Junge Hattingerin will und kommt ins Gefängnis

Man hätte fast einen guten Eindruck von einer 20 Jahre alten Hattingerin gehabt. Sie war heute vor dem Jugendschöffengericht aufgeschlossen, geständig, schien einsichtig zu sein und wollte sich auch von ihrem Freundeskreis trennen. Das Gericht entsprach ihrem Wunsch und schickt sie wegen Hausfriedensbruch, Sachbeschädigung und Körperverletzung für 15 Monate in´s Jugendgefängnis. In diesem Strafmaß ist eine vorherige Jugendstrafe von 12 Monaten allerdings bereits enthalten. Unmittelbar nach der Gerichtsverhandlung wurden Passanten schon wieder auf die Angeklagte aufmerksam, als sie mit „ihren Bekannten“ auf der Mauer vor einem Kaufhaus an der Großen Weilstraße lautstark auffällig wurden.

Alkohol, Drogen, keine Fürsorge in der Kindheit, keinen Schulabschluss und keine Ausbildung sind wahrlich keine gute Grundlage für ein zufriedenstellendes Leben. Die bereits fünf Mal vorbestrafte Angeklagte gestand direkt zu Beginn der Jugendschöffengerichtsverhandlung nicht nur alle sieben Anklagevorwürfe, sie räumte auch noch weitere Vergehen ein, die dem Gericht noch nicht bekannt waren.

Sie war, obwohl sie dort Hausverbot hatte, zigmal zu Besuch bei ihrem Bekannten in der Gemeinschaftsunterkunft auf der Werksstraße. Immer wieder verstieß sie alkoholisiert und manchmal auch unter Drogen nicht nur gegen das bestehende Hausverbot, sie verwüstete bei einem Besuch auch das Zimmer ihres Bekannten, riss ein Waschbecken runter, zerstörte eine Fensterscheibe, trat eine Türe ein und schlug auch unvermittelt an einer Bushaltestelle auf der Werksstraße auf einen Unbeteiligten ein. Der Sachschaden beträgt über 2.000 Euro.

Hattingerin möchte in´s Gefängnis
Selbst als sie aus dem Polizeigewahrsam entlassen wurde, soll sie schnurstracks trotz Hausverbot wieder zu der Gemeinschaftsunterkunft gegangen sein und wurde prompt wieder angezeigt. „Die Polizei kennt mich schon seit 14 Jahren“, alleine bekomme ich meine Probleme nicht in den Griff“, sagte die Hattingerin.

„Meine Mandantin war in allen Fällen nicht nüchtern“, ergänzte Strafverteidiger Dr. Gregor Hanisch die Einlassungen der Angeklagten. Diese bat Richter Dr. Lucks um Verhängung einer Freiheitsstrafe ohne Bewährung, denn nur über einen Gefängnisaufenthalt mit Entgiftung, Entzug, Traumatherapie und entsprechender Behandlung verspricht sich die Hattingerin überhaupt Chancen, in einer anderen Stadt ein neues, besseres Leben beginnen zu können. „Sonst schaffe ich das nicht“, sagte die Angeklagte.
Thomas Behr von der Jugendgerichtshilfe plädierte aufgrund der erkannten Reifeverzögerung auf die Anwendung des Jugendstrafrechts für die 20 Jahre alte Hattingerin. Gleichzeitig empfahl er dieser, ihre „sozialen Kontakte“ zu wechseln. Staatsanwältin Susanne Schleiwies plädierte für die 7 Anklagen auf eine neue Einheitsjugendstrafe von 18 Monaten, bezog in dieses Strafmaß allerdings ein bereits rechtskräftiges Urteil von 12 Monaten mit ein.

Strafverteidiger Dr. Hanisch überzeugte Jugendschöffengericht
Strafverteidiger Dr. Gregor Hanisch überzeugte das Jugendschöffengericht dann, dass unter Berücksichtigung der verminderten Schuldfähigkeit seiner Mandantin bei den angeklagten Taten erneute 6 Monate Freiheitsentzug für die Tatschuld zu hoch sind.
Davon war das Schöffengericht nach längerer Beratung dann auch überzeugt und verhängte eine neue Einheitsjugend-Gesamtstrafe von 15 Monaten gegen die Hattingerin. Gelingt es jetzt der Angeklagten mit Hilfe ihres Verteidigers, in kurzer Zeit die Kostenzusage und einen entsprechenden stationären Therapieplatz zu erhalten, muss sie vorerst nicht in´s Gefängnis, denn in diesem Fall gilt Therapie vor Strafe.

Hohe Kosten für die Allgemeinheit
Wahrscheinlicher ist jedoch, dass die Hattingerin innerhalb von einigen Wochen ihre Freiheitsstrafe in einer Jugendstrafanstalt antreten muss und sie von dort aus erst einen entsprechenden Therapieplatz zugewiesen bekommt. Das Urteil wurde noch im Gerichtssaal rechtskräftig.

Bei einem kalkulierten Tagessatz von 130 Euro für die Unterbringung der Hattingerin in einer Haftanstalt entstehen dem Steuerzahler bei angenommenen 15 Monaten Kosten in Höhe von ca. 58.500 Euro für diese "Jugend-erzieherische" Maßnahme. Dazu kommen noch die Kosten für eine entsprechende Therapie. Die Kosten des Arbeitsaufwandes von Polizei, Staatsanwaltschaft und Gericht sind hierbei noch nicht berücksichtigt.

Erläuterung : Therapie vor Strafe
Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln (Betäubungsmittelgesetz - BtMG)
§ 35 Zurückstellung der Strafvollstreckung

(1) Ist jemand wegen einer Straftat zu einer Freiheitsstrafe von nicht mehr als zwei Jahren verurteilt worden und ergibt sich aus den Urteilsgründen oder steht sonst fest, daß er die Tat auf Grund einer Betäubungsmittelabhängigkeit begangen hat, so kann die Vollstreckungsbehörde mit Zustimmung des Gerichts des ersten Rechtszuges die Vollstreckung der Strafe, eines Strafrestes oder der Maßregel der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt für längstens zwei Jahre zurückstellen, wenn der Verurteilte sich wegen seiner Abhängigkeit in einer seiner Rehabilitation dienenden Behandlung befindet oder zusagt, sich einer solchen zu unterziehen, und deren Beginn gewährleistet ist. Als Behandlung gilt auch der Aufenthalt in einer staatlich anerkannten Einrichtung, die dazu dient, die Abhängigkeit zu beheben oder einer erneuten Abhängigkeit entgegenzuwirken.

Autor:

Hans-Georg Höffken aus Hattingen

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