Halteraner sterben aus

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Bürgerinnen und Bürger der Seestadt nehmen regen Anteil am Beschluss, die Entbindungsstation des Sixtus-Krankenhauses zu schließen. Vollbesetzt waren daher auch die Zuschauerränge im Sitzungssaal des Rathauses am frühen Mittwochabend. Auf Antrag der SPD fand zur angekündigten Schließung der geburtshilflichen Abteilung eine Sondersitzung des Rates statt. Die Fraktion der SPD hatte zuvor eine Resolution verfasst, um deutlich zu machen, dass ein solches Verfahren nicht kommentarlos hinnehmbar sei.

In Haltern macht man seit jeher einen kleinen aber feinen Unterschied zwischen den hier geborenen BürgerInnen und den Zugezogenen. Erstere nennen sich stolz Halteraner, während der Rest schlicht als Halterner bezeichnet wird. Wenn ab Ende Juni keine Neubürger im Halterner Krankenhaus mehr zur Welt kommen, dürften die echten Halteraner wohl zur aussterbenden Spezies werden. Diesen Umstand hatten sich einige junge Mütter, die zur Sitzung erschienen waren, buchstäblich auf die Fahnen geschrieben. An ihren Kinderwagen prangten Spruchbilder mit der Aufschrift:

"Geboren in Haltern am See, meiner Heimat.
Soll ich wirklich einer letzten Halteraner sein?"

Zu Beginn der Sitzung verlas die Fraktionsvorsitzende Beate Pliete die Begründung der Resolution, in der sie nochmals explizit darauf hinwies, dass ihre Partei in keinster Weise die Schuld bei der Krankenhausleitung suche. Sie bedauere aber sehr, dass das Aufsichtsgremium der KKRN im Vorfeld nicht das Gespräch mit der hiesigen Politik gesucht hätte. Für die SPD-Fraktion sei die Nachricht ebenfalls überraschend gekommen. Noch im Rahmen einer Sommerfraktion (Besuch der SPD-Fraktion im Krankenhaus) im Sommer 2017 war die Bedeutung aller Abteilungen durch die Geschäftsführung für das Haus hervorgehoben worden. Auch die Vertreter der anderen Fraktionen bedauerten die Schließung außerordentlich. Aber auch ohne eine entsprechende Resolution werde man Kontakt zur Bezirksregierung und den verantwortlichen Behörden aufnehmen, so Bürgermeister Klimpel.

Die Organisation Mother Hood e. V. beschreibt folgende Faktoren als wichtiges Indizes für eine qualitativ hochwertige Betreuung werdender Mütter: kontinuierliche 1:1-Betreuung durch eine Bezugshebamme, wohnortnahe Versorgung (20-30 PKW Minuten), weniger (Routine-)Interventionen, eine Kaiserschnittrate von max. 15-17 Prozent (gemäß WHO-Richtlinie), hohe Mütterzufriedenheit durch Einbeziehung und Mitbestimmung sowie Strukturen, Arbeitsabläufe und Prozesse, die das mütterliche und kindliche sowie das körperliche und seelische Outcome verbessern.

Pliete betonte, es dürfe von der Politik vor Ort nicht kommentarlos hingenommen werden, dass die Rahmenbedingungen für kleine Häuser wie dem Sixtus-Krankenhaus so schwer gemacht würden, dass ein Überleben unmöglich würde. Trotz des klaren Statements wurde der SPD von allen anderen Parteien im Rat lautstark politisches Getöse, Schaumschlägerei und Populismus unterstellt. Diese Vorwürfe gegen die SPD führten mehrfach zu deutlichen Unmutsäußerungen im Zuschauerraum, so dass Bürgermeister Bodo Klimpel um Ruhe im Saal bitten musste.

Nach einer mehr als einstündigen, sehr lebhaften Diskussion wurde der Antrag mit großer Mehrheit schließlich abgelehnt. Noch nach Beendigung der Sitzung debattierten BürgerInnen mit PolitikerInnen und Hebammen im Foyer und auf dem Rathausvorplatz.

Hintergrund:

Die Geschäftsleitung des Sixtus Krankenhauses hatte am 24.04.2018 bekannt gegeben, dass aufgrund mangelnder Oberärzte und zu geringer Geburtenzahlen die Entbindungsstation zum 30. Juni 2018 geschlossen wird. Die gynäkologische Abteilung bleibt erhalten. Alle Arbeitskräfte werden auch weiterhin beschäftigt - in Haltern und in Dorsten. Nach Bekanntwerden der Nachricht wurden Stadtspitze und auch die Fraktionsvorsitzenden in einem Gespräch am 27.4.2018 über die personelle und wirtschaftliche Notwendigkeit der Schließung informiert.

Autor:

Antje Clara Bücker aus Haltern

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