Römische Medizin: Worte, Pflanzen, Messer

Lebensretterin in der Knüpfärmeltunika: Wenn Sabina Medica aus ihrem Ärztealltag erzählt, mischen sich bei den Zuhörern Respekt und Erschrecken.

„Erst das Wort, dann die Pflanze, zuletzt das Messer“ soll Äskulap den römischen und griechischen Ärzten gelehrt haben. Hatte der Gott der Heilkunst recht? Wie weit die antike Heilkunst schon reichte und wo ihre Grenzen lagen, konnte man am Sonntag im Römermuseum erfahren. Die Historikerin und museumspädagogische Mitarbeiterin Sabine Holländer verwandelte sich für einen Tag in die römische Ärztin Sabina Medica und entführte die Besucher in einer bewährten Mischung von Lebendiger Geschichte, Rollenspiel und historischem Unterricht in die römische Kaiserzeit.

„Ärzte sollten sich in hellen, freundlichen Farben kleiden“, erklärt Holländer alias Sabina. Eine Anweisung, die auch den modernen Gästen nicht fremd erscheint. Natürlich unterscheidet sich die römische Kleidung dann doch deutlich von der heutigen Tracht, wie man an der Historikerin klar erkennen konnte. „Die Frauen betonen ihr Becken“, betont die Expertin und rafft den weiten Stoff der Tunika an ihrer Hüfte. In römischer Zeit bedeutete Kinderreichtum auch gesellschaftliche Anerkennung, und so wurden die körperlichen Attribute einer Mutter hervorgehoben – anders als in Zeiten, wo man die Pölsterchen gerne versteckt.

Mit denen hatten die gut trainierten Legionäre weniger zu kämpfen, dafür warteten ganz andere Risiken auf die Soldaten des Imperiums. Rufen wir Äskulap in Erinnerung: „Erst das Wort“, heißt es. So konnte es nicht nur helfen, dem Kameraden seine Sorgen auszuschütten, sondern auch den Hygienebestimmungen Aufmerksamkeit zu schenken. Mit Olivenöl und einem Abzieheisen („Strigulum“) wurde die Haut gereinigt und gepflegt, und das Lager verfügte über eine durchdachte Abwasserentsorgung. So wurden manche Krankheiten schon – ganz wortwörtlich – im Keim erstickt.

Wurde doch jemand krank, erinnern wir uns an Äskulaps Grundsatz: „Dann die Pflanze“. Tatsächlich verfügten die Römer über einen großen Schatz bekannter Heilpflanzen. „Dieses Mittel ist laut Aufschrift ex radice britannica hergestellt“, liest Sabina Medica von einem Medizingefäß ab. Die „britische Wurzel“ war nichts anderes als Sauerampfer, aber der hat es in sich. „Sauerampfer ist sehr vitaminreich und hilft bei Mangelerkrankungen“, doziert die Expertin. Ein anderes Wald-und-Wiesen-Gewächs, der Spitzwegerich, mildert ein hierzulande häufiges Ärgernis, den Mückenstich. Andere Pflanzen halfen bei Verdauungsproblemen oder sorgten einfach auch nur für einen angenehmen Duft. „Plinius der Ältere beschreibt schon die Wirkung und Anwendung von über 800 Pflanzen“, erklärt Holländer und würdigt so die Arbeit des Gelehrten aus dem 1. Jahrhundert.

Helfen weder Worte noch Pflanzen, hilft nur „das Messer“. Tatsächlich konnten die Römer auch kompliziertere Operationen schon erfolgreich ausführen, jedenfalls nach den Maßstäben ihrer Zeit. Das dazu benötigte Werkzeug sorgte bei den Besuchern allerdings eher für Grusel: Die bronzenen Geräte wirkten wenig vertrauenerweckend. „Damit kann man die Wunde erweitern“, erklärt Sabine Holländer und hält ein Instrument in die Höhe, das ein wenig an eine Sichel erinnert, „und das hier ist ein Skalpell“. Die Augen der Gäste heften sich auf eine bogenförmigen Klinge, die an einem nicht sonderlich langen Griff befestigt ist. „Man kann das Skalpell auch erhitzen, um Blutgefäße beim Schnitt gleich zu versiegeln“, berichtet die Expertin. Ein anderes Instrument erinnert an eine lange Nadel. „Hiermit können auch Wasseransammlungen im Auge behandelt werden“, so die Historikerin.

Natürlich ohne Betäubung. Der Legionär hat's schwer...

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Zu diesem wichtigen Thema hakten wir noch einmal nach:
Drei Fragen an Augustus, Kaiser des Römischen Reiches

F: Erhabener Caesar, wie ist es um die medizinische Ausstattung im Lager Aliso bestellt?

A: "Was für eine Frage, Bürger! Natürlich zum Besten, schließlich ist das hier ein Lager Roms. Es verfügt über Militärärzte, ein Krankenlager und hervorragende Ausrüstung. Mit den neuesten chirurgischen Instrumenten aus Bronze können auch komplizierteste Operationen durchgeführt werden. Ein Pfeil im Bein oder ein geschwollenes Auge sind hier kein Problem mehr."

F: Also ist die Legion auf den Ernstfall gut vorbereitet?

A: "Natürlich. Aber auch im Alltag wird auf die Hygiene wird im Lager geachtet. Wir benutzen Olivenöl, um uns zu säubern, nicht diese stinkende Seife wie die Barbaren. Und uns stehen viele Heilkräuter zur Verfügung. Wir sind schließlich eine Hochkultur."

F: Also kann fast alles behandelt werden?

A: "Natürlich. Na gut, fast… mein Vater hatte da ein paar Probleme mit akutem Stechen im Rücken. Aber wenn wir erst ganz Germanien beherrschen, werden die Barbaren unsere Heilkunst zu schätzen wissen. Stimmt doch, oder, Varus?"

Autor:

Oliver Borgwardt aus Dorsten

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