Der amerikanische Präsident ist ein künstlerisches Geschenk

Hartmut Lübbert bei der Arbeit. Foto: Pielorz
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Eine coole Aussage vom Gründer des Ateliers KU.H.L. – Hartmut Lübbert. Neben seinen Initialen bildet die Kunst die ersten beiden Buchstaben des Ateliersnamen – das „H“ könnte aber auch für Hattingen stehen. Der gebürtige Wittener, gelernter Goldschmied, lebt idyllisch weitab vom Schuss im sehr ländlichen Teil von Hattingen. Hier verbindet sich die kreative Freiheit mit der räumlichen Weite. Seine Kunst hat Tiefgang, trägt aber nicht immer einen Titel. Dafür heißt die Ausstellung im Alten Rathaus „Jenseits der Vorstellung“ und ist dort noch bis zum 26. November zu sehen.

Der 63jährige hat mit seiner Kunst etwas zu sagen. Skulpturen, die dritte Dimension, drücken das aus, was er sagen will. Eine Bronze-Sitzbank mit Schweineköpfen in unterschiedlichen Richtungen – das Werk trägt den Titel „Die Bank Ihres Vertrauens“. Immer diese Titel! „Meine Werke tragen nicht alle einen Titel. Die Menschen gucken aber immer zuerst, wie ein Werk heißt. Warum eigentlich? Ein Werk ohne Titel gibt dem Betrachter mehr Freiheit. Aber will er das? Verzichten wir nicht zunehmend auf die Freiheiten, die Generationen vor uns erkämpft haben?“
Hartmut Lübbert hat demonstriert und für Freiheiten gekämpft. Seine eigene hat er sich in der Kunst bewahrt. Eher lebt er für sie, nur bedingt von ihr. Ist alles eine Frage des persönlichen Anspruchs. Was ihn stört: „Privates wird immer mehr geopfert. Wir geben eine Fülle von Daten preis, wir haben ja nichts zu verbergen. Sprachassistenten nehmen uns das (Be)Denken ab. Wir geben vieles ab und manches auf. Und vielen scheint es egal oder sie merken es nicht einmal.“
Er drückt mir eine Postkarte in die Hand, nein, mehrere. Für den neugierigen Querulanten, der sich in alles einmischt – vielleicht die Bronzefiguren „Die Pisser“? Für den taumelnden Politiker die neue Fahne des Landes – viel schwarz, etwas rot, statt des Bundesadlers ein Angsthase und um die Fahne gewirkt eine Goldkante. Erinnert an „Ado-Gardinen“. „Die mit der Goldkante“, für die bis 1979 die aus Film und Fernsehen bekannte Schauspielerin und Moderatorin Marianne Koch fast 600 Mal in ARD und ZDF Werbung machte. Mehr TV-Sender gab es damals nicht, außer den dritten Programmen, aber dort lief keine Werbung. Ado – der Name ist einfach die Abkürzung für Aschendorf und den Ort gibt es natürlich noch. Die Gardine auch, als Raumteiler beispielsweise und mit Goldkante. Aber wir schweifen ab…

Kunst mit einer kernigen Aussage

Wachsausschmelzverfahren – 24 Buchstaben Technik. Damit entstehen die Werke von Hartmut Lübbert. Das Wachsausschmelzverfahren findet Anwendung bei formtechnisch schwierigen Skulpturen oder bei besonders hohen Anforderungen an Oberflächengenauigkeit und -schärfe. Die Modelle werden meist aus Wachs hergestellt. Im Verlauf des Verfahrens wird sowohl das Modell als auch die Form zerstört. Daher wird es auch als Verfahren mit verlorenem Modell bezeichnet. Diese spezielle Gusstechnik ist seit der Bronzezeit bekannt. Beim Hohlguss wird zuerst aus Ton der Formkern hergestellt und darauf das zu gießende aus Wachs modelliert. Danach wird das Wachs abgedeckt. Die Form wird gebrannt, das Wachs schmilzt und fließt ab - daher der Name Wachsausschmelzverfahren. Die Form kommt in ein Sandbett, dann wird von oben die flüssige Bronze eingegossen. Um an das Gussstück zu gelangen, muss man die Form zerschlagen – daher der Begriff verlorene Form.
Lübbert arbeitet sowohl kleine Figuren und Schmuckstücke, aber auch größere Objekte. Er mag es, wenn sich Kunst selbst erklärt. Oder wenn sich Menschen Gedanken machen über das, was sie sehen. Oft dienen Sprüche als Grundlage für seine künstlerische Ausformung. Menschen und ihre Eigenschaften, dargestellt durch Skulpturen – zwei Figuren, die sich in den Haaren liegen. Lübbert plant seine Kunst nicht, ihm fällt etwas ein. Darauf hat er Lust und er macht es. Figuren der Zeitgeschichte – oft ein Geschenk für die Kunst. Der amerikanische Präsident beispielsweise. Ein Ideengeber. Es muss auch nicht immer Bronze sein. Für die größeren Arbeiten macht er es in Stahl. Und noch ein Beispiel: „Die Wahlkämpfer”. Fünf Figuren – dürr und abstrakt – halten sich fest. Ihre Köpfe sind ersetzt: „Mit einem Karton, der den Umzug von Tür zu Tür symbolisiert. Einem Schuh, der für den ständigen Fuß in der Tür steht. Einer Filtertüte für ewiges Labern, einem Trichter für wenig Hirn und einem Kronkorken: Prost.”
Bequeme Kunst geht anders. Doch wie sagte schon der österreichische Psychologe und Aphoristiker Gerald Dunkl: „Es war schon immer so und es wird auch immer so sein – ist die beliebteste Ausrede für die Bequemlichkeit, an den bestehenden Zuständen nichts ändern zu wollen.“

Autor:

Dr. Anja Pielorz aus Hattingen

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