Serie "Alt werden, jung sein": Mit dem Rollator unterwegs

Brigitte Trede versucht, den Kirchplatz zu verlassen Foto: Pielorz
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Der STADTSPIEGEL startet unter dem Titel „Alt werden, jung sein“ eine neue Serie. Dabei beginnen wir mit den Senioren. Ein Spaziergang durch die Innenstadt macht deutlich, wie viele Senioren unterwegs sind. Viele von ihnen benötigen für ihr „Unterwegs sein“ eine Hilfe. Rollator und Rollstuhl gehören zum alltäglichen Erscheinungsbild. Doch einfach ist der Spaziergang damit nicht. Dr. Anja Pielorz war in der Hattinger Innenstadt mit Brigitte Trede (65) unterwegs, die seit sechs Jahren auf einen Rollator angewiesen ist.

„In der Wohnung brauche ich ihn nicht“, erzählt sie. „Aber draußen ist er mein ständiger Begleiter geworden.“ Ihre Wohnung liegt im sechsten Stock. Es gibt einen Aufzug. Und weil in dem Haus mehrere Menschen leben, die auf Hilfsmittel angewiesen seien, funktioniere es auch gut, wenn der Aufzug mal als defekt gemeldet würde. „Da kommt sofort jemand. Da mache ich mir keine Sorgen.“
Doch in der Stadt unterwegs sein, das ist schon eine andere Nummer. Los geht das schon in der Großen Weilstraße. „Ich freue mich ja, dass die Stadt hier ein neues Pflaster verlegt hat, weil das alte wirklich schlecht war. Und eine Regenrinne muss ja auch sein. Aber die Abstufung der Regenrinne zum Pflaster ist einfach zu groß. Wenn ich mit dem Rollator vor die Rinne fahre, dann muss ich aufpassen, dass ich nicht falle. Einmal wäre es schon bald soweit gewesen“, erzählt sie.
Natürlich, das alte Pflaster sei erst recht eine Katastrophe. Und das Kopfsteinpflaster der Altstadt gehöre selbstverständlich zum Erscheinungsbild, aber einfach zu befahren sei es nicht. „Aber die Menschen, die nicht mehr gut zu Fuß waren, haben früher eben auch mit einem Kissen im Fenster gelegen. Sie sind ja gar nicht mehr unterwegs gewesen und das hat sich eben geändert. Man kann ja jetzt nicht alles neu machen.“
Der Kirchplatz, die „gute Stube Hattingens“, ist auch eine Herausforderung. „Von einer Seite komme ich ja ohne Treppe herauf. Aber sonst ist das schwierig. Sie läuft an Café Adele vorbei zur Treppe und demonstriert, wie sie rückwärts Schritt für Schritt die Treppe hoch geht, den Rollator mit sich ziehend. „Das geht aber nur, wenn der nicht voll bepackt ist. Mit einem Einkauf ist mir das zu schwer“, sagt sie.
Und wer auf dem Kirchplatz angekommen ist, der muss irgendwann auch wieder runter. Das versucht sie am Alten Rathaus. Diese Treppe wird vorwärts genommen. „Es kommt auf die Breite der Stufen an und ob es ein Geländer gibt. Es geht eben langsam.“ An Café Mexx vorbei („Die haben kein Geländer, da komme ich ohne Hilfe nicht rauf“), die Heggerstraße rauf. „Hilfe bekomme ich aber oft. Die Menschen sprechen mich an und fragen, ob ich Hilfe brauche. Ich habe noch nie irgendwo länger gestanden.“ Steil sei die Heggerstraße und sie müsse zwischendurch Pause machen. „Aber ich habe ja Zeit“. Mit fachmännischem Blick schaut sie auf die ihr entgegenkommenden Rollatoren und Rollstühle. Sie gehören zum Stadtbild und nur selten sieht man nach rechts und links geblickt überhaupt keinen.

Treppen sind ein Problem

Ärzte hat sie sich nach der Lage ausgewählt. „Da habe ich auch mal gewechselt, obwohl der Arzt gut war. Aber ich kam einfach nicht gut hin. Es gibt nicht überall einen Aufzug. Am besten ist, wenn der Arzt ebenerdig seine Praxis hat“. Auch für die stillen Bedürfnisse in der Stadt hat sie quasi schon „Lieblingsadressen“. „Am besten ist Kaufland. Die Toiletten sind ebenerdig und für die Behindertentoilette braucht man keinen Schlüssel. Die Öffnungszeiten sind toll und dann haben die auch nach draußen diese automatischen Türen. Ich habe ja beide Hände am Rollator, da muss ich sonst mich immer umdrehen und die Tür mit dem Po aufdrücken. Hier kann man einfach durchspazieren.“
Kritik fällt ihr aber auch ein. „Die Rollbänder sind ja eigentlich gut. Aber nicht für Rollatoren. Die greifen nämlich mit den Rädern nicht in die Ritzen der Rollbänder und rutschen mir deshalb weg. Bei den Einkaufswagen ist das anders, die stehen ja fest auf dem Band. Ich muss bei dem Rollator auf jeden Fall die Bremse anziehen.“ Die Tücke liegt halt im Detail.
Das nervt sie auch an der S-Bahn. „Wenn der Aufzug kaputt ist, wie soll ich dann da runter kommen? Der Aufzug ist sowieso eklig, aber ohne ihn geht es nicht. Es wäre toll, wenn es dort und an manchen anderen Standorten in der Stadt in Treppennähe kleine Rampen geben würde, über die man mit dem Rollator oder Rollstuhl fahren würde. Der Rollstuhl ist ja breiter und da wird es sicher beim Platz oft nicht reichen. Aber bei den Rollatoren könnte man schon darauf achten, finde ich jedenfalls.“
Auch die Bürgersteige seien oft noch zu hoch. „Vor allem an den Übergängen zu Ampeln ist das ein Problem. Da muss man sich auf die Ampel konzentrieren und dann hängt der Rollator fest.“
Auch bei Festen in der Hattinger Innenstadt ist Brigitte Trede gern dabei. „Bei größeren Einkäufen und wenn es sehr voll ist in der Stadt, bin ich selten alleine unterwegs. Ich genieße es einfach, trotz meiner Gehbehinderung noch am Leben teilnehmen zu können.“
Nur im Winter, wenn Eis und Glätte jedem das Leben schwer machen, lässt sie es ruhiger angehen „Dann bleibe ich in der Wohnung. Dann traue ich mich nicht raus, aber bei den milden Wintern wird das auch immer weniger ein Problem.“
Wünschen würde sie sich für die Zukunft eines: „Wenn bauliche Veränderungen geplant sind, wäre es toll, wenn man sie aus dem Blickwinkel gehbehinderter Menschen betrachten würde und vielleicht auch mal mit einem dieser Menschen das ausprobiert. Bald kommt ja das neue Pflaster Richtung Bügeleisenhaus und ich hoffe, hier achtet man darauf, dass eben auch Menschen mit Rollatoren ohne Gefahr laufen können.“

Autor:

Dr. Anja Pielorz aus Hattingen

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