Truppenübungsplatz Lavesum: Naturparadies am Scheideweg

Seltene Kraniche gehören zu den Brutgästen im Lavesumer Teil des ehemaligen Truppenübungsplatzes. Foto: WMC
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  • Seltene Kraniche gehören zu den Brutgästen im Lavesumer Teil des ehemaligen Truppenübungsplatzes. Foto: WMC
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Steht die Zukunft des "bedeutendsten Heide- und Moorgebiets des Münsterlandes" auf dem Spiel? Die ehemaligen Truppenübungsflächen in den Borkenbergen und bei Lavesum sind wegen ihres biologischen Artenreichtums schon jetzt zu großen Teilen unter Naturschutz gestellt worden. Ein entscheidender Teil des Lavesumer Gebietes hingegen ist bislang noch nicht geschützt. Die nächsten Monate könnten kritisch werden: Nach neuen Informationen gefährden konkrete Wirtschaftsinteressen den Naturbestand.

Rund 70 Jahre lang befand sich mit den Truppenübungsplätzen vor den Toren Halterns ein weitläufiges Sperrgebiet, das nach dem Abzug der Britischen Armee nach langer Zeit wieder ins Bewusstsein der Öffentlichkeit rückte. Die militärische Nutzung hatte in zwei Teilflächen in den Borkenbergen und bei Lavesum artenreiche Lebensräume für seltene Tiere und Pflanzen erhalten, die anderswo bereits ausgestorben waren. So war die Freude der Naturschützer groß, als die Borkenberge bereits im Juni 2015, wenige Wochen nach dem Truppenabzug, vollständig zum Nationalen Naturerbe erklärt worden waren. "Das war die sicherste Möglichkeit, die Flächen langfristig zu bewahren", erklärt auch Walter Fleuster von den Halterner Grünen.

Wertvolle Heide- und Moorlandschaft

Der biologische Wert des Areals war schon länger kein Geheimnis mehr: Schon 2009 zeigte eine Studie, dass sich auf dem Truppenübungsplätzen unter anderem 50 Prozent der in NRW heimischen Vogel- und Heuschreckenarten finden ließen, sowie 70 Prozent der Reptilienarten. Seltene und geschützte Tiere wie Kraniche, Uhus, Fischotter, Ziegenmelker oder Wespenbussarde sind in der abwechslungsreichen Landschaft zuhause. "Aufgrund seiner Größe, Lebensraumvielfalt und Artenausstattung ist der ehemalige Truppenübungsplatz Haltern als das bedeutendste Heide- und Moorgebiet des Münsterlandes einzustufen", befindet auch das Landesamt für Naturschutz NRW.

Sorgen um den Lavesumer Teil

So sehr den Naturschützern auch ein Stein vom Herzen gefallen sein mag, als die rund 1780 Hektar in den Borkenbergen gesichert waren, so groß sind nun die Sorgen um den Lavesumer Teil des Truppenübungsplatzes. Mit etwa 1430 Hektar ist das Gebiet, das sich östlich der Granatstraße, unweit des Ketteler Hofes, in einem breiten Streifen nordöstlich bis hin zur A43 erstreckt, etwas kleiner als die Borkenberge. Dennoch finden sich auch hier wichtige Lebensräume seltener Tiere und Pflanzen. So war es auch für die Halterner Grünen eine unangenehme Überraschung, dass zunächst nur 330 Hektar ins Nationale Naturerbe überführt werden sollten.

Lob und Kritik nach neuen Informationen

Wo werden aber solche Entscheidungen getroffen? Verantwortlich für den ehemaligen Übungsplatz in Lavesum ist seit dem Abzug der Britischen Armee die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) mit Hauptsitz in Bonn. "Die BImA verfolgt für die ihr zugewiesenen Immobilien natürlich vor allem die finanziellen Interessen des Bundes", gibt Walter Fleuster zu bedenken. Dennoch waren die Halterner Naturschützer von der mageren Zuweisung an das Naturerbe enttäuscht. Um möglichst aktuelle Informationen über die weiteren Pläne der Bundesanstalt zu bekommen, haben die Halterner Grünen nun über die Bundestagsfraktion ihrer Partei mehrere parlamentarische Anfragen gestellt.

Die Antwort kam vor wenigen Wochen und enthielt für die Naturfreunde eine gute, aber auch eine potentiell schlechte Nachricht. Freuen konnten sich die Befürworter des Naturschutzes über die Nachricht, dass nun das gesamte Teilstück südwestlich des Hülstener Weges (rund 350 Hektar) in das Nationale Naturerbe überführt werden soll. "Das ist die gute Nachricht", erklärte Walter Fleuster.

Unverständnis hingegen erntete die Information, dass die BImA derzeit umfassende Verhandlungen mit dem Herzog von Croy führt, bei denen es um rund 740 Hektar geht. Damit wäre mehr als die Hälfte des Lavesumer Übungsplatzes zum sogenannten "Rückkauf" im Gespräch, was heftige Kritik nicht nur von Seiten der Naturfreunde hervorgerufen hat. Auch die Landwirte, deren Familien seinerzeit durch billigen Verkauf ihrer Flächen einer Enteignung zugunsten des Truppenübungsplatzes zuvor gekommen waren, zeigen kein Verständnis für die so empfundene Bevorzugung des Herzogs. Ihrem eigenen Interesse nach Rückkauf hatte die Bundesanstalt im März nämlich eine Abfuhr erteilt.

Ein unfaires Angebot?

Besonders übel stößt den Kritikern die Aussage von Staatssekretär Spahn auf, der noch im Vorjahr betont hatte, dass lediglich bei rund 61 Hektar der nun angebotenen 740 "unstreitige Ansprüche früherer Eigentümer auf Rückerwerb" bestünden. "Dem Herzog von Croy werden auch Flächen angeboten, die nicht in seinem Vorbesitz waren", kritisieren die Grünen daher.

Walter Fleuster befürchtet weitreichende Folgen für das Ökosystem, sollte der Verkauf besiegelt werden. Schließlich ist der Herzog nicht nur ein für seine Wildpferde bekannter Großgrundbesitzer, sondern auch Leiter eines gewinnorientierten Unternehmens. "Mit einem Verkauf an den Herzog würden dessen privatwirtschaftlichen Interessen bedient", davon ist Fleuster überzeugt.

Wird die Natur einfach weggebaggert?

Die Zukunft im Falle eines Verkaufes zeichnet der Naturschützer so: "Das würde eine Tür öffnen für eine weitere wirtschaftliche Nutzung des Gebietes." Auch die Quarzwerke zeigten Interesse an einer zukünftigen Erschließung des jenseits der A43 gelegenen Gebietes zur zukünftigen Sandgewinnung. Zwar würde der aktuelle Gebietsentwicklungsplan noch keine Aussandung westlich der Autobahn vorsehen, aber auch dieser laufe nur bis 2054.

"Wenn wir dieses wertvolle Biotop in Lavesum erhalten wollen", so Fleuster, "wäre die Übernahme ins Nationale Naturerbe die sicherste Lösung." Die Naturschützer hoffen nun, dass der Bund alle Flächen, bei denen keine Rechtsansprüche von Vorbesitzern bestehen, möglichst bald auf Dauer sichert. "Sonst geht diese einzigartige Landschaft unseren Kindern verloren".

Autor:

Oliver Borgwardt aus Dorsten

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