Besinnliches von Ludwig Nelles: "Das Kreuz am Straßenrand"

Ludwig Nelles, Pfarrer der Ev. Kirchengemeinde St. Georg in Holthausen
  • Ludwig Nelles, Pfarrer der Ev. Kirchengemeinde St. Georg in Holthausen
  • hochgeladen von Dr. Anja Pielorz

Ein Kreuz am Straßenrand. Davor ein Strauß Blumen, eine kleine Kerze. Tausendmal bin ich daran schon vorbeigefahren, oben an der Kreuzung zum Salzweg in Holthausen. Jetzt nehme ich unwillkürlich den Fuß vom Gas.
Einen Augenblick denke ich daran, was hier passiert ist, obwohl ich längst vorbei bin. Ein Ort ist gekennzeichnet, an ein schreckliches Ereignis wird erinnert — mit einem Kreuz. Bei diesem Zeichen weiß jeder, was hier los war.
Warum ein Kreuz? Es könnte doch auch ein Stein, ein Pfahl, ein Schild sein, auf dem Name und Datum stehen. Ist es aber nicht, jedenfalls fast nie. Das Kreuz sagt noch etwas anderes. Es stellt einen Zusammenhang her, den wir uns selbst nicht geben können. Was wir nicht erkennen und sagen können, wird hier symbolisiert: Das ausgelöschte Leben ist nicht einfach ins Nichts gefallen, ist nicht einfach verschwunden. Name, Zeit und Ort behalten Bedeutung, bei den Menschen und bei Gott.
Denn das Kreuz erinnert zuerst an Jesus, einen Menschen, dessen Name, dessen Leben, dessen Zeit mit uns, dessen Ort unter uns Bedeutung behalten hat. Er lebt, obwohl er einen schrecklichen, unerklärlichen, unschuldigen Tod gestorben ist. Da war soviel Hoffnung. Er starb einen Hinrichtungstod am Kreuz. Sein Name jedoch, sein Leben, seine Botschaft bleiben in Kraft, bleiben gültig, trotz des Kreuzes, das für ihn in die Erde gerammt wurde.
So wurde das Kreuz zu einem Symbol des Lebens. Er ist auferstanden. Er ist wahrhaftig auferstanden. Davon hören wir Ostern, und das begleitet uns weiter, mitten ins Jahr, mitten ins Leben.
Ich weiß nicht, ob den Angehörigen, die jenes Kreuz an den Straßenrand in Holthausen gestellt haben, das alles bewusst ist. Ich weiß nicht, ob sie das Kreuz so verstehen wie ich. Müssen sie auch nicht. Das Kreuz spricht für sie und für sich selbst.
Gut, dass wir solche Zeichen haben. Sie erinnern daran, dass Gott bei allen ist, die leiden müssen und die trauern. Er ist bei allen, die den Tod vor Augen haben. Und er ist bei allen, die gestorben sind. So wie bei dem Menschen, an dessen Erinnerungskreuz ich gerade vorbei gefahren bin.
Gut, dass es diese Kreuze gibt, denke ich. Sie erzählen uns vom Tod mitten im Leben und gleichzeitig verkündigen sie das Leben mitten im Tod.

Autor:

Dr. Anja Pielorz aus Hattingen

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