Wohnungsloseneinrichtungen brauchen mehr Platz zum Schutz vor Corona/Einrichtungen der Caritas sind voll belegt
Abstand halten im Vierbettzimmer?

Münster/Haltern. Bis zu zehn Personen auf einem Zimmer? Ein Zustand, der während der Corona-Pandemie vermieden werden sollte. Aber nicht überall ist die Vorgabe der Politik, Abstand zu halten, umsetzbar. In vielen Notunterkünften der Wohnungslosenhilfe sind Mehrbettzimmer die Regel. Hilfseinrichtungen brauchen jetzt schnelle Lösungen zur räumlichen Entzerrung, um Wohnungslose und Mitarbeitende zu schützen. „Die Wohnungslosenhilfe kommt bei den Corona-Hilfen zu kurz“, beobachtet Ludger Schulten aktuell. Der Referent für Wohnungslosenhilfe des Diözesancaritasverband Münster weiß, viele Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe müssten zu diesem Zeitpunkt hoffen, dass kein Corona-Fall auftrete. Denn unklar sei, wie Isolation und Quarantäne in Hilfseinrichtungen mit Mehrbettzimmern durchgeführt werden sollten.

Hinzu käme, dass auch Schutzkleidung für Mitarbeitende in der Wohnungslosenhilfe kaum vorhanden sei, so Schulten. Trotz erschwerter Arbeitsbedingungen sei es aber natürlich keine Alternative, Menschen ohne Obdach auf der Straße stehen zu lassen, die eine Notunterkunft suchen.
„Der Hilfebedarf bleibt und steigt aktuell sogar“, sagt Sandra Bracht, Fachbereichsleiterin des Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) Münster. In den Einrichtungen für wohnungslose Frauen des SkF Münster ist die Nachfrage weiterhin ständig hoch. In der Notschlafstelle für alleinstehende wohnungslose Frauen beispielsweise ist Platz für bis zu 20 Bewohnerinnen in Mehrbettzimmern. Die Unterkunft ist voll belegt. Distanz zu den Frauen zu halten, sei den SkF-Mitarbeitenden kaum möglich. Es gebe einen hohen Betreuungsaufwand, viele seien durch lange Wohnungslosigkeit krank geworden. Regelmäßige Gespräche seien für das Klientel daher sehr wichtig. Schützen gegen eine mögliche Ansteckung mit dem Corona-Virus können sich die Mitarbeitenden des SkF Münster im Kontakt nur begrenzt. „Der aktuelle Schutz ist Abstand halten und Hände waschen“, sagt Bracht, Schutzkleidung werde weiterhin dringend benötigt.Auch die Vorräte an Schutzausrüstung der Bischof-Hermann-Stiftung seien überschaubar, sagt Thomas Mühlbauer, Leiter des Haus der Wohnungslosenhilfe (HdW) in Münster. Er habe bereits vor gut zwei Wochen beim Aufkommen der Debatte um Schutzausrüstung darauf hingewiesen: „Wir sind auch noch da“.

„Der aktuelle Schutz ist Abstand halten und Hände waschen“

Auch die Kapazitäten der Notunterkunft für alleinstehende wohnungslose Männer sind voll ausgelastet. 80 Wohnungslose leben auf Vierbettzimmern – bis zu zehn Notübernachter zusätzlich verteilen sich auf Matratzen im Gruppenraum. „Wir versuchen händeringend, die räumliche Situation zu entzerren“, sagt Mühlbauer. Jetzt seien unkonventionelle und pragmatische Lösungen zum Schutz der Bewohner gefragt. „Wir sind auf die Hilfe der Stadt angewiesen“.

„Wir sind auf die Hilfe der Stadt angewiesen“

Für den Einrichtungsleiter wären beispielsweise leerstehende Hotels eine Möglichkeit, Wohnungslose mit dem notwendigen räumlichen Abstand unterzubringen und damit die Gefahr einer Ansteckung mit dem Corona-Virus zu verringern. Auch Flüchtlingsunterkünfte, die nicht mehr genutzt werden, kämen in Frage. „Alles, was leer steht und zu einer räumlichen Entspannung beiträgt, sollte kurzfristig belegt werden“.Neben der Problematik, welche die Corona-Pandemie für Wohn- und Übernachtungsangebote für Menschen ohne Obdach bedeutet, weist Thomas Schlickum, Vorstand der Caritas für die Stadt Münster darauf hin, die Situation für Wohnungslose verschärfe sich aktuell insgesamt. „Wo geht man tagsüber hin?“, fragt Schlickum. Offene Angebote, die Wohnungslose mit einer warmen Mahlzeit versorgen, in denen Aufenthalt möglich sei und wo sie duschen könnten, seien in Münster größtenteils geschlossen.
Die Bahnhofsmission, die die Caritas Münster betreibt, ist aktuell noch geöffnet und gibt warmes Essen aus. Aufhalten können sich Bedürftige hier aber nicht. Auch um wohnungslosen Menschen jetzt tagsüber ein Dach über dem Kopf und eine Versorgung anbieten zu können, werden Räume, wie zum Beispiel Turnhallen, benötigt.

Autor:

Michael Menzebach aus Haltern

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