Elterntreff "kindliche Ängste": Unter meinem Bett ist ein Monster...

Eines Nachts war es plötzlich da, das Monster in ihrem Kinderzimmer. Mia (3 Jahre) möchte seitdem nicht mehr alleine dort schlafen. Fast jede Nacht wacht sie auf, weint und ruft nach Mama und Papa. Angststörungen gehören zu den häufigsten vorkommenden psychischen Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter. Ängste und Sorgen sind jedoch auch bei gesunden Kindern entwicklungsgemäß und müssen von einer behandlungsbedürftigen Angststörung unterschieden werden. Im Elterntreff informierte Lydia Kopp, Diplom-Heilpädagogin, Kinder- und Jugendpsychotherapeutin, über kindliche Ängste und wann man sie behandeln lassen sollte.

Angst ist nämlich nicht nur negativ zu bewerten, ganz im Gegenteil! Angst ist ein ganz wichtiger Instinkt des Menschen. Durch Angst konnten die Menschen überleben. Sie sorgt dafür, dass der Mensch bei Gefahren flüchtet, sie ist ein Schutz – früher beispielsweise auch im Kampf und auf der Suche nach Nahrung. Auch heute würde man sich noch sehr oft in Gefahr bringen, wenn man alles als ungefährlich einschätzen würde. Angst kann nicht nur lähmen, sie macht den Menschen auch handlungsfähiger. Das Herz schlägt schneller, wir fliehen oder verteidigen uns.
Kinder (und Erwachsene) haben vor vielen Dingen Angst. Prüfungen beispielsweise. Oder Spinnen, Dunkelheit, Ärzte oder Monster…. Wer kennt nicht die Geschichten, sich vor Angst schlotternd in den dunklen Keller zu trauen und dann blitzartig wieder ans Tageslicht zu laufen! Trotzdem tat man das früher oft und immer wieder. Nach überstandenem Abenteuer fühlte man sich mutig und stark und wusste: es bringt nichts, die Angst zu vermeiden. Dadurch geht sie nicht weg. Psychotherapeuten versuchen heute, genau diese Erkenntnis ihren Angstklienten beizubringen. Sie erklären ihnen, dass nicht die Angst schlimm ist, sondern dass die „Angst vor der Angst“ das Problem darstellt. Und sie üben mit ihnen, die Angst zu akzeptieren und ihre guten Seiten zu erkennen. Denn: Ein Leben ohne Angst gibt es nicht.
Angst hat viel mit der Entwicklung zu tun. Kleine Kinder wissen eben noch nicht, dass unter dem Bett kein Monster ist, weil es keine Monster gibt. Wer als Elternteil auf die Angst nur reagiert, indem man sagt, das Kind müsse keine Angst haben, hat oft schlechte Karten. Besser ist es, gemeinsam mit dem Kind unter dem Bett nachzusehen oder das Kind, je nach Alter, Fenster oder Haustür selbst zusperren zu lassen. Es gibt sogar ein „Anti-Monster-Spray“ – natürlich nur Wasser, aber Glauben versetzt bekanntlich Berge. Eine weitere gute Idee bei Kindern ist auch das Spiel „Ich sehe was, was du nicht siehst“ – denn wenn sich das Kind auf das Spiel konzentriert, vergisst es die „Angst vor der Angst“.
Ängste wollen also erlebt und bestanden werden. Zum Bestehen der Angst gehört das Standhalten, aber ebenso der Mut zur Erprobung. Mit der Angst umgehen lernen, bedeutet, sich ihr zu stellen, ihr standzuhalten, sie zu fühlen, sie verstehen zu lernen, sie zu berücksichtigen und sie führen und besänftigen zu lernen.

Angst zu haben ist überlebensnotwendig

Angst löst neben erkennbaren körperlichen Reaktionen (beispielsweise Zittern, Herzklopfen, Atemnot) auch entsprechende Gedanken und Verhaltensweisen aus. Die Gedanken sind abhängig von bereits gemachten Erfahrungen oder auch vom Lernen am Modell: Wenn ein Kind schon einmal von einem Hund gebissen wurde oder aber Mama vor Hunden Angst hat – dann speichert das Gehirn ab: Oh, da hinten ist ein Hund. Das ist gefährlich. Ich habe Angst.
Strategien der Angstbewältigung kennen und anwenden zu lernen, ist wiederum Teilaufgabe der emotionalen und sozialen Entwicklung jeden Kindes und jedes Menschen. Die Angst ist ein Gefühl von vielen Gefühlen, die es alle kennen zu lernen gilt. Wenn wir es uns erlauben, dass wir unsere Gefühle wahrnehmen und anerkennen, erfahren wir Grundlegendes über uns selbst. Wenn wir unseren Gefühlen einen Raum der wachen Aufmerksamkeit schenken, können wir erfahren, dass sich über die Gefühle innerlich erlebte Befindlichkeitszustände und damit verbundene (Entwicklungs-) Aufgaben ausdrücken. Bei dem Hundebeispiel könnte das Ergebnis sein: Oh, da hinten ist ein Hund. Ich wurde zwar schon einmal gebissen und Mama hat Angst vor Hunden, aber nicht jeder Hund ist gefährlich und ich schaue mir das vorsichtig an.
Verallgemeinernd und als Richtschnur lässt sich sagen: Angst zu haben ist völlig normal. Ob aus der Angst eine zu behandelnde Angststörung wird, ist abhängig von der Frage, ob die Angst den Alltag beeinträchtigt. Wenn also die Lebensqualität durch die Angst beeinträchtigt wird, dann sollten Erwachsene genauer hinsehen – nicht nur bei Kindern, auch bei sich selbst.

Kontakt: Lydia Kopp, Psychotherapeutische Praxis für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene, Martin-Luther-Straße 7, 45525 Hattingen; Email info@praxis-lydia-kopp.de

Autor:

Dr. Anja Pielorz aus Hattingen

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