Tim Husung: Ein sensibles Trommel-Tier

Tim Husung in Aktion. | Foto: Tom Row
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Der Traum einer Schwiegermutter sieht definitiv anders aus. Der Hagener Drummer Tim Husung hat sich für ein Gespräch in der Redaktion angekündigt. Und wie er da so vor mir sitzt in seinen dunklen Klamotten, mit der langen schwarzen Lockenpracht und dem Hut, dem Vollbart, der in überdimensionierten Koteletten übergeht, den Totenkopf-Ringen an den Fingern und nicht zuletzt den sichtbaren Tattoos auf den Händen und Unterarmen bedient er wirklich jedes nur erdenktlich Klischee eines Rockmusikers. Und gleich zu Beginn sagt Tim Husung einen Satz, der so überhaupt nicht dazu passt: „Eine Ex-Freundin sagte, ich wäre zu sensibel für einen Mann.“ Na, dass kann ja ein interessantes Interview werden. Es wurde es.

Gerade hat Tim Husung einige Wochen in den Staaten verbracht. Mit seiner Band „Beasto Blanco“ war er durch die Lande gezogen und hatte kurz zuvor seinen 34. Geburtstag gefeiert. Im Restaurant der Rock-Legende Alice Cooper in Phoenix, Arizona. Der Musiker hat jedoch nicht bei Alice Cooper gefeiert, sondern mit ihm. In dem riesigen Restaurant mit Freiluftbühne spielte Tim Husung mit seiner Band, deren Leader Cooper-Bassist Chuc Garric ist, einige Stücke und traditionell beendeten sie ihr Konzert mit „School‘s Out“, dem wohl bekanntesten Song von Alice. Und der ließ es sich nicht nehmen, persönlich auf die Bühne zu kommen und mitzusingen. Ohne Zweifel, man nimmt dies Tim Husung ab - ohne ihn jemals in Aktion gesehen zu haben. Vom Aussehen alleine passt er perfekt in eine Combo, die von jemanden angeführt wird, der in seinen Hochzeiten das Kunstblut auf der Bühne nur so spritzen ließ. Tim Husung nimmt gelassen einen Schluck aus seiner Kaffeetasse, die mit Gänsemotiven bedruckt ist. Was für ein Bild.
Husung erzählt von seinen Erlebnissen in den Staaten, als sei es das Normalste auf der Welt. Für ihn ist es das geworden. Er fing auf kleinen Bühnen an und entwickelte sich ständig weiter. Die Bühnen wurden größer, die Bands und die Musik anspruchsvoller. Und irgendwann reichte ihm auch Europa nicht mehr und er ging nach Amerika.
Tim Husung lässt in diesem zweistündigen Gepräch sein Leben Revue passieren. Er ist erst 34 und hat schon so viel zu erzählen. Er hat sich den Erfolg erarbeitet, hatte natürlich auch Glück, immer die richtigen Leute gekannt zu haben. Ein Grund für seinen Erfolg war sicherlich, dass er immer mit beiden Beinen auf dem Boden geblieben ist, nie abhob und immer an sein Können glaubte. Aber das ist nicht alles: Tim Husung hat Pläne und Visionen, die er nicht nur träumt, sondern auch umsetzt.

"Ich war ein richtiger Moralapostel"

Dabei fing seine Musik-laufbahn so beschaulich in Hohenlimburg an und wäre auch schon genau so schnell wieder beendet gewesen. Mit Zwölf begann er mit dem Segen der Eltern Schlagzeug zu spielen. Bei Peter Assmann an der Max Reger-Musikschule bekam er seine ersten Stunden. „Peter war echt prägend“, sagt Tim Husung heute. War es doch auch, der ihn an seine erste Band „Noise No Pain“ vermittelte. Tim: „Eine aufregende Zeit, jedoch war der Altersunterschied zu den Bandkollegen zu groß.“ Tim Husung hatte Talent, ihm machte die Musik Spaß und doch entschloss er sich mit 16 sein Schlagzeug zu verkaufen und sich von dem Geld eine 125er zu kaufen. „Sachen, die man liebt, kann man auch hassen“, nennt Tim den Grund für sein damaliges Tun. Sein Vater konnte das noch in letzter Sekunde verhindern. Und dennoch rührte Tim Husung in den kommenden Jahren kein Schlagzeug an. Er konzentrierte sich auf den Sport, machte Bodybuilding und Kickboxen. Alkohol und Zigaretten waren Tabu. „Ich war ein richtiger Moralapostel“, sagt er heute, „meine Freunde fanden das gut, denn ich durfte sie immer zu den Partys fahren.“ Der Drummer muss über sich selbst lachen. Ein sympathisches Lachen, denn Tim denkt oft und gerne an diese Zeiten zurück.
Ein Lehrer an seiner Realschule war es schließlich, der ihn zur Musik zurückbrachte. „Er fragte mich eines Tages, ob ich nicht Lust hätte, in einer Band auf dem Abschlussball einer zehnten Klasse zu spielen?“ Tim überlegte kurz, nahm die Sticks in die Hand und „es hat sofort wieder gebrizzelt“. Die Leute fanden ihre Musik gut und so tingelte die Band „Eiszeit“ übers Land. Die Freundschaft zu den Bandkollegen Dennis Renford, Malte Böllert, Sebastian Grümmel und René Seelenbinder sowie den Rowdies Sebastian Knocke, Daniel Schellenwald und Gordon Risse ist bis heute erhalten geblieben. Die Coverband hatte zahlreiche Auftritte, aber nur mäßigen Erfolg. Die Karriere von Tim Husung war trotzdem nicht mehr zu stoppen.

"Mein Leben basiert auf Vitamin B und Empfehlungen"

Mit seinem Engagement bei der „Firma Angst & Bange“ ging es erstmals auf ganz große Bühnen. „Mit 19 Jahren, ich war gerade mal ein halbes Jahr in der Band, spielte ich bei Rock am Ring“, so Husung. Durch sein Können hat der Hohenlimburger immer wieder auf sich aufmerksam gemacht und fand zahlreiche Fürsprecher. „Mein Leben basiert auf Vitamin B und Empfehlungen“, sagt er heute. Schnell wurde auch Doro Pesch, die Queen of Metal, auf ihn aufmerksam und der Junge aus der Provinz eroberte die Bühnen für verschiedene TV-Formate wie „Top of the Pops“, „The Dome“ und der „RTL Chartshow“. Gerne erinnert er sich auch noch an einen Aufritt mit Doro während des Pro7-Promi-Boxens. Sie spielten in der mit fast 20.000 Zuschauern ausverkauften Kölnarena die Einlaufhymne „All we are“ für Regina Halmich, die an diesem Abend erneut gegen Moderator Stefan Raab antrat und wieder gewann.
Der Hohenlimburger spielte danach in zahlreichen Formationen und lernte dabei so einige bekannte Musikgrößen kennen. „Ich habe dabei viel Erfahrung gesammelt. Man muss als Musiker durch eine bestimmte Lehre gehen“, sagt Husung und bedauert, dass dies bei der heutigen Casting-Generation nicht mehr vorhanden ist. Sowohl die positiven als auch negativen Erfahrungen hätten seine Persönlichkeit gebildet. „Leidenschaft, aber auch schmerzhafte Momente können erfüllend sein. Man muss nur an was glauben.“

Mit Beasto Blanco auf USA-Tour

Doch Tim Husung kann nicht nur Rock oder Metal: Das beweist sein Engagement als Drummer bei der New Yorker Gospel-Formation „Ministry of song“, einem Projekt erstklassiger Musiker, die aus verschiedenen Projekten zusammen fanden. „Soul, Gospel, Jazz - alles komplett anders. Das hat mir als Musiker gut getan“, sagt Tim Husung heute.
Erneut über Empfehlungen fand Tim Husung den Weg in die Band „Beasto Blanco“. Die Gründung fand 2012 in Kalifornien statt. Chuck Garric , der seit 2002 Bass für Alice Cooper spielt rief eine energiegeladene und dynamische Band ins Leben. Im Mai 2013 gingen die Formation erstmals auf Tour und Tim Husung hatte die Ehre zusammen mit dem Ex-Kiss Gitarristen Bruce Kulick und dem ehemaligen Motley Crue-Sänger John Corabi auf Europatour zu gehen. Das Engagement hält bis heute an, was die USA-Tour zu Beginn des Jahres zeigt.
Doch damit nicht genug, sitzt Tim Husung auch noch in der Rock‘n‘Roll-Formation John Diva & the Rockets of Love an den Drums. Ende Juli wird er mit seinen Kollegen zum zweiten Mal in Wacken auftreten und am 13. November auch in seiner Heimat, in der Hagener Stadthalle.

"School of Rock" sein Wissen weitergeben

Husung zieht es immer mehr in Richtung Heimat. „Ich finde es genial, mit meinen Freunden abends in der Kneipe zu stehen, ein Bier zu trinken und über alte Zeiten zu reden.“ Das bringe ihm genau so viel wie ein großer Auftritt. In Hagen hat er auch seine „School of Rock“ gegründet und bietet Schlagzeug- und Cajon-Unterricht an. Termine sind noch zu haben. In seinem Düsseldorfer Studio entsteht gerade auch sein erstes eigenes Album. Quasi in personalunion, denn Husung spielt alles selber ein. Das Multitalent hat sich mit Hilfe von Freddy Roediger selber Bass und Gitarre beigebracht und kennt sich ebenfalls in Aufnahmetechnik aus. Und singen kann der 34-Jährige natürlich auch noch. „Ich habe soviel Input gespeichert, das möchte ich jetzt alles in mein erstes Album einbringen“, so der Drummer. Die Stilrichtung? „Eine Mischung aus Retro-Rock, bluesig angehaucht bis hin zu Acoustic-Nummern.“ Im Herbst soll der Silberlinge, der bislang noch keinen Namen hat, erhältlich sein.
„Auf Fernsehen kann ich verzichten, aber man darf mir nicht meine Büchersammlung wegnehmen“, meint Tim Husung während des Interviews. Und man glaubt es dem musikalischen Multitalent ohne weiteres. Und eher zurückhaltend äußert er sich, wenn es um die Frage nach der richtigen Frau in seinem Leben geht. Der 34-Jährige ist solo und noch auf der Suche. Ein Tipp meinerseits: Die holde Weiblichkeit sollte sich nicht von der rauhen Schale des Hohenlimburgers abschrecken lassen. In ihm schlummert ein weicher und sehr interessanter Kern. Vielleicht ist er sogar wirklich ein wenig zu sensibel für einen Mann.
Am Ende des Interviews bedanke ich mit für ein sehr interessantes Gespräch und denke bei mir: Diesem Typen würde ich auch meine Tochter anvertrauen. Schade, dass sie erst 16 Jahre alt ist.

Autor:

Stephan Faber aus Iserlohn

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