BÜCHERKOMPASS: Münsterland ist abgebrannt (Rezension)

EIn Opfer des eigenen Erfolges: Mit der Wilsberg-Reihe ist der Essener Schriftsteller Jürgen Kehrer einem breiten Publikum bekannt geworden. Inzwischen ist aus dem literarischen Vorbild entstandene Fernsehserie aber so populär, dass sie die Romane in den Schatten stellt. Mit "Münsterland ist abgebrannt" versucht Kehrer jetzt einen neuen Krimihelden zu etablieren. Hat Bastian Matt das Zeug dazu, neben Wilsberg zu bestehen?

Die Figur des schrulligen Antiquars und Privatdetektivs Georg Wilsberg aus Münster verbinden die meisten Zuschauer inzwischen mit dem Schauspieler Leonard Lansink. Der kantige Mime verkörpert Wilsberg so erfolgreich, dass dessen geistiger Vater Jürgen Kehrer immer weniger Möglichkeiten sieht, den Romanen neben der Fernsehserie ein eigenes Profil zu geben. Mit der Figur des Bastian Matt schickt Kehrer nun einen neuen Ermittler in die Münsteraner Unterwelt.

Kommissar Matt ist jünger als Wilsberg, aber beruflich wie privat ebenso hinter seinen Möglichkeiten zurückgeblieben. Ohne seinen Job bei der KK 11 würde er vermutlich völlig in seinen Depressionen versinken. Besonders aufheiternd ist die Arbeit des Ermittlers aber dennoch nicht: Tötungsfälle, Brände, Sexualstraftaten, Waffen- und Sprengstoffdelikte, häusliche Gewalt, Stalking und
die Suche nach vermisste Personen gehören in Matts Fachbereich.

Als wäre das nicht deprimierend genug, ist Matt auch noch mit einem Tyrannen als Chef und einer eifersüchtigen Kollegin gestraft. Seine Beziehungen sind zerrüttet, seine Mutter schwer erkrankt, und mit einem Trauma muss er sich auch noch herumschlagen. Kurz gesagt, mit dieser Figur möchte niemand gerne tauschen.

In Bewegung kommt der triste Arbeitsalltag des Kommissars, als einer der angesehensten Bankiers von Münster plötzlich von einem Seil in seiner Villa baumelt. Alles sieht nach Selbstmord aus, doch welchen Grund sollte Carl Benedikt Mergentheim für diesen drastischen Schritt haben? Die neue Gerichtsmedizinerin im Revier, eine selbstbewusste asiatische Schönheit namens Yasi Ana, entdeckt Spuren, die Bastian Matt an einem Suizid zweifeln lassen. Mit einem beherzten Griff bringt er die Theorie ins Wanken, und zieht sich so zwar den Zorn seines Chefs, aber auch die Aufmerksamkeit der hübschen Yasi zu. Und als bald noch mehr Menschen sterben und Häuser brennen, wird klar, dass die Fälle eine Dimension erreichen, die weit über das idyllische Münster hinausgehen. Die Spuren führen weit zurück in die Vergangenheit, in fremde Kulturen und arktische Einsamkeit...

Spannende Geschichte, gebrochener Hauptcharakter

Mit "Münsterland ist abgebrannt" beweist Jürgen Kehrer erneut, dass er spannende Geschichten erzählen kann, ohne an Details zu sparen. Nach einem eher langsamen Einstieg kommt die Geschichte dann rasch in Fahrt. Die Schauplätze wechseln zwischen dem kleinen Münsterland und der großen Weltbühne, und die Charaktere gewinnen an Profil. Auf etwas über 300 Seiten wird ein großer Spannungsbogen mit nur wenigen Längen gespannt, der den Leser bei der Stange hält. Nur selten wird die erzählerische Logik etwas sehr strapaziert, insgesamt ist das Werk gelungen und unterhaltsam.

Das größte Problem des Romans aber ist die Hauptfigur. Bastian Matt hat keine der liebenswerten Marotten oder den westfälischen Humor eines Wilsberg. Der Kommissar ist eine dunkle, gebrochene Figur, von Alpträumen geplagt, unzuverlässig gegenüber seiner Familie und dabei weitgehend humorfrei, kalt, ja beinahe unsympathisch. Aus der Reserve locken lässt er sich nur durch den zweiten Hauptcharakter, die Rechtsmedizinerin Yasi Ana. Yasi ist die deutlich interessantere Figur. Die intelligente Schönheit schwankt zwischen verführerischem Charme und schnippischer Arroganz. Ihre Abstammung von einem asiatischen Kleinvolk mit außergewöhnlichen Sitten sorgt für manche Verwirrung, und ihre kreativ neu kombinierten Sprichwörter sind schon jetzt als Running Gag in einer möglichen Serie angelegt.

Gelingt es Kehrer, die Figur des Bastian Matt noch mit mehr Facetten zu versehen, und behält er Yasi Ana als zweite Hauptfigur bei, haben die Nachfolgeromane das Potential, Krimifans auch abseits des Wilsberg-Lagers anzusprechen. Man darf gespannt sein, ob der neue Romanheld das Feuer schüren kann oder doch nur langsam verglüht.


Jürgen Kehrer: Münsterland ist abgebrannt
Kriminalroman.
Rowohlt Taschenbuch
Reinbek 2013
ISBN 978-3-499-26650-8
352 Seiten, ca. 10 Euro

Autor:

Oliver Borgwardt aus Dorsten

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