Ein Stück Halterner Zeitgeschichte
Die Anfänge des demokratischen Wiederaufbaus
Haltern. Ratsprotokolle sind ein Stück Zeitgeschichte. Aus ihnen lässt sich erkennen, was die Menschen damals bewegte. Stadtarchivar Gregor Husmann hat sich den Schriftstücken aus den Nachkriegsjahren 1945 bis 1946 angenommen. Genau 75 Jahre ist es her, dass in Haltern am See wieder ein demokratisch gewählter Stadtrat aktiv wurde.
„Die Stadt Haltern nach der NS-Gewaltherrschaft“ lautet der Titel der Publikation, die zu diesem Jubiläum entstanden ist. 13 Jahre lang dauerte es bis zur ersten demokratischen Kommunalwahl nach der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft. Der Betrachtungszeitraum der Publikation geht bis zu diesem wichtigen Ereignis im September 1946. Auf 122 Seiten schildert Husmann die Nachkriegssorgen der Menschen, die sich aus den Protokollen erkennen lassen. Damit einher gehen Schritte, die zur Krisenbewältigung diskutiert wurden. „Die Auseinandersetzung mit diesem Kapitel der Stadtgeschichte stellt zugleich eine Vergegenwärtigung der Grundlagen der demokratischen Stadtgesellschaft unserer Stadt dar“, schildert der Stadtarchivar seine Beweggründe für die Themenauswahl: „Aus den Ratsprotokollen werden die Probleme dieser Zeit klar erkennbar. Darin enthalten sind teilweise flammende Appelle zum Zusammenhalt der städtischen Gesellschaft.“
Druck auf Bürgermeister Oswald
Nach der Befreiung des Raumes Haltern durch die Alliierten wurden von der Militärregierung neue, unbelastete Amtsträger eingesetzt. Zunächst war es Verwaltungs-Stadtoberinspektor Heinrich Keysberg, der die provisorische Leitung der Stadt übernahm. Die Suche nach einem Bürgermeister gestaltete sich in den chaotischen Zuständen einer zusammengebrochen Stadtgesellschaft nicht einfach. Sie wurde überschattet von der Diskussion darüber, wie mit den Displaced Persons verfahren werden sollte. Schließlich fiel die Wahl auf den gelernten Kaufmann Karl Oswald, der aus dem linken politischen Spektrum kam. Eine der ersten Maßnahmen des damals 44-Jährigen war die Einrichtung und Aufstellung einer Hilfspolizei. „Der Druck auf Bürgermeister Oswald war sehr groß von allen Seiten. Die Amtsträger standen unter den wachsamen Augen der alliierten, städtischen Militärregierung. Es waren schließlich noch etliche Nationalsozialisten in der Stadt“, schildert Husmann seine Erkenntnisse.
Das waren die Probleme der Nachkriegszeit
Der Sachstandsbericht von Bürgermeister Oswald in der ersten Beiratssitzung am 9. Juli 1945 sei laut dem Historiker die wohl wichtigste, authentische Quelle für die damalige Situation aus Perspektive der Verwaltung. Oswald berichtet darin von Plünderungen von wertvollem Saatgut, Trümmerbeseitigung und der Sicherstellung der öffentlichen Ordnung. Probleme, wie die Versorgung mit Lebensmitteln und Baumaterialen sowie akute Wohnungsnot ziehen sich wie ein roter Faden durch die behandelten Protokolle.
Auch die Situation mit dem Wasser schlug hohe Wellen in der Politik. Gerüchte über Verschmutzung und Seuchengefahr machten die Runde und sorgten für heikle Situationen und Alarmbereitschaft. Die Diskussion um das Lager der Displaced Persons, für die ein ganzes Stadtviertel geräumt wurde, zieht sich bis ins Jahr 1948, in dem es dann aufgelöst werden konnte. Eine Vergangenheitsbewältigung tauche laut Husmann dagegen in den direkten Nachkriegsjahren noch nicht auf: „Es ging erst einmal darum, den Alltag zu meistern.“ Auch in seiner nächsten Publikation möchte sich der Stadtarchivar wegen solchen, spannenden Anknüpfungspunkten weiter mit den Nachkriegsjahren auseinandersetzen und sich dieses Mal den Ratsprotokollen der Jahre 1947 bis 1949 widmen.
Jetzt in der Stadtagentur erhältlich
Wer nun zunächst mehr darüber erfahren möchte, was vor 75 Jahren in der Seestadt vor sich ging, der kann „Die Stadt Haltern nach der NS-Gewaltherrschaft“ ab sofort für 3,50 Euro in der Stadtagentur erwerben.
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.