Ingmar Otto: Zum Arbeiten nach Hause, das ist einfach nur schön

Bei seinem Besuch in der STADTSPIEGEL-Redaktion erzählte der Hattinger Regisseur Ingmar Otto sehr engagiert über das Projekt „Carmina Burana, das Mitte Juni im LWL-Industriemuseum Henrichshütte dreimal aufgeführt wird. Fotos (3): Römer
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  • Bei seinem Besuch in der STADTSPIEGEL-Redaktion erzählte der Hattinger Regisseur Ingmar Otto sehr engagiert über das Projekt „Carmina Burana, das Mitte Juni im LWL-Industriemuseum Henrichshütte dreimal aufgeführt wird. Fotos (3): Römer
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Ingmar Otto ist Hattinger. Aufgewachsen in der Bruchstraße. 2000 Abi­tur am Gymnasium Holthausen. Danach führten ihn mehrere Stationen bis nach Karlsruhe. Dort ist der 31jährige designierter Intendant des Kammertheaters. Bis zum Sommer kommt er häufiger zurück nach Hattingen. Hier inszeniert der inzwischen renommierte Theatermann Carl Orffs „Carmina Burana“.

Momentan laufen die Proben für das kolossale Werk. Dafür pendelt er regelmäßig zwischen Heimat und Wahl-Heimat – per Nachtzug. Seit dem 20. April allerdings ist das vorbei. Ab da gibt es für ihn nur noch „die Carmina“.
„Ich komme zum Arbeiten wieder nach Hause, das finde ich zunächst einmal einfach nur schön. Für mich ist die Arbeit mit 80 Orchestermusikern, 280 Sängern, 50 Darstellern, 23 geistig behinderten Schülern der Wittener Kämpenschule plus Tanzgruppe sehr reizvoll und aufregend“, sagt Ingmar Otto im Gespräch mit dem STADTSPIEGEL. „Das sind Dimensionen, die an einem Theater nicht möglich sind.“
Dass es sich in der Hauptsache um Laien handelt, nur die drei Hauptpersonen sind Profis, ist Ingmar Otto nicht neu: „Das habe ich schon in Karlsruhe gemacht, mit Laien gearbeitet. Die Laien selbst – Schüler, Hausfrauen und Rentner im Alter von elf bis 73 Jahren – sind zu bewundern, die investieren sehr viel Arbeit in die Aufführung. Teilweise wird vier- bis fünfmal in der Woche geprobt. Dazu gehen wir in die Aula der Gesamtschule Hattingen in Welper. Die Bühne dort ist die einzige in Hattingen, die wenigstens einigermaßen an die Maße unseres eigentlichen Auftrittsortes am Hochofen der Henrichshütte herankommt.“
„Ur-Ideen“ für die Aufführung der „Carmina Burana“ stammten bereits aus dem Jahr 2001, verrät der Regisseur. Das sei aber schon lange vor den jetzigen strengen Sicherheitsbestimmungen nach dem Love-Parade-Unglück allen damals und teilweise auch heute wieder Beteiligten für den angedachten Kirchplatz „zu heiß“ gewesen. Daher seien die Pläne auf Eis gelegt worden – bis jetzt.
Er selbst beschäftigt sich seit rund einem Jahr wieder intensiv mit der „Carmina Burana“, das Organisationsteam sogar noch ein Jahr länger. Wolf Dieter Schäfer und Patric Albrecht haben mit einem Dutzend Gleichgesinnten hierfür den Verein „commedia musicale hattingen e.V.“ gegründet, der als Veranstalter und Träger des Projekts fungiert. Prof. Thomas Schlerka übernimmt das Dirigat und die musikalische Leitung, die „Rhein-Ruhr-Philharmonie“ den instrumentalen Part.
Lehrer Wolf Dieter Schäfer und Patric Albrecht hat Ing­mar Otto am Gymnasium Holthausen kennengelernt durch die dortige Theater AG, die er während der Schulzeit gemeinsam mit Katharina Tillmanns leitete. Herausgebracht haben sie dort die noch heute in allerbester Erinnerung befindlichen Inszenierungen der Musicals „Der Blaue Planet“ und „Linie 1“.
Wegen der Freude, die damals die Arbeit rund um die Theater AG bestimmte, wollte Ingmar Otto eigentlich Schauspieler werden. Am liebsten schon vor dem Abitur. Doch zum Glück konnte ihn eine Lehrerin umstimmen. Denn letztlich, so sagt er heute mit einem leichten Schmunzeln im Gesicht, habe sich die Schauspielerei für ihn als „Irrglaube“ herausgestellt. Sein wahres Talent liege in der Regie.
Er arbeitete zunächst als Regie-Assistent, machte Praktika am Schauspiel Essen. „Ich hatte einfach viel Glück auf meinem Weg“, gesteht er heute. 2001 fing er in Essen an, schrieb das Stück „Tapetenwechsel“ für das bekannte Grillo-Theater und durfte es auch inszenieren. Das lief sehr erfolgreich und er wurde Dramaturg in Essen.
Ingmar Otto: „2005 wechselte der Intendant und ich bekam ein Angebot, in Aalen als Dramaturg und Regisseur zu arbeiten. Das Stadttheater ist spezialisiert auf zeitgenössisches Theater. Nach fünf Jahren dort wollte ich eigentlich freiberuflich arbeiten. Meine erste Station war dann aber Karlsruhe. Hier bin ich bereits nach drei Monaten hängengeblieben als Hausregisseur. Ab September werde ich dort außerdem Intendant. Das ist schon speziell, dass man so früh das Vertrauen für eine Leitungsposition bekommt. Im Rahmen dieses Vertrages darf ich nebenbei auch Gastproduktionen machen. Eine solche ist jetzt die ,Carmina Burana‘ in Hattingen. Hierher bin ich sowieso häufig wegen meiner Eltern gekommen und außerdem habe ich immer über all die Jahre Kontakt zu Wolf Dieter Schäfer gehalten, mit dem ich ja auch 2009 ,Anatevka‘ zusammen gemacht habe. Und jetzt alles noch eine Nummer größer mit der ,Carmina‘.“
Der besondere Reiz liegt bei der Umsetzung der szenischen Kantate für den Regisseur darin, „wie man ohne Worte Situationen wiedergeben kann“.
Zur Erinnerung: Die „Carmina Burana“ mit der Musik von Carl Orff hat Texte in Latein und Mittelhochdeutsch, die niemand, nicht einmal mit „Großem Latinum“ wie der Regisseur, auf Anhieb verstehen dürfte.
Die Handlung selbst wird in der Hattinger Inszenierung aus dem Mittelalter in die Jetzt-Zeit übertragen. Wegen der Industriekulisse als Hintergrund werden die Szenen von den (Wieder-)Anfängen der Stahl-Industrie bis zu ihrem Niedergang spielen.
Wie das sein wird, erläutert Regisseur Ingmar Otto so: „Den Frühling des ersten Teils ersetzen wir durch die Nachkriegszeit, als die Männer ,in der Stunde null‘ zu ihren Familien zurückkehren. Wie der Alltag allmählich wieder einkehrt und die schlimmen Erlebnisse in den Hintergrund rücken. Das ist sehr rührend dargestellt. Es folgt der Bereich Arbeit mit dem ersten Hochofen-Abstich auf der Bühne, geht weiter mit den 50er Jahren, als die Jeans-Hosen aufkamen. Dabei werden sich junge Mädchen hübsch machen für die Männer. Anschließend befinden wir uns in den 60er Jahren mit Friedensbewegung und freier Liebe. Mal sehen, wie das darzustellen ist.
Dann kommt mit dem Hüttenkampf ein ernsteres Thema. Dabei verspeisen gekündigte Hüttenarbeiter im Traum den Aufsichtsrat, denn die Hüttenschließung ist nicht zu umgehen. Im letzten Teil beschäftigen wir uns mit den 90ern, mit Liebesliedern. Es geht beispielsweise darum, dass ein Raver-Mädchen mit dem Alter bürgerlich wird mit Reihenhaus und zwei Kindern in einer Neubau-Siedlung, den daraus entstehenden Problemen, Scheidung und Patchwork-Familien.“
Die Inszenierung, verspricht Ingmar Otto, werde „mitreißend und opulent“ mit Spielszenen, die aus heutiger Sicht den Zuschauern „sehr nahe“ sein werden: „Die vielen Naturbeschreibungen der ,Carmina Burana‘ werden wir aufbrechen. Dafür werden wir viele Akrobaten haben, Par­kour-Sportler und auch Männer, die sich funkenfliegend mit einer Flex bearbeiten.“
Er freut sich sehr auf die Hauptproben mit allen Akteuren, die zehn Tage vor der Premiere beginnen und alle einzelnen „Module“ miteinander verknüpfen werden.
„O Fortuna“, das wohl durch verschiedene Werbespots bekannteste Lied aus der „Carmina Burana“, wird bei drei Aufführungen (15., 16. und 17. Juni, jeweils ab 21 Uhr) erklingen. Karten für die bereits jetzt sehr gut im Kartenvorverkauf laufenden Aufführungen gibt es unter anderem im Ruhrpress-Reisebüro und Restkarten möglicherweise noch an den Abendkassen. Weitere Infos auch über Vorverkaufsstellen unter www.carmina 2012.de oder per E-mal unter infocarmina 2012.de
Schon jetzt weiß Ingmar Otto: „Es wird eine tolle Kulisse für Beteiligte und Zuschauer gleichermaßen. Denn vor 1.000 Leuten zu spielen, das hat man ja auch nicht alle Tage.“

Autor:

Roland Römer aus Hattingen

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