Hattingen
Mutter von 13 Kindern verurteilt

Ein Blick in Corona-Zeiten vom Richtertisch auf den Großen Sitzungssaal des Amtsgerichtes. Rechts die Anklagebank.
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Nach einer vierstündigen teils emotionalen Gerichtsverhandlung wurde heute eine 48-Jährige wegen Körperverletzung und wegen Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt. Die Strafe wurde für drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt.
Staatsanwalt Björn Kocherscheidt beschuldigte die Angeklagte, zwischen 2004 und 2018 vier Straftaten zum Nachteil ihrer Kinder begangen zu haben. Aufgeflogen waren diese Handlungen, als eine Tochter der Angeklagten im Rahmen einer polizeilichen Befragung ihre Lebensumstände schilderte und die Polizeibeamten dabei stutzig wurden.
Nach der Anklageschrift soll es in der Großfamilie zu zwei sexuellen Handlungen zum Nachteil minderjähriger Kinder gekommen sein, als die Kinder im Auftrag ihrer Mutter vor laufender Kamera deren nackte Füße lecken sollten. Dieser Anklagevorwurf wurde fallengelassen, nachdem zwei der inzwischen erwachsenen Töchter von ihrem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch machten und keine weiteren Beweise dazu dem Gericht vorlagen.
Das Gericht war aber davon überzeugt, dass die Angeklagte ihre zum Tatzeitpunkt 12-jährige Tochter im Zeitraum 2015 bis 2016 nach einer Auseinandersetzung einmal körperlich misshandelte. Das bestritt die Angeklagte vehement, schilderte, dass sie alle ihre 13 Kinder lieben und niemals schlagen würde.
Vielmehr habe sie eine unglückliche Ehe erlebt und sei auch von ihrem geschiedenen früheren Ehemann vergewaltigt worden. Dieser habe ihre Kinder geschlagen und nicht sie. Sie gab zu, dass ihr die Anforderungen der Großfamilie zeitweise über den Kopf gewachsen seien und sie deshalb Hilfe von städtischer Seite beantragt und erhalten habe. Nach einer weiteren gescheiterten Partnerschaft sei sie inzwischen nach tunesischem Recht verheiratet.
Eine der minderjährigen Töchter beschuldigte dann die Angeklagte, ihre bisherige Kindheit zerstört zu haben. „Ich war Sklavin der Familie und musste von frühmorgens bis teilweise nachts ein Uhr im Haushalt arbeiten und mich allein um meine kleineren Geschwister kümmern. In einem Schulhalbjahr hatte ich 285 Fehlstunden, weil ich morgens einfach keine Kraft mehr hatte, die Schule zu besuchen“, sagte die Tochter der Angeklagten aus und war emotional kaum zu beruhigen. Ein damaliger Partner ihrer Mutter soll den Kindern Videos von Exekutionen gezeigt haben, was bei der minderjährigen Zeugin nachhaltige Angstzustände ausgelöst haben soll. Ihre Mutter habe permanent vor dem Handy gesessen, gechattet und sich um kaum etwas anderes gekümmert, was diese aber bestritt.
Ein Mitarbeiter des städtischen Jugendamtes soll die Hinweise der Minderjährigen missachtet haben. Erst mit Hilfe einer Nachbarin will es ihr dann gelungen sein, von ihrer Mutter wegzukommen und zu dem getrennt lebenden Vater zu ziehen, wo es ihr nach eigenen Angaben gut gehe und sie aktuell versuche, ihr Leben wieder in Griff zu bekommen und die Schule weiterhin zu besuchen. Noch heute leidet sie an psychischen Folgen aus dem Erlebtem bei ihrer Mutter.

„Das ist hier keine Kaffeefahrt“, sagte Richter Kimmeskamp

Richter Johannes Kimmeskamp, der die Verhandlung souverän führte und die Befragungen der teils minderjährigen Zeugen einfühlsam vornahm, musste die Angeklagte mehrmals zur Ordnung rufen, als sie ungefragt immer wieder die Zeugenaussagen kommentierte.
Die Angeklagte räumte dann vor Gericht ein, sich selbst vor laufender Kamera für ihren Partner bei eigenen sexuellen Handlungen gefilmt zu haben. Sie bestritt aber den Anklagevorwurf, diese Handlungen in Räumen praktiziert zu haben, zu denen auch ihre Kinder Zutritt hatten.
Ihre Töchter sagten aus, diese teils ausschweifenden Handlungen mehrfach mitbekommen zu haben und wollen selbst dafür gesorgt haben, dass ihre kleineren Geschwister nicht mit herumliegendem Sexspielzeug in Berührung kamen.
Staatsanwalt Kocherscheidt beantragte dann am Ende der Beweisaufnahme, für die Straftaten der Körperverletzung und der nachgewiesenen Verletzung der Erziehungs- und Fürsorgepflicht gegen die bereits vorbestrafte Angeklagte eine Gesamtfreiheitsstrafe von 10 Monaten zu verhängen und diese für drei Jahre zur Bewährung auszusetzen. Zusätzlich plädierte er, der Angeklagten die Ableistung von 100 Sozialstunden aufzugeben.

Strafverteidiger plädierte auf Freispruch

Rechtsanwalt Peter Steffen plädierte auf Freispruch für seine Mandantin, da die Anklagepunkte seiner Meinung nach nicht mit der für eine Verurteilung erforderlichen Sicherheit nachgewiesen werden konnten. Er beantragte zusätzlich, ein Glaubwürdigkeitsgutachten für die Aussagen der Töchter seiner Mandantin einzuholen und sah psychische Auffälligkeiten bei deren belastenden Aussagen.
„Ich liebe meine Kinder abgöttisch“, sagte die Angeklagte in ihrem Schlusswort und betonte nochmals, nie ihre Kinder geschlagen zu haben.
Nach längerer Beratung verkündete Richter Johannes Kimmeskamp dann das Urteil der Richterinnen und Richter des Schöffengerichtes. Er verkündete im Namen des Volkes gegen die 48-jährige Mutter von 13 Kindern wegen Körperverletzung und wegen Verletzung der Erziehungs- und Fürsorgepflicht eine Freiheitsstrafe von acht Monaten, die die Richter für drei Jahre zur Bewährung aussetzten.
Gegen dieses Urteil wurden unmittelbar nach der Verhandlung durch Rechtsanwalt Steffen bereits Rechtsmittel eingelegt. Das Landgericht als nächste Instanz wird jetzt den Fall erneut verhandeln.

Autor:

Hans-Georg Höffken aus Hattingen

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