Ungelöste Rätsel des Alltags #1: Illeismus

Foto: /Grafik: Nevit Dilmen, Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported
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Neulich sah ich einen alten Winnetou Film (für die Kids von heute: Winnetou ist ein fiktiver Indianer, der Häuptling der Apachen in den Romanen von Karl May). Und in dem Film sprach Winnetou stets von sich selbst in der dritten Person: „Winnetou konnte es nicht glauben.“ (Der Ölprinz, 1965)
Dies wird als Illeismus bezeichnet.
Das mutete komisch an, ich musste lachen. Und beim nächsten Besuch in meiner Stammkneipe begrüßte ich den Wirt mit „Erich begrüßt seinen weißen Bruder“.
In der Literatur taucht Illeismus öfter auf, so schrieb Julius Caesar seinen Commentarii de Bello Gallico ganz in der dritten Person.
„Caesar schaut in das Auge Gottes, und Gott blinzelt.“
Und auch Tarzan sprach derart, er war von Affen großgezogen worden.

Ich selbst habe aber noch niemanden getroffen, der sich derartig ausdrückt.
Manche kleine Kinder haben eine vorübergehende Phase, in der sie das tun, m.E. eine Art Lernprozess, sich in ein Geflecht sozialer Beziehungen einzuordnen, sich selbst langsam als Subjekt und Objekt zu identifizieren. (Daher tut es Elmo in der Sesamstraße.)
Nebenbei: Es macht keinen Sinn, wenn Erwachsene das kopieren, ich hörte mal einen Arzt zu seinem Sohn sagen „Henry muss jetzt nach Hause gehen“. Das kann als Verstärkung des Illeismus wirken, dem Kind nützt es nicht.

Doch es gibt diese erwachsenen Leute, die damit aufgefallen sind, etwa der ehemalige US Präsidentschaftskandidat Bob Dole und Salvador Dali ebenso wie die Fußball Ikone Pelé und diverse andere prominente Leute.
Ab und zu mal, das mag als stilistischer Gag noch durchgehen, aber oft, oder -wie Winnetou in den Filmen- immer?
Was genau soll das bezwecken?
Keiner in der Psychologie scheint es zu wissen.

Ist es der Ausdruck eines gigantischen Egos? Ist es ein psychisches Problem oder ein Symptom eines solchen?
Illeismus wird nicht im DSM (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders), dem Nachschlagewerk amerikanischer Psychiater, erwähnt.
Auch nicht im in Europa gebräuchlichen ICD (International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems).

Ist es ein Mittel, um seine narzisstische Persönlichkeit noch größer erscheinen zu lassen?
Soll es anderen helfen, den Namen besser zu erinnern?
Ist jemand da in einer kindlichen Entwicklungsstufe steckengeblieben?
Piaget (ein Entwicklungspsychologe) sagt dazu nichts.

Also: Wir wissen es nicht, wir wissen mit Illeismus nichts anzufangen. Das Rätsel bleibt ungelöst.

Erich muss jetzt den Artikel beenden, Erich dankt allen, die bis hierher gelesen haben.

Autor:

Ulrich Jean Marré, M.A. aus Essen-Ruhr

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