Besinnliches: Gedanken zum Gedenken

„Ich habe keinen Ort, wo ich hingehen kann. Meine Mutter hat sich anonym beerdigen lassen.“
Sätze wie diese stimmen mich nachdenklich. Was mag das für ein Mensch gewesen sein, der im Tod lieber ungenannt bleiben möchte? Vor allem aber bedaure ich die Angehörigen, die zurückbleiben: Ihre Erinnerung an das Leben mit dem Verstorbenen hat nie wieder einen Ort, an dem sie sich bündeln kann. Doch genau danach sehnen sich die allermeisten, die weiterleben. Manche erst nach Jahren, aber irgendwann gewiss. Die Grabstätte auf dem Friedhof kann diese Sehnsucht stillen. Sie ist tatsächlich des Verstorbenen letzte Ruhestätte – zumeist in Stein gemeißelt. Dorthin kann ich noch Jahre später kommen, um mich zu erinnern.
In der Gemeinde St. Peter und Paul gibt es noch einen anderen Brauch: Jeden Donnerstag schlagen wir abends im Gottesdienst unser Totenbuch auf. Darin sind die Namen aller verstorbenen Gemeindemitglieder aufgeschrieben. Drei Jahre lang beten wir in besonderer Weise für sie, indem wir ihre Namen am Donnerstag der Woche nennen, in der sie verstorben sind. Außerdem zünden wir auf dem Altar eine Kerze für sie an. So bringen wir unsere Hoffnung zum Ausdruck, dass das Lebenslicht unserer Toten nun in Gottes Ewigkeit erstrahlt. Schließlich ergänzen wir die Verstorbenen der jeweils letzten Woche. Deren Angehörige sind eingeladen, den Namen eigenhändig ins Totenbuch einzutragen und gleichfalls eine Kerze zu entzünden.
Den Menschen, die trauern, tut diese Form des Abschieds und der Erinnerung gut. Das spüre ich deutlich, wenn ich selbst diesem Totengedenken vorstehe. Manche tragen zum Beispiel den Namen in einer besonderen Schrift in das Buch ein. Damit machen sie deutlich, wie kostbar ihnen der Mensch ist, um den sie trauern. Andere sind außerstande, den Namen ihres verstorbenen Angehörigen selbst einzutragen. Dennoch sind sie dankbar dafür, dass der Name gleichwohl aufgeschrieben wird. Denn damit haben sie die Gewissheit, dass die Angehörige nicht vergessen wird. Ihr Name bleibt im Buch verzeichnet, auch dann, wenn er nicht mehr laut verlesen wird.

Eine gesegnete neue
Woche wünscht Ihnen
Sven Christer Scholven
Kaplan, St. Peter und
Paul, Hattingen

Autor:

Dr. Anja Pielorz aus Hattingen

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