Kaufland: mehr als nur eine Baustellenbesichtigung

Bis zu acht Meter tief werden Bohrpfähle aus Gründen der Statik in den Fels getrieben. Das ist es, was noch bis November viel Lärm verursachen wird. Unser Bild entstand im späteren Verkaufsraum im Erdgeschoss. alle Fotos: Biene
21Bilder
  • Bis zu acht Meter tief werden Bohrpfähle aus Gründen der Statik in den Fels getrieben. Das ist es, was noch bis November viel Lärm verursachen wird. Unser Bild entstand im späteren Verkaufsraum im Erdgeschoss. alle Fotos: Biene
  • hochgeladen von Roland Römer

Erst Karstadt, dann Hertie, jetzt Kaufland. Seit der Eröffnung von Karstadt am 19. Februar 1976 hat das Gebäude an der Großen Weilstraße 18-20 schon viel erlebt. Jetzt erlebt der Bau gerade seine Wiedergeburt – als Kaufland.

Seit Juni dieses Jahres ist die Baustelle allgegenwärtig. Weniger durch die Staubentwicklung in den Sommermonaten, denn so trocken war der im Schwinden begriffene Sommer in diesem Jahr ja nun auch nicht. In dieser Hinsicht – zum Glück.
Aber der Lärm. Der allerdings wird die Hattinger noch eine Weile begleiten. Was momentan da so einen Krach macht – dazu gleich.
Kaufland-Expansionsleiter Jürgen Zeidler, mit dem der STADTSPIEGEL exklusiv die Baustelle besichtigte: „Normalerweise rechnen wir bei einem Neubau mit zwölf Monaten Bauzeit bis zur Eröffnung. Aber dieses hier ist ein Projekt mit vielen Unwägbarkeiten. Selbstverständlich hatten wir im Vorfeld ein Gutachten in Auftrag gegeben. Aber bei so einem Projekt ist die Wahrscheinlichkeit, dass nichts Unvorhergesehenes geschieht, gleich null.“
Wegen des Grundwassers sei es relativ früh klar gewesen, dass die Kellerräume eigentlich nicht zu nutzen seien: „Das hatten wir bereits bei der Erstbegehung gesehen. Aber wir sind das Problem offensiv angegangen. Uns werden die Kellerräume als Sprinklerräume dienen, So haben wir kein Problem damit. Für die Technik nutzen wir die ehemaligen Werkstätten von Karstadt, die wie eine Spange über dem oberen Parkdeck liegen.“
Auch Architekt Hans Matthaei vom Architekturbüro Albrecht und Weisser aus Northeim bestätigt: „Die Statik des Gebäudes, die ist das eigentlich Spannende hier. Aber die bekommen wir natürlich in den Griff. Dabei sind wir gerade. Und später einmal werden problemlos Paletten für Zucker und Mehl in der zweiten Verkaufsetage gelagert werden können.“
Um dem über 35 Jahre alten Haus statisch mehr Festigkeit zu geben, sind Arbeiter des insgesamt 40köpfigen Teams im ehemaligen Karstadt-/Hertie-Lager und dem Verkaufsbereich im Erdgeschoss dabei, Bohrpfähle acht Meter tief in den Fels unter dem Gebäude zu treiben. 250 solcher Pfeiler werden angelegt, wie Projektleiter Klaus Reif von der Baufirma Klebl sagt: „Das ist das, was im Moment und wohl noch bis November so viel Lärm macht – neben den Arbeiten auf dem unteren der beiden Parkdecks. Aus Platzgründen können wir nur relativ kleine Geräte einsetzen. Um die Arbeiter und auch die Umwelt nicht zu sehr mit Staub zu belasten, arbeiten wir hier hauptsächlich mit Elektrogeräten. Außerdem bleibt die Gebäudehülle unversehrt, es gibt nur eine kleine durchgängige Belüftung, so dass die Arbeiter nicht unter Atemschutz arbeiten müssen.“
Krach geben wird es sicherlich auch noch einmal bis voraussichtlich Dezember, wenn in Richtung Busbahnhof die Anlieferzone abgerissen werden wird. Jürgen Zeidler: „Unsere Lastzüge, die uns täglich frisch beliefern werden, passen hier nicht hin. Sie sind einfach zu groß.“
Erinnern Sie sich noch, wo die zwei Karstadt-/Hertie-Aufzüge waren? Vergessen Sie‘s! Statt der beiden wird es hier künftig eine Viergruppe an Aufzügen geben. Um die zweite Verkaufsebene zu erreichen, wird zudem ein Paar Rollsteige installiert, auf denen künftig die Einkaufswagen mitgeführt werden können.
Übrigens: Um die alte Rolltreppe weg zu bekommen, musste sie in drei Teile zersägt und abtransportiert werden. Die neue Rollsteige kommen auch als „Dreiteiler“ herein.
Überhaupt stellt sich das, was in einem Privathaus normalerweise „keine große Sache“ ist, im Haus an der Großen Weilstraße als großes Problem mit entsprechendem Aufwand dar. Wenn eine Leitung „mal eben“ neu verlegt werden muss oder ein kleiner Abwasserkanal, dann geht es gleich mit schwerem Gerät zur Sache, um den Beton aufzubrechen.
Während eines der beiden Parkdecks mittlerweile so aussieht, als ob dort schon geparkt werden könne, wartet ganz oben noch einiges an Arbeit. Beispielsweise muss wegen der neuen Aufzugsgruppe der alte Eingangsbereich vom Parkdeck aus abgerissen werden. Er wird neu gemacht. Und dorthin, wo jetzt noch auf dem Oberdeck die Container beispielsweise für die Büros stehen, kommt bald schon anderes. Hier entsteht nämlich zusätzliche Parkfläche, so dass beide Park­ebenen – anders als früher – künftig nahezu gleich groß sein werden. Dadurch stehen in Zukunft rund 270 Pkw-Abstellplätze zur Verfügung.
Kleiner Wermutstropfen: „An den Wochenenden wird das Parkhaus nicht geöffnet sein“, so Jürgen Zeidler. „Das ist aber auch nicht so tragisch, da Kaufland Hattingen ja von montags bis samstags von 7 bis 22 Uhr geöffnet haben wird. Mit der Stadt haben wir zudem vereinbart, dass bei Großveranstaltungen in der Innenstadt wie Altstadtfest oder Weihnachtsmarkt eine Nutzung möglich sein wird. Da sorgen wir für einen entsprechenden Zu- und Ausgang.“
Ein ganz neues Gesicht wird die Parkhaus-Spindel erhalten, wie Hans Matthaei beschreibt: „Das wird für uns ziemlich anspruchsvoll. Die Spindel wird zunächst abgeschottet und dann ganz neu aufgelegt. Sie wird komplett überdacht und die Überdachung im besonderen Kaufland-Rot gestrichen. Das Blau an der Spindel heute verschwindet völlig. Stattdessen kommt hier eine neue ,Außenhaut‘ aus einem Edelstahlgewebe hin und ein Schallschutz zur Altstadtklinik.“
Auch wenn sich Jürgen Zeidler bei der Investitionssumme von Kaufland nur ein mageres „ein Betrag im zweistelligen Millionen-Bereich, Genaueres geben wir nicht bekannt“ entlocken lässt, kommt vielleicht der ein oder andere auf die Idee zu fragen, ob das optisch sowieso nicht gerade attraktive Gebäude nicht besser abgerissen und stattdessen ein Neubau errichtet worden wäre. Dazu der Kaufland-Expansionsleiter: „Darüber haben wir im Vorfeld intensiv diskutiert. Doch letztlich haben uns die Zahlen überzeugt. Ein Abriss wäre deutlich teurer gewesen und hätte sich nicht gerechnet.“
Hattingen allerdings als Unternehmensstandort sei für Kaufland schon lange ein Thema gewesen. Jürgen Zeidler: „Abgesehen von ­Rewe am S-Bahnhof gibt es hier wenig Konkurrenz. Zudem ist die Kaufkraftbindungsquote für eine Stadt solcher Größe gering. Wir waren lange an dem Kone-Gelände an der Nierenhofer Straße interessiert. Da machte allerdings die Stadtverwaltung nicht mit. Stattdessen kamen wir auf das ehemalige Karstadt-Haus an der Großen Weilstraße. Zwar haben wir in vielen anderen Städten wie Essen, Hamburg oder Duisburg schon Erfahrung mit deren Umbau, doch stellt sich Hattingen als sehr komplex dar – allein wegen der Baustellenlogistik. Wohin beispielsweise mit unserem 45 Meter hohen Kran? Der wird jetzt umbaut, anschließend in Teile zerlegt und am Ende von einem Autokran herausgehoben.“
Und Hans Matthaei ergänzt schmunzelnd: „Wir bauen hier auf einem Bierdeckel.“
Nach Schätzungen von Expansionsleiter Zeidler eröffnet Kaufland in Hattingen im September 2013. Allein 5.500 Quadratmeter werden dann Kaufland im Erd- und Obergeschoss an Verkaufsfläche zur Verfügung stehen. Hier wird es eine Frische-Abteilung bei Wurst und Käse mit Bedienung geben, auch frischen Fisch.
„Unser Verbrauchermarkt-Sortiment ist förderlich für die gesamte Innenstadt“, so Jürgen Zeidler. „Wir bieten Waren der täglichen Bedarfsdeckung. Daher kommen unsere Kunden zwei- bis dreimal wöchentlich. Das bringt viel Frequenz in die Hattinger City. Dabei können unsere Kunden 90 Minuten kostenlos parken und somit auch noch andere Besorgungen mit dem Aufenthalt bei uns verbinden.“
Zu der Kaufland-Verkaufsfläche kommen noch eine Mall („Einkaufsstraße“) und fünf Ladenlokale (Bäcker mit Café, Metzger, Apotheke, Frisör und Textil), so dass rund 6.100 Quadratmeter Fläche zum Geldausgeben zur Verfügung stehen.

Autor:

Roland Römer aus Hattingen

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

4 folgen diesem Profil

3 Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.