Vor 75 Jahren: In den letzten Stunden starben 126 Menschen in Hagen und Hohenlimburg
Endlich ist im Ruhrgebiet das Kriegsende da

In der Hagener  Innenstadt war Anfang April 1945 kein Haus mehr intakt. Unser Foto zeigt im Hintergrund die Marienkirche.[spreizung]#?[/spreizung] Foto: Sammlung Eckhoff/Rüffer
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  • In der Hagener Innenstadt war Anfang April 1945 kein Haus mehr intakt. Unser Foto zeigt im Hintergrund die Marienkirche.[spreizung]#?[/spreizung] Foto: Sammlung Eckhoff/Rüffer
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Rund 8000 Soldaten aus Hagen kamen zwischen 1939 und 1945 ums Leben, außerdem Tausende von Zivilisten – dies alles infolge eines von den Nazis befohlenen Krieges, der seinen Anfang am 1. September 1939 mit der Bombardierung der polnischen Kleinstadt Wielun genommen hatte. Wir blicken auf das Kriegsende an Volme und Ruhr vor 75 Jahren im April 1945 zurück.

Von Michael Eckhoff

Mit den Worten „An die Zivilbevölkerung des Ruhrgebiets!“ ist ein circa DIN-A-5 großes Flugblatt überschrieben, das vor gut 75 Jahren an der Ruhr die Runde machte. Über 100.000 Exemplare wurden damals allein über Hagen abgeworfen. Unterschrieben wurde es am 17. März vom Oberbefehlshaber der alliierten Streitkräfte, General Dwight D. Eisenhower. Im Text heißt es auf der Vorderseite: „Ihr wohnt in dem wichtigsten Industriegebiet Deutschlands. Jahrelang haben Eure Hochöfen, Werke und Werkstätten die Waffen für die Eroberungskriege geschmiedet. Heute aber bewirken diese Betriebe lediglich eine Verzögerung des endgültigen militärischen Zusammenbruchs. Um eine Verlängerung des bereits verlorenen Krieges zu verhindern, wird daher die gesamte Kriegsindustrie des Ruhrgebiets einem erbarmungslosen Bombardement ausgesetzt werden. Die Alliierten sind aber entschlossen, nicht das deutsche Volk, sondern nur die deutsche Kriegsmaschine zu vernichten.“
General Eisenhower erließ mit diesem Flugblatt folgende Bekanntmachung: „Alle Stadtkreise des Ruhrgebiets gelten von nun an als Kampfzone. Alle Einwohner werden hiermit aufgefordert, sich und ihre Familien sofort in eine sichere Gegend außerhalb des Ruhrgebiets zu begeben. Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass von nun an weder Bunker noch Unterstände Sicherheit gewähren können.“

Handelt sofort!

Oberbefehlshaber Eisenhower mahnt am Ende des Flugblatts: „Einwohner des Ruhrgebiets! Euer Leben hängt von der sofortigen Ausführung der obigen Anweisungen ab. Handelt sofort! Heraus aus der Ruhr! Heraus aus dem Krieg!“
Die Flucht aus dem Hagener Talkessel war jedoch schier unmöglich. Das lag insbesondere am „Terror der NS-Führungen, der sich“, so beschreibt es Hagens Stadtarchivleiter Dr. Ralf Blank, „in den letzten Kriegswochen und -tagen vermehrt gegen die eigene Bevölkerung richtete.“ Schließlich galt der Befehl der nationalsozialistischen Führung auch für den Ruhrpott, „die Gebiete bis zum Letzten zu verteidigen“. Heinrich Himmler, der Reichsführer der SS, hatte bereits am 3. April 1943 verfügt: „Aus einem Haus, aus dem eine weiße Fahne erscheint, sind alle männlichen Personen zu erschießen.“ Der alliierte Generalstab hat deshalb recht bald – Anfang April – noch ein weiteres warnendes Flugblatt an die „Zivilbevölkerung des eingekesselten Ruhrgebiets“ verbreitet, in dem es unter anderem heißt: „Kommt Ihr mit deutschen Soldaten in Berührung, dann fordert sie dazu auf, den Kampf einzustellen. Erklärt Ihnen, dass jeder weitere Widerstand ein Verbrechen darstellt.“ Und weiter: „Vermeidet, dass Ihr zum Volkssturm eingezogen werdet.“ Dennoch wurden beispielsweise noch in Hohenlimburg einige Panzersperren im Auftrag der Stadtverwaltung ausgebaut.

Ruhrgebiet eingekesselt

Ab dem 25. März hatten die Amerikaner begonnen, das Ruhrgebiet zu umschließen. Diese Umschließung wurde am 1. April 1945 in Lippstadt erfolgreich vollzogen. Das seinerzeit noch von schätzungsweise vier Millionen Menschen bewohnte Ruhrgebiet, über das ein fanatischer Nazi, der aus Sachsen stammende Generalfeldmarschall Walter Model, die Befehlsgewalt hatte, war nun eingekesselt. Über 300.000 deutsche Soldaten und Volkssturmleute sollten den Kessel verteidigen, was natürlich aussichtslos war.
Gauleiter Hoffmann begab sich dennoch am 11. April ins Rummenohler Hotel Dresel, um hier eine Notbefehlsstelle in Betrieb zu nehmen. Und Hagens NS-Kreisleiter Klein hatte währenddessen verkündet, dass die Volmestadt „bis zum letzten verteidigt“ werden müsse.
Zu guter Letzt verlief dann doch alles verhältnismäßig schnell. Die mit zahlreichen Sherman-Panzern erheblich verstärkte 86. US-Infanterie-Division drang von Süden durch das Volmetal vor, von Norden her nahm die 75. Infanterie-Division das Ruhrtal mit Herdecke in den Fokus und von Osten und Westen marschierten weitere alliierte Verbände auf den Hagener Talkessel zu.

Vom Hausmeister begrüßt

Zwar gab es noch Versuche des deutschen Militärs, den US-Vorstoß aufzuhalten, etwa in Eilpe und Oberhagen, aber selbstverständlich vergebens. Der in Hagen seit dem 12. April als Kommandant fungierende Oberstleutnant Hartmann erkannte die absolute Aussichtslosigkeit und ließ sich nicht einmal von Oberbürgermeister Vetter dazu drängen, die Situation in den folgenden Stunden zu verschlimmern. Sprich: Es kam in der Hagener Innenstadt nicht mehr zu irgendwelchen Straßenkämpfen oder ähnlichen Handlungen, so wie sie anfänglich von den Amerikanern befürchtet worden waren.
Die über die Frankfurter Straße einziehenden US-Truppen erreichten das Rathaus dann am Sonntag, 15. April 1945, wo sie vom Hausmeister begrüßt wurden. Alle Parteiführer hingegen waren untergetaucht, Hagens OB Vetter war nach Halver geflohen.
Einige wenige Kampfhandlungen zogen sich in Hagen bis zum 18. April hin, im Ruhrgebiet sogar bis zum 21. April. Nun schwiegen auch an der Ruhr endlich alle Waffen. Die letzten Kriegsstunden in Hagen und Hohenlimburg hatten immerhin noch einmal 126 Menschenleben gekostet. Und was passierte mit Generalfeldmarschall Model? Der tötete sich selbst am 21. April in einem Wald nahe Duisburg-Wedau. In der Hagener Innenstadt war Anfang April 1945 kein Haus mehr intakt. Unser Foto zeigt im Hintergrund die Marienkirche. Foto: Sammlung Eckhoff/Rüffer In den letzten Kriegswochen wurden auch Halbwüchsige wie diese Hohenlimburger Gymnasiasten eingezogen. Foto: Stadtarchiv Hagen

In der Hagener  Innenstadt war Anfang April 1945 kein Haus mehr intakt. Unser Foto zeigt im Hintergrund die Marienkirche.[spreizung]#?[/spreizung] Foto: Sammlung Eckhoff/Rüffer
In den letzten Kriegswochen wurden auch Halbwüchsige wie diese Hohenlimburger Gymnasiasten eingezogen. [spreizung]#?[/spreizung]Foto: Stadtarchiv Hagen
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