Elterntreff: Schulfähig - aber wie?

Früher glaubte man, man müsse nur abwarten, bis biologische Vorgänge dazu führten, dass ein Kind reif für die Schule sei. Daher stammt der im vorigen Jahrhundert weit verbreitete Begriff der „Schulreife“. Allerdings zeigten Untersuchungen sehr bald, dass Umwelteinflüsse, wie z.B. die Lernmöglichkeiten in Familien und in Kindertageseinrichtungen viel wichtiger für die Erlangung der Kompetenzen sind, die Kinder brauchen, um den Schulalltag erfolgreich zu bewältigen. Heute spricht man von „Schulfähigkeit“. Doch was ist dafür wichtig? Antworten auf diese Frage versuchen Silvia Mahle, Leiterin des Ev. Familienzentrums Arche Noah Welper/Blankenstein und Susanne Keßler vom I.D.L. (Institut für Diagnostik und Lerntraining) zu geben.

„Schulfähig bedeutet nicht, in allen Dingen schon schulfähig zu sein, sondern es zu werden“, erklärt Silvia Mahle. Zu den Anforderungen, die mit „Schulfähigkeit“ im Allgemeinen verknüpft werden, gehören kognitive Leistungen, soziale Kompetenzen so wie die Kompetenzen der Arbeitshaltung und Motivation, aber auch die körperliche Verfassung ist wichtig. Ale diese Dinge trainieren Kinder vor allem im Spiel. „Spiel ist quasi der Beruf des Kindes“, so Mahle und den üben Kinder viele Stunden am Tag und genau das sollen sie auch tun. „Spielen ist ein Grundbedürfnis von Kindern und für die kindliche Entwicklung so wichtig wie Schlafen, Essen und Trinken. Und das gilt für jedes Kind gleichermaßen, unabhängig von Kultur und Herkunft und davon, ob es eine Behinderung hat: Im Spiel sammelt es grundlegende Erfahrungen, erlebt Gefühle wie Stolz, Enttäuschung, Freude und Wut. Spielen ist der natürliche Weg eines jeden Kindes, sich mit der Welt vertraut zu machen, sie zu begreifen und auf sie einzuwirken. Spielen ist der kindliche Zugang zur Welt“, sagt Silvia Mahle. Das Gehirn des Kindes ist bei der Geburt noch nicht vollständig ausgereift. Vor allem während der ersten Lebensjahre bilden sich wichtige Nervenverbindungen erst noch aus, indem das Gehirn beispielsweise lernt, die über Augen oder Ohren gelieferten Informationen zu verarbeiten. Außerdem erfinden Kinder im Spiel immer wieder neue Arten sich zu bewegen. Auf spielerische Weise werden so Herz und Kreislauf, die Atmungsorgane und Muskeln trainiert, Knochen und Gelenke festigen sich. Zudem trägt ausreichend Bewegung dazu bei, langfristig Übergewicht zu verhindern. Spielen und Bewegung – insbesondere an frischer Luft – sorgen außerdem für gesunden Appetit und tiefen Schlaf. Deshalb: Viel nach draußen gehen – toben, rennen, klettern und balancieren lässt es sich ohnehin draußen am besten!

Spiel ist für die kindliche Entwicklung wichtig

Im Spiel erkennt und erlebt das Kind auch sich selbst: wie es sich im Spiel darstellen kann, welche Ideen es verwirklichen und welche Gefühle es erleben kann. Es erkennt seine wachsenden Fähigkeiten, entwickelt Stolz und Selbstvertrauen und begreift seine Grenzen: Nicht alles gelingt, und oftmals braucht es noch Hilfe. Im Spiel werden Beziehungen aufgebaut und erhalten. Man denke dabei nur an die beliebten Rollenspiele – Kinder spielen Mama, Papa, Kind – was willst Du heute sein? Oder das Spiel mit Bausteinen? „Es regt die Phantasie an. Man kann Bausteine nach Form und Farbe sortieren und das trainiert beispielsweise auch Farben und Zahlen. Spiel unterstützt die Selbstfindungspotentiale.“ Spielen unterstützt auch die Neugierde beim Kind – und die wiederum ist wichtig auf dem Weg, Neues zu entdecken. „Deshalb ist es wichtig zu schauen, was ich selbst meinem Kind zeige und wo ich seine Neugierde unterstützen kann. Ich darf auch nicht zu viel an eigenen Erfahrungen wegnehmen“, sagt die Expertin.
Man kann sich das gut merken, wenn man sich einmal überlegt, welche Fähigkeiten bei einem Diktat eine Rolle spielen: Da muss ein Kind die Stimme des Lehrers herausfiltern und die Störgeräusche ignorieren. Der diktierte Satz muss behalten werden. Ähnlich klingende Laute müssen auseinander gehalten werden und diese Laute müssen überdies zu Buchstaben geformt werden. Nicht alles schreibt sich so, wie es sich anhört! Auch ähnliche Buchstaben müssen auseinander gehalten werden – zum Beispiel ein „m“ oder ein „n“. Ziemlich viel für ein Kind, welches gerade in die Schule gekommen ist!
Um darauf gut vorbereitet zu sein, muss ein Kind Zeit zum Spielen haben. Hinzu kommt: „Auf einmal in einer Klasse mit vielen Gleichaltrigen zu sitzen, ist eine neue Situation für das Kind. Aber auch der Lehrer muss zunächst einmal die unterschiedlichen Rahmenbedingungen der Kinder kennenlernen. Sie mögen zwar alle in etwa das gleiche Alter haben, haben aber verschiedene Rahmenbedingungen in den ersten Lebensjahren erlebt. Zu Beginn möchten alle Kinder etwas lernen. Bleiben aber die Erfolgserlebnisse aus, dann schwindet auch ihre Motivation“, so Susanne Keßler.
Deshalb sollten Eltern vor allem eines tun: Den Nachwuchs beim Lernen spielerisch unterstützen und dafür bietet der Alltag eine Fülle von Möglichkeiten. Man kann zum Beispiel auf der Straße die blaue Autos zählen, Hausnummern suchen und nach Höhe bestimmen – viele Spiele stehen nicht in einem unmittelbaren Zusammenhang mit materiellen Dingen.
Zur Entwicklung einer positiven Einstellung zu „Arbeit und Leistung“ ist aber auch eine positive Beziehung zum Erwachsenen notwendig mit Zuwendung und Gefühlen des Akzeptiertwerdens. Kinder lernen zwar durch ihre angeborene Neugierde, brauchen aber auch den Erwachsenen, der bei dieser Entwicklung hilft und Bestätigung gibt.
Kontakt: Institut für Diagnostik und Lerntraining, Bahnhofstraße 25, 45525 Hattingen; Telefon 02324/21315; E-Mail hattingen@idlweb.de

Autor:

Dr. Anja Pielorz aus Hattingen

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