Auf den Spuren der Gebrüder Montgolfier

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(Alex Winkelnkemper) Brüder Montgolfier – die Erfinder des Heißluftballons: „Bist Du schwindelfrei?“ werde ich in der Redaktion gefragt. Ich bejahe und bekomme einen Zettel über den Tisch gereicht. „Ballontaufe von Wupperballon“ steht im Titel. „Du fährst da mit!“ heißt es lapidar. Mein Herz schlägt höher: Mit heißer Luft so weit nach oben zu kommen ist ein Angebot.
Am Sonntag geht’s dann endlich los. Rund 40 Gäste kommen zur Taufe des neuesten Ballons der Firma Wupperballon. Das Bochumer Unternehmen bietet unter anderem auch Rundflüge über Hattingen an, in Zusammenarbeit mit dem Hattinger Stadtmarketing.
Auf der Wiese neben der Henrichshütte wird die riesige blau-rote Hülle des fabrikneuen Ballons aufgeblasen und aufgerichtet, der Korb in Position gebracht. Noch hängt er an dicken Tauen, die ihn am Boden halten - 980 Kilogramm Zugkraft wollen gebändigt werden. Der Einstieg in den Korb gestaltet sich schwierig: Unelegant stolpere ich über die Bordwand, mit Mühe aufgefangen von Pilot Volker Ralf Krüger.
Und plötzlich geht alles ganz schnell: Das Gefährt wird getauft, Sponsor John Fisher wünscht allzeit gute Fahrt und springt in den Korb. Die Gäste bekommen ein Glas Sekt in die Hand und schon erheben wir uns gen Himmel. Rasend schnell geht es aufwärts, das Applaudieren der Zuschauer verklingt binnen Sekunden. Sie werden zu kleinen Modellfigürchen weit, weit unter uns. „Huch, das ging fix“, grinst unser Pilot. Und ergänzt:„So ist das nunmal mit einem neuen Ballon.“ Für eine Werkstattfahrt war keine Zeit, das Wetter war zu schlecht. Aber alles funktioniert: In guten 300 Metern Höhe gleiten wir leise über Hattingens Dächer, mit gemütlichen acht Stundenkilometern schweben wir in Richtung Niederwenigern davon. Für eine Weltumrundung reichen bei dem Tempo auch 88 Tage nicht, denke ich, aber dafür ist es wunderbar still hier oben. Einzig unterbrochen wird die Ruhe durch das giftige Fauchen des riesigen Brenners über meinem Kopf, der mit großen Gasflammen die Luft im Ballon erhitzt. Mit angenehmen Nebeneffekt: Nicht einmal mir notorischer Frostbeule wird kalt.
Über mir: 3400 Kubikmeter heiße Luft, verpackt auf 27 Metern Höhe und 25 Metern Breite in einer strahlend blauen Hülle mit dem Logo des Sponsors: INTO, ein Unternehmen, das Schüleraustausche zwischen zwölf europäischen Nationen organisiert. Der Sponsor in Persona steht neben mir im engen Korb:
John Fisher ist Gründer und Besitzer des Schüleraustauschunternehmens und selbst Hobbypilot. Ballon gefahren ist allerdings auch er noch nie: „Das war das erste Mal und es war riesig!“, wird der gebürtige Brite später strahlen. Auf die Idee, einen Ballon zu sponsern, kam er zufällig. „Ich hatte in Köln ein Event gesehen, bei dem Heißluftballons passend zur Musik leuchteten. Das fand ich so beeindruckend, dass ich einen Hersteller gesucht habe und mich an Wupperballon gewandt habe“, erzählt der Unternehmer. „Drei Tage später war der Vertrag unterschrieben und der Ballon designt und bestellt.“
Bei der Jungfernfahrt ist er selbstverständlich persönlich an Bord. Außer uns Gästen trägt der riesige Ballon natürlich auch noch zwei Piloten:
Volker Ralf Krüger und Wolfgang Kuhn lenken uns am Himmel – soweit man einen Ballon eben lenken kann. Zusammen haben die beiden Piloten bereits gute 5000 Stunden in luftiger Höhe verbracht. Und das nicht nur in der Region: Die Ballonfahrer sind international unterwegs. „Ballon einpacken und per Cargo ans Ziel!“ Wenn Volker Ralf Krüger den Weg in die Welt beschreibt, wirkt der organisatorische Aufwand geradezu gering. Und so geht es mit dem Ballon dann zum Beispiel in die USA, nach Mexico oder Thailand.
Und auch in Deutschland ist Wupperballon viel unterwegs: „Wir legen viel Wert auf Jugendarbeit“, erklärt Geschäftsführer Krüger. „Letzte Woche zum Beispiel waren wir mit einer Gruppe von behinderten Jugendlichen unterwegs. Die können dann mal aus der Nähe anschauen und betasten, wie sich so ein Ballon anfühlt.“ Eine alte Hülle wird aufgeblasen, Problemlos kann man dann hineingehen und darin umherspazieren. Der Pilot erklärt: „Ein ‚Betreten Verboten‘ oder ‚Nicht Berühren‘ gibt es bei uns nicht. Wir möchten ja Interesse wecken - und unseren Flieger-Nachwuchs sichern!“
Während wir den Ruhrbogen überfliegen werde ich von Wolfgang Kuhn ein zweites Mal instruiert. „Kurz vor der Landung müssen Sie in die Knie gehen“, fordert er mich auf. Und Volker Ralf Krüger warnt mich: „Falls wir bei der Landung umkippen: Immer im Korb bleiben, nicht rausspringen!“ Die Suche nach einem geeigneten Landeplatz gestaltet sich freilich schwierig - Die Landschaft wird durchkreuzt von den größten Feinden der Ballonfahrer: Hochspannungsleitungen. „Gerade bei diesigem Wetter wie heute kann das gefährlich werden, man sieht die dünnen Leitungen einfach schlecht“, erklärt Volker Ralf Krüger. Gegenseitig machen sich die Piloten darauf aufmerksam, versichern sich an den Instrumenten. Währenddessen steuert Wolfgang Kuhn sicher einen möglichen Landeplatz an. Mit einem dauerhaften Blick auf die Instrumente: GPS, Höhenmesser und Funkgerät sind an Bord, regelmäßig sprechen sich die Herren der Lüfte mit ihrer Bodencrew ab und geben ihre Position bekannt.
Durch geschicktes auf und ab nutzt Wolfgang Kuhn Windströmungen, um den Ballon zu dirigieren. Doch es steht immer irgend etwas im Weg: Bäume, Häuser, Hochspannungsleitungen. Bis wir nach einer guten Stunde endlich direkt auf ein freies Feld zusteuern und mit dem Sinkflug beginnen.
Bei der Landung merke ich dann, wie die Instruktionen gemeint waren: Hart setzt der Korb auf dem Boden auf, Turbulenzen über Grund werfen uns auf die Seite, schleifen den Ballon über die Erde. Sekundenbruchteile später bin ich damit beschäftigt, meine Kamera zu retten, denn es wird kuschelig im Korb: Auf mir liegen ein Pilot und John Fisher, der kurz darauf über mich krabbeln darf gen Freiheit. Er lacht, den Camcorder in der Hand. „Ich hab alles drauf!“, freut sich der Brite.
Umgekippt sind wir seit bestimmt fünf Jahren nicht“, schmunzelt Volker Ralf Krüger. „Na, so ist das Leben, das gehört dazu!“ Also erst einmal orientieren. Wo sind wir hier eigentlich runter gekommen?
Der Besitzer unserer Landewiese kommt nachschauen und klärt mich auf: Wir stehen auf einem Feld in Velbert, direkt an der Grenze zu Essen-Kupferdreh. Einen Heißluftballon hat der Velberter bisher noch nicht auf dem Feld gehabt. „Aber die Bundeswehr hat sich hier mal verlaufen“, erinnert er sich lachend. Kurz darauf trifft auch schon die Bodencrew ein – permanent hatte sie uns im Blick, folgte uns im Geländewagen.
Problemlos kämpft sich der Jeep mit Anhänger über den Hügel zu unserem Gefährt. Ballon und Schnüre werden verpackt, der rund 150 Kilo schwere Korb mit vereinten Kräften in den Hänger gewuchtet und schon geht es zurück gen Startplatz. Dort angekommen darf ich dann noch Haare lassen, denn ich werde getauft:
„Mit dem Feuer, dass uns in die Lüfte bringt und der Erde, die uns wieder hat und dem Champagner, den wir so lieben.“ Kurz werden mir mit dem Feuerzeug einige Haare angebrannt, mit Sekt gelöscht und mit Grashalmen dekoriert. So darf ich mich nun offiziell adlig nennen: Auf meiner Taufurkunde heiße ich „Alexander Earl of Hattingen, königlicher Hoffotograf“. Infos unter
www.wupperballon.de

Autor:

Dr. Anja Pielorz aus Hattingen

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