Lese-Rechtschreib-Schwäche: Das ferd had vier beiner

Dagmar Gdanitz ist Expertin für Lese-Rechtschreibschwäche und Dyskalkulie. Foto: Römer
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Das Pferd mit den vier Beinen ist auch Inhalt eines Songtextes von Fredl Fesl, doch mindestens genauso oft wird es als Beispiel bei der Lese-Rechtschreibschwäche (LRS) genutzt. Und so war es auch der Einstieg in den Elternabend der Reihe „Hattingen hat interessierte Eltern“, bei dem es um dieses Thema ging. Und es folgen noch weitere Termine

Referentin des Abends war Dagmar Gdanitz, die seit vielen Jahren in der Lerntherapie arbeitet. Sie sagt: „LRS-Kinder, die mit der Lerntherapie begleitet werden, werden nicht ohne Fehler schreiben oder lesen, aber sie werden es alltagstauglich hinbekommen. Das kann je nach Fall allerdings eine zwei- oder dreijährige Begleitung bedeuten. Wichtig ist aber: Eine LRS hat nichts mit der Intelligenz des Kindes zu tun.“
Das glaubte man nämlich früher. 1877 kreierte man den Begriff „Wortblindheit“ und man glaubte an die Rückständigkeit der geistigen Entwicklung. Bis zu den siebziger Jahren hieß LRS noch „Legasthenie“. Erst dann setzte ein Umdenken ein, verbunden mit der Erkenntnis, jedes betroffene Kind müsse die Chance auf eine individuelle Förderung haben.

LRS hat nichts mit Intelligenz zu tun

Heute werden viele Kinder nach der ersten Schulklasse auf LRS getestet. Dies kann bei Erziehungsberatungsstellen geschehen, aber auch einige Ärzte und Institute tun dies. Steht das Ergebnis fest, kann man gezielt fördern.
Dagmar Gdanitz: „Was nicht im Mittelpunkt stehen darf, ich aber immer wieder höre: Das wächst sich aus. Das ist nicht richtig. Natürlich hat jedes Kind sein individuelles Tempo und gerade Frühchen brauchen für die Dinge auch mal etwas länger, aber man darf die Zeit trotzdem nicht aus den Augen verlieren. Wenn das Kind nach dem Ende der ersten Klasse noch „farat“ (Fahrrad) schreibt, dann sollte man sich Gedanken machen.“
Um überhaupt Schriftsprache erlernen zu können, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein: Ein Kind muss Sprechen und Zuhören können. Es muss motiviert werden zum Malen, Basteln, Kritzeln. Es muss Laute unterscheiden lernen und auch erkennen, dass diese Laute unterschiedlich aussehen. Fehlen diese Voraussetzungen, dann kann es zu Problemen beim Schreiben kommen.
Zunächst schreibt ein Kind, wie es hört: farat, fahrat, fahrad, fahrrad – so kann man sich eine Entwicklung vorstellen. Und man kann helfen, wenn es hier zu Störungen kommt.
„Wenn ein Kind beispielsweise Zeichen nicht zusammenführen kann, kann man die Wortgrenzen nicht erkennen. Zur Abhilfe könnte man mit dem Kind so lernen, dass es für jedes einzelne Wort jeweils die Farbe des Stiftes wechselt“, so Gdanitz. „Oft macht es auch Sinn, mit spielerischen Übungen anzufangen. Ein Kind muss verstehen, dass Schreiben nicht nur etwas mit den Hausaufgaben der Schule zu tun hat, sondern eine Kulturtechnik für sich selbst und sein Leben ist. Um den Spaß daran zu wecken, gibt es viele Möglichkeiten, die immer auch das soziale Umfeld des Kindes einbeziehen müssen. Eltern und Schule haben hier wichtige Aufgaben. Ohne sie geht es nicht.“
Nicht weniger wichtig ist es, wenn Defizite festgestellt werden beim Lesen und Schreiben, vorher auch das Sehen und Hören testen zu lassen. Denn auch das hat Dagmar Gdanitz in ihrer langjährigen Praxis schon erlebt: „Probleme mit Augen oder Hören können auch ein Grund sein. Da muss nicht unbedingt LRS vorliegen.“
Wenn aber doch, dann gibt es Hilfe, damit das Kind später nicht Wörter schreibt wie „Gerischsfarhantlung“ (Gerichtsverhandlung).

Es gibt zwei weitere Veranstaltungen zu diesem Thema

:
Welche spielerischen Möglichkeiten es gibt, Kindern beim Erlernen der deutschen Schriftsprache zu helfen, wird am Dienstag, 28. April, 19 Uhr, in der Stadtbibliothek im Reschop-Carré gezeigt. Dagmar Gdanitz präsentiert dort höchst praktisch und zum Ausprobieren für Eltern und Interessierte, wie das geht. Teilnehmerbegrenzung! Eintritt frei, aber Voranmeldung bei der Volkshochschule oder in der Stadtbibliothek.

Außerdem gibt es einen Vhs-Elterntreff zur „Dyskalkulie - Hilfe, mein Kind kann nicht rechnen!“
Wenn ein Tornister so schwer wie ein LKW und eine Giraffe durch die Wohnzimmertür passt, dann ist es Zeit, hellhörig zu werden und zu erkunden, wie Kinder zu diesen Schlussfolgerungen kommen und warum!
Dagmar Gdanitz beantwortet diese Fragen an zwei Abenden, jeweils am Dienstag, 5. und 19. Mai, 19 bis 20.30 Uhr, Vhs-Räume, Lessingstraße 10, Seminarraum. Die Kosten für diese zwei Abende betragen zehn Euro.
Anmeldung bei der Volkshochschule, Telefon 02324/2042335.

Autor:

Dr. Anja Pielorz aus Hattingen

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