Maiwagen sollen abgespeckt werden - Strengere Auflagen durch das Ordnungsamt

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Die Stadt Haltern am See sieht sich gezwungen, das bunte Spektakel am 1. Mai im und um den Westuferpark in geordnete Bahnen zu lenken. „Aufgrund unserer Erfahrungen aus den letzten Jahren haben wir bereits im Vorfeld mit vier Gruppen, die größere Eventwagen bauen, gesprochen und mit ihnen einvernehmliche Lösungen erarbeitet“, sagt Ordnungsamtsleiter Helmut Lampe.

Er verdeutlicht, dass die Verwaltung hierbei nicht als Verhinderer auftritt. „Wir verhindern nichts, vielmehr dulden wir schon eine ganze Menge und schauen gemeinsam mit den jungen Leuten, wie wir alles hinbekommen können, um für die notwendige Sicherheit zu sorgen." Ihm und seinen Kolleginnen und Kollegen sind in jüngerer Vergangenheit einige Punkte aufgefallen, die aus Sicherheits- und Lärmschutzgründen stark verbesserungsfähig sind. In den zwischenzeitlich geführten Gesprächen mit den Wagenbauern machten sie die Erfahrungen, dass der Sicherheitsaspekt auch im Sinne der Jugendlichen ist. „Viele von ihnen haben uns deutlich zu verstehen gegeben, dass sie sich aufgrund der letzten Entwicklungen auch nicht immer mehr wohlgefühlt haben.“
Das Ordnungsamt bietet auch anderen Gruppen, die mit Eventwagen losziehen wollen, die Möglichkeit an, sich mit der Verwaltung kurzzuschließen. Interessierte wenden sich an Rouven Lojack, Telefon 02364 933-178, Mail: ordnungsamt@haltern.de. Die Mailadresse bietet auch den Vorteil, Fotos von den Wagen zu übermitteln. Weitere Informationen bietet die Stadtverwaltung im folgenden Gespräch mit Helmut Lampe:

Traditionell finden am 1. Mai sog. Maigänge statt. Was halten Sie davon?
Gegen Maigänge ist grundsätzlich nichts einzuwenden. Allerdings haben wir in den letzten Jahren eine deutliche Veränderung bemerkt.

Inwiefern?
Früher sind kleine Gruppen umhergezogen und haben ihren Proviant in Rücksäcken und auf Bollerwagen verstaut. Zur Unterhaltung wurde mitunter noch ein batteriebetriebener Kassettenrekorder mitgeführt. Heutzutage werden allerdings Bollerwagen, durchaus kreativ und mit Sachverstand, zu regelrechten Eventwagen umgebaut. Die Stärke dieser Gruppen ist dabei deutlich erhöht.

Was heißt jetzt Eventwagen?
Dabei handelt es sich nicht mehr um handelsübliche Bollerwagen, auf denen einfach nur Konsumgüter befördert werden, sondern teils von Grund auf selbstgebaute Wagen, deren Zweck es ist, hauptsächlich technisches Equipment zu transportieren.

Was für ein technisches Equipment meinen Sie?
In erster Linie meine ich damit Musikanlagen, die einen so hohen Stromverbrauch haben, dass dieser Bedarf nicht mehr über Batterien, sondern nur noch über Stromaggregate gedeckt werden kann. Zapfanlagen, teils mit Kühlung, sind inzwischen ebenfalls vorhanden. Hinzu kommen Beleuchtungseinrichtungen, teils mit Laser- oder Stroboskopeffekten, Nebelmaschinen, Windgebläse und weiteres.

Das hört sich doch toll an. Aber?
Das Ganze hat eine schneeballartige Dynamik angenommen. Die Wagen werden von Jahr zu Jahr weiter ausgebaut; die Betreiber wetteifern sogar untereinander. Es kommen auch immer mehr Wagen und Nachahmer hinzu. Es ergeben sich daraus ganz einfach Gefahren, zum einen aus der Benutzung der Verkehrsflächen, zum anderen durch die Eventwagen selbst.

Ist das Ziehen von Handwagen denn nicht grundsätzlich erlaubt?
Die Benutzung von Verkehrsflächen mit einem Handwagen zu Transportzwecken ist sicherlich zulässiger Gemeingebrauch. Die Nutzung von öffentlichem Verkehrsraum über den Gemeingebrauch hinaus ist allerdings Sondernutzung. Eventwagen sind mit sog. Bierbikes zu vergleichen, deren vorrangiger Zweck eben nicht der schlichte Transport, sondern eher der unterhaltende Faktor ist. Das höchstrichterliche Urteil unterscheidet Sondernutzung von Gemeingebrauch, wenn der überwiegende Nutzungszweck bei objektiver Betrachtung nicht die Teilnahme am Verkehr ist.

Und welche Gefahren meinen Sie speziell?
Gefahren ergeben sich bei überdimensionierten Eventwagen im Begegnungsverkehr insbesondere an Engstellen. Vielfach weicht dann der „kleinere“ Teilnehmer unvermittelt auf andere Flächen aus, auch in den Raum, der den Kraftfahrzeugen vorbehalten ist. Das ist unfallträchtig. Gefahren ergeben sich auch bei den Nachbetankungen der dann heißen Stromaggregate. Wir können auch sicherlich unterstellen, dass die Wagen weder eine Bauartzulassung haben noch TÜV-abgenommen sind. Bei Schwerpunktverlagerung oder in abschüssigem Gelände entwickelt allein die Masse eine kaum zu beeinflussende Wucht.

Sie haben also Bauchschmerzen damit. Was ist Ihr Plan?
Wir müssen zurück auf ein annehmbares Normalmaß. Alles, was größer ist als ein handelsüblicher Bollerwagen, hat mit traditionellen Maigängen nichts mehr zu tun. Wir werden solche nicht weiter dulden.

Was können die Betreiber von Eventwagen denn jetzt tun?
Um nicht Gefahr zu laufen, am 1. Mai von uns aus dem Verkehr gezogen oder stillgelegt zu werden, empfehlen wir dringend, den Kontakt mit uns aufzunehmen.

Gab es denn schon Gespräche?
Ja. Manche haben sich freiwillig gemeldet, wieder andere wurden von uns kontaktiert. Wir würden aber gerne mehr Gespräche führen, um einfach ordnungsrechtliche Belange kommunizieren zu können, die bei den Planungen zum 1. Mai oftmals unberücksichtigt bleiben.

Wie beurteilen Sie die Lage am Silbersee?
Die Betreibergesellschaft Silbersee II, der Gastronomiebetreiber und der für die dortige Parkraumbewirtschaftung eingesetzte Sicherheitsdienst kooperieren gut miteinander. Großartige Handlungsbedarfe sehen wir momentan nicht.

Kommen wir zum Westuferpark.
Der Westuferpark ist beliebtes Ziel für Gruppen, die zuvor um den See oder sonst im Stadtgebiet unterwegs waren.

Und wie schätzen Sie die Lage ein?
Als bedenklich. Von Jahr zu Jahr steigt die Anzahl ordnungsrechtlicher und rettungsdienstlicher Einsätze.

Werden Sie vor Ort sein?
Ja. Die Ordnungspartnerschaft aus Polizei, Ordnungsamt und Jugendamt wird vor Ort sein. Ein Securitydienst wird uns zudem unterstützen. In diesem Jahr werden wir auch mit erhöhtem Personalaufkommen agieren. Wir werden uns zwar auf den Westuferpark konzentrieren, haben aber auch andere Örtlichkeiten im Fokus, z.B. den Motorradparkplatz am Stockwieser Damm.

Was ist da los?
Er ist Scheitelpunkt bei Maigängen rund um den Stausee und bietet sich für eine Rast quasi an. Dadurch konzentrieren sich aber auch deutlich mehr Personen dort als an anderen Stellen, vom Westuferpark mal abgesehen. Die Nähe zur Straße ist das Problem, wenn feiernde Menschen unvermittelt in den fließenden Verkehr geraten oder Gegenstände werfen.

Wer trägt eigentlich die Kosten für ihren Einsatz?
Zunächst die Stadt und das Land, aber letztendlich die Allgemeinheit, weil diese Kosten über Steuern refinanziert werden. Ebenso die des städtischen Baubetriebshofes, der insbesondere den Westuferpark wieder aufräumen wird.

Über welche Kosten reden wir?
Unter Einbeziehung der Personalkosten von Polizei, Stadt und Security können wir sicherlich von einem fünfstelligen Betrag ausgehen. Nicht eingerechnet sind Kosten für Betriebsmittel und kalkulatorische Kosten sowie Kosten des Rettungsdienstes, weil diese über Gebühren refinanziert werden.

Dem Veranstalter kann man doch sicherlich Auflagen machen?
Einen klassischen Veranstalter gibt es ja nicht. Es handelt sich mehr oder weniger um ein zufälliges Zusammentreffen von Einzelpersonen, von denen wiederum manche gemeinschaftlich einen Wagen betreiben. In der Gesamtschau hat das, was am 1. Mai im Westuferpark passiert, aber schon deutlichen Eventcharakter. Insofern geraten die Betreiber von Eventwagen je nach Größe immer mehr in die Rolle von Veranstaltern mitsamt aller Haftungsrisiken, erst recht, wenn der Wagen gewerblich betrieben wird.

Welche Haftungsrisiken können das sein?
Wenn was passiert, wird immer nach einem Verantwortlichen gesucht. Wenn inzwischen sogar Junggesellabschiede aus umliegenden Städten im Westuferpark gefeiert werden, weil dort bekanntermaßen ein kostenloses Freiluftevent stattfindet, dann sind diejenigen, die dafür Sorge getragen haben, dass es so ist, als erste im Visier der Ermittlungsbehörden. Als Sicherheitsbehörde haben wir natürlich auch eigene Verantwortlichkeiten, derer wir uns durchaus bewusst sind. Wir sind aber wegen des Events da, nicht umgekehrt.

Was sind aus Ihrer Sicht unverhandelbare Positionen?
Über die maximale Größe von Maiwagen haben wir schon gesprochen. Ab 22 Uhr gilt Nachtruhe. Überhaupt muss dem Lärmschutz Rechnung getragen werden. Dezibelvorgaben werden wir jetzt nicht machen, aber Maximalbeschallung können wir nicht zulassen. Waffen und Feuerwerkskörper haben in diesem Rahmen nichts zu suchen. Das gilt auch für Gasverbrauchsanlagen. Das Grillen und das Errichten von Feuerstellen als auch das Beschädigen der Parkanlage sind sowieso verboten. Und schließlich werden wir diesmal nicht mehr zulassen können, dass sich Eventwagen auf dem Hügel im Westuferpark positionieren.

Das meiste erschließt sich einem sofort, aber warum ist der Hügel tabu?
Zum einen wirkt sich die exponierte Stellung nachteilig auf den Lärmschutz aus. Zum anderen, und viel entscheidender ist allerdings, dass die Wagen nach Beendigung des Events dort wieder runter müssen. Im letzten Jahr haben wir abenteuerliche Szenen beobachtet wie nicht nur nüchterne Personen versucht haben, den Wagen manuell zu bremsen. Einige sind zudem weggerutscht und das, obwohl der Rasen eigentlich nicht mal nass war. Wenn ein Wagen ausbrechen und ungebremst in eine Gruppe von Menschen knallen kann, ist das einfach ein zu hohes Wagnis.

Haben Sie noch einen letzten Appell?
Bitte die aufgestellten Müllgefäße benutzen! Das spart Kosten und reduziert ganz einfach Unfälle. Heutzutage werden Bollerwagen, durchaus kreativ und mit Sachverstand, zu regelrechten Eventwagen umgebaut. Der Westuferpark ist beliebtes Ziel für Gruppen, die zuvor um den See oder sonst im Stadtgebiet unterwegs waren. Nachher bleibt leider häufig viel Müll liegen.

Autor:

Michael Menzebach aus Haltern

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