kuchen gepopelt, vor Ostern aus der „Fastendose“ Bonbons gemopst, im Garten Möhren ausgezogen und aufgeknabbert oder Mitbewohner durch rhythmisches Trommeln mit einer Schuhbürste auf einen Stuhl mit Sperrholzsitz genervt. Percussion würde man heute sagen. Auch mussten im Bett beide Hände über der Bettdecke liegen – und liegen bleiben. Ja, die Erziehung war streng in diesen Zeiten. Und der Druck hoch – auch unter der Bettdecke.

Mein Freund und ich haben uns mal „Zigaretten“ gedreht. Dazu wickelten wir trockene Lindenblüten in Zeitungspapier. Das schmeckte zum blau anlaufen – aber wir fühlten uns wie echte Cowboys. Bis mein Onkel uns von der Straße aus sah. Tja, er war wie Gott – nur schlimmer. Er sah alles. Wir hielten unsere qualmenden Glimmstängel längst hinter dem Rücken. Aber der hinterrücks aufsteigende Qualm entging meinem strengen Onkel nicht. Als ich später nichts Böses ahnend nach Hause kam, hielt er mir eine Standpauke, die sich gewaschen hatte. Ich würde sagen: Altes Testament oder so.

So richtig glauben konnte ich es aber damals schon nicht, dass der liebe Gott alles sehen könne. Wieso musste ich dann zur Beichte, wenn er doch alles schon gesehen hatte? Sehr merkwürdig. Oft habe ich ihn ausgetrickst, habe „leichte“ Sünden gebeichtet und „schwere“ unterschlagen. Bis heute weiß ich nicht, ob er es gemerkt hat.

Bei Google ist das ganz anders. Dieser moderne Gott sieht nicht nur alles, er merkt es sich auch. Und zwar für immer und ewig. Er kennt all Deine Wege, ist immer bei und über Dir. Wenn Du nicht mehr weiter weißt, spricht er zu Dir – mit einer Frauenstimme.
Google weiß, wie und wo Du Deine Einkäufe machst. Welche und wie viele Freunde Du hast, was oder wo Du etwas liest. Ob Du überhaupt etwas liest. Ob Du ein kleines Gartenhäuschen im Garten zimmerst. Google sieht es – sieht einfach alles. Und stellt es ungefragt ins Netz. Ist das Häuschen ein paar Zentimeter zu groß geraten, bekommst Du Post vom Bau- oder Katasteramt. Na klar, Beamte schauen auch ins Internet – sogar während der Arbeitszeit.

Endlich ist es so weit. Jeder kann selber zum alles sehenden Gott werden. Einfach mal über den Zaun schauen, ob die neue Nachbarin wieder mal „oben ohne“ in der Sonne brutzelt. Oder was die Müllers im fünften Stock zu Mittag essen – oder sonst so treiben.
Drohnen lösen den lieben Gott und Google ab. Sogar beichten wird überflüssig. Wir werden gläsern – durchsichtiger geht nicht …

Cartoon und Text: G. Lambert / 2016

Autor:

Gottfried (Mac) Lambert aus Goch

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