"Brutalste kapitalistische Zeitverschwendung!" - Ein fiktives Gespräch über Facebook

Manchmal läuft's andersrum ... | Foto: Funke-Fotopool, Collage: dibo
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"Heute in der Schule haben wa' darüber geredet, was unsere Meinung zu Facebook ist.", sage ich, während ich mit meiner Mutter am Küchentisch sitze und darauf warte, dass sich mein Kaffee etwas abkühlt.

"Und?", fragt mich meine Gesprächspartnerin. "Ich glaube leider, dass ich eine der einzigen aus dem Kurs bin, die von dem Dreck nichts hält.". "Wieso das denn? Sind alle anderen da angemeldet?", lautet daraufhin die zweite Frage. "So gut wie. Irgendwie hatte da aber auch niemand eine besonders hervorstechende Meinung. Die haben sich halt irgendwann in 2014 mal 'nen Account erstellt, als Facebook noch nicht ganz vor'm Aussterben bedroht war, und haben den seitdem nicht gelöscht. Keiner hat wirklich was dagegen gesagt, eher so Sachen wie "Ist halt manchmal ganz witzig" oder "Benutzen tu ich den Account nicht mal mehr, ich vergess' nur immer, den zu deaktivieren.", antworte ich. "Hast du denn wenigstens gesagt, was du darüber denkst?" "Ne, wie seh ich denn aus? Wie jemand, der gerne im Unterricht Stress mit 20 anderen Schülern anfängt, weil's ihr so viel Spaß macht, sich noch unbeliebter zu machen? Ich glaub auch."
"Du musst doch nicht immer direkt so rummeckern.", kriege ich als Antwort. "Tut mir ja leid, aber die Tatsache, dass es Leute gibt, die so einen Konzern wie Facebook immer noch mit Informationen über ihr gesamtes Privatleben füttern, da krieg ich die Krise. Das ist doch alles brutalste kapitalistische Zeitverschwendung!", rege ich mich weiterhin auf. "Der Staat kennt doch eh schon jede noch so kleine Sache über dich. Wetten, ich könnte den lieben Mark Zuckerberg anrufen, nach der Marke deines Lieblingsmüslis fragen und er wüsste die Antwort, nachdem er 2 Sekunden in seiner überdimensionalen Datenbank gesucht hat?".
"Ich versuche einfach nicht so sehr drüber nachzudenken, damit ich keine Angst kriege." "Und wenn du keine Angst hast, siehst du nicht genau genug hin.", zitiere ich ein Lied von Heisskalt.
Auf diesen Satz kriege ich keine Antwort. Meine Mutter nimmt lediglich einen Schluck Kaffee und stellt die Tasse wieder hin. Jetzt nehme ich auch einen Schluck, stelle die Tasse wieder hin, bemerke, dass ich noch einen Schluck will, nehme diesen und stelle den Kaffee dann leicht unvorsichtig auf den Tisch, sodass etwas über den Rand schwappt und einen Fleck auf der Tischdecke bildet. Für ein paar Sekunden ist es ganz still. Anscheinend zu still, denn wir fangen beide gleichzeitig mit dem Reden an. "Und das Suchtpotential sollte man ja auch bedenken." - "Und die ganzen Nazis, mit denen man sich rumschlagen muss!". Wieder kurze Stille. "Die Nazis find ich persönlich noch etwas schlimmer, aber das ist natürlich auch ein legitimer Punkt.", sage ich ruhig. "Du hattest doch noch nie Facebook, woher weißt du denn, dass es so schlimm ist?", werde ich gefragt. "Weil ich in der Lage bin, etwas über den Tellerrand hinaus zu gucken und genügend Vorstellungskraft besitze, um mir ganz hübsch ausmalen zu können, wie sehr ich mich mit den Faschos rumkäbbeln müsste, wenn ich mir doch mal einen Facebook-Account zulegen würde." Das war jetzt möglicherweise etwas viel Konjunktiv in einem Satz, aber die Aussage hat damit ja wenig zutun.
"Das mit den Nazis kann ich ja sehr gut verstehen, aber du musst dich ja nicht mit denen rumschlagen. Ich sehe das auch ein, dass du Facebook nicht gut findest, aber überdramatisierst du das alles nicht etwas?". Das ist tatsächlich eine gute Frage, deren Antwort aber nichts desto trotz ein ganz klares "Nein." ist. Langsam spannt sich die Stimmung immer mehr an. "Wie ist das denn so auf deiner Facebook Timeline mit den ganzen tollen anderen Mitgliedern, die jede Kleinigkeit posten? Ist das unterhaltsam?" Der passiv aggressive Unterton hilft wenig dabei, die Situation zu entspannen. "Also, ich folge da ja sowieso nur Leuten, die ich auch kenne.", sagt sie. "Und die Tatsache, dass du die kennst, ändert was an den 500 erlogenen Persönlichkeitstests am Tag und den schier unzähligen kitschigen Grußbildern, die man um die Ohren geklatscht bekommt? Ist das wirklich die Unterhaltung, die du dir wünschst?" Keine Antwort. "Ja, ich kann es mir bildlich vorstellen, wie unterhaltsam ein Leben mit einem Facebook-Account sein muss."
"Weißt du, mit dir zu diskutieren ist mir echt zu blöd. Du kannst mir keine Angst machen, ich weiß, was ich tue und wie ich mit Facebook umzugehen habe."
Und wenn du keine Angst hast, siehst du nicht genau genug hin.

Manchmal läuft's andersrum ... | Foto: Funke-Fotopool, Collage: dibo
Finde den Fehler!  ;) | Foto: Funke-Fotopool
Autor:

Mia Steffens aus Hamminkeln

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