Rallye Aicha des Gazelles 2012

Foto: privat
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Es war die größte und härteste Herausforderung ihres Lebens: Steffi Edelhoff und Co-Pilotin Sandra Wukovich (Wolfsburg) nahmen in einem von Volkswagen Nutzfahrzeuge Frankreich eingesetzten VW-Amarok an der Rallye Aicha des Gazelles teil. Im Kampf für die Gleichberechtigung der Frau auf dem afrikanischen Kontinent und gegen AIDS stellten sie sich den Herausforderungen der marokkanischen Wüste und fuhren 10 Tage durch Sand, Geröll, Dünen und ausgetrocknete Flussbetten.
Nach dem Ziel strahlten die Beiden wie Gewinner. Soeben hatten sie unter Applaus unzähliger Zuschauer ihre erste Rallye des Gazelles als äußerst respektable 42. der Gesamtwertung und 4. der VW-Amarok-Wertung beendet. Doch war nicht nur diese außerordentliche sportliche Leistung der Grund der grenzenlosen Freude. Denn durch die große Aufmerksamkeit für die Wohltätigkeitsorganisation „move the word – aids awareness expedition“ – und die 1000€ Prämie für ein Aids-Hilfsprojekt in Südafrika hatten sie ihr größtes Ziel bei dieser anstrengenden Abenteuerfahrt erreicht: dem guten Zweck zu dienen.
Bevor es jedoch mit der eigentlichen Rallye im Nordwesten Afrikas losging, trafen sich alle Teams am Fuße des Eiffelturms zur technischen Abnahme und Dokumentenkontrolle. Ebenfalls auf dem Programm standen medizinische Checks und Fahrerbesprechungen.
Dann war es endlich soweit: Die 150 Teilnehmer machten sich am 17.03.2012 auf den 800 Kilometer langen Weg von Paris an die spanische Südküste nach Peñiscola. „Trotz der langen Überführungsetappe auf Autobahnen und Schnellstraßen wurde uns nie langweilig“, erzählt Wukovich. „Wir haben uns noch einmal intensiv mit dem französischen Reglement beschäftigt, bis wir es fast auswendig konnten. Während der Rallye bleibt dazu keine Zeit mehr.“
Der Rallyetross machte sich per Schiff auf den Weg von Almeria an die Nordküste Marokkos. Von Nador aus ging es dann weitere 580 km in das Landesinnere bis zum Rallyestartort Erfourt. Die Teilnehmer tauchten immer weiter in die Schönheit der marokkanischen Landschaft ein und erlebte puren orientalischen Flair.
Einen Tag vor dem Start wurde der Amarok mit Ersatzteilen, technischer Ausrüstung, Zelt, Schlafsack und Kochgeschirr bepackt. Da Handy und GPS während der gesamten Rennveranstaltung verboten waren, durften die Teams lediglich einen Kompass, eine Wüstenkarte und einen Tageskilometerzähler benutzen.
Wie schwierig die Navigation werden würde, erfuhren die beiden Gazellen bereits vor dem eigentlichen Start. Sie fanden das Biwak in der Wüste nicht und irrten mit 20 anderen Teilnehmern in der Wüste umher. Sie verpassten das Briefing und gingen bereits mit Zeitrückstand auf die Piste.
Dann folgte das Experimentieren mit einer kürzeren Route, die geradewegs in einem Sandloch endete. Mit Humor beschreibt Wukovich: „Rein war leicht, raus leider schwer“. Nach stundenlangem Freischaufeln und einer anschließend erfolgreichen Fahrt über den Rest des Prologs, erreichten die „Gazellen“ zu später Stunde schließlich doch noch das Nachtlager. Auch am nächsten Tag machten die Damen weitere Erfahrungen mit dem Freischaufeln ihres Wagens, nachdem sie sich auf einem Busch aus Kamelgras festgefahren hatten. „Dieses Kamelgras ist steinhart. Ich kann mir nicht vorstellen, dass diese „pflanzlichen Steine“ weit oben auf der Liste der Lieblingsessen der Kamele stehen“, schimpft Steffi Edelhoff noch immer, wenn sie an die stundenlange Neugestaltung der Dünen zurückdenkt.
Im Laufe der Veranstaltung verbesserten sich die Motorsportlerinnen stetig. Wukovich navigierte mit all ihrer Erfahrung das Gefährt durch die schwierigsten Passagen. Teilweise lief sie dabei bis zu 12 km durch die Dünen voraus, um einen fahrbaren Weg für den Amarok zu finden. Edelhoff zeigte indes, was in einem Amarok steckt und passte den Reifendruck den sich ständig verändernden Bodenbeschaffenheiten an.
Mit andauernder Rallye machten sich die immer größeren Strapazen bemerkbar. Jede Nacht nur 4 Stunden Schlaf im Zelt, größte physische und psychische Anstrengungen und keine geregelten Mahlzeiten. Der Akku vieler Teilnehmerinnen näherte sich bedenklich dem Nullpunkt. Dabei erwies es sich als hilfreich, sich Tagesziele zu setzen, um bei einer so langen Veranstaltung mental fit zu bleiben. Doch nicht nur die sportliche Motivation trieb Edelhoff und Wukovich vor jeder Etappe auf’s Neue zu Höchstleistungen. Denn stetiger Begleiter war der Gedanke, dass sie das Beste für einen guten Zweck geben wollen und sich selbst beweisen, dass sie alles schaffen können, was sie sich vornehmen.
„Einmal haben wir uns trotz größter Strapazen so gepusht, dass wir sogar die Schwerste von drei möglichen Routen wählten“, verrät Sandra Wukovich stolz. „Zwar hielten uns alle für verrückt, da diese normalerweise nur von erfahrenen Profis befahren wird, jedoch hatten wir ja bereits gehörigen Rückstand und diese Strecke gab nun einmal die meisten Punkte.“
Nach der Ankunft im Lager zu früher Morgenstunde wurden die beiden mit viel Applaus in Empfang genommen. Anerkennung fremder Leistungen trotz großem Druck und Konkurrenzdenken – das ist großer Sport. Als Belohnung wurde das Duo dann auch direkt von einem deutschen Filmteam begleitet. „Diese mediale Aufmerksamkeit war neu für mich“, berichtet Steffi Edelhoff. „Aber dadurch haben wir eine erhöhte Aufmerksamkeit für unser Hilfsprojekt in Südafrika sowie für die „move the world – aids awareness expedition“ schaffen können.
Doch trotz des zwischenzeitlichen Hochs hielt sich die Rallye strikt an ihr Drehbuch: auf ein Hoch folgte ein Tief und umgekehrt. Denn in der folgenden Nacht wurde das Camp der Rallye-Gazellen von einem schweren Sandsturm heimgesucht. Fast unbarmherzig blies der Wind Sand und Steine in die Zelte, bis Schlafsäcke, Kissen und Menschen fast vollständig mit Sand bedeckt waren. „Wir haben uns gefühlt, als würden wir in einem Sandkasten schlafen“, erzählt Steffi Edelhoff, die in der Nacht über eine Stunde ihr Zelt gesucht hat.
Die letzten zwei Tage hatten es dann noch einmal in sich. Denn mit den zwei schwersten Marathon-Etappen hatte der Veranstalter noch einmal zwei hohe Hürden aufgestellt. „Nachdem wir auf einer scheinbar einfachen Passage viel Zeit verloren hatten, wollten wir um aufzuholen eine kürzere, dafür aber riskantere Strecke nehmen. Dabei landeten wir an der algerischen Grenze und zudem auch noch in militärischem Sperrgebiet. Als plötzlich überall bewaffnete Soldaten auftauchten, wurde uns ganz anders. Glücklicherweise hatten sie Verständnis für unsere Lage und haben uns freundlich, aber bestimmt zum Umkehren gezwungen,“ berichtet Wukovich.
Nach gut zehn Tagen Strapazen, Abenteuer und Wechselbad der Gefühle überqueren Steffi Edelhoff und Sandra Wukovich vor der traumhaften Strandkulisse von Essaouira und unter dem Beifall vieler Zuschauer als 42. von rund 150 Teilnehmern die Ziellinie „Wir haben eine gute Platzierung erzielt, Geld für unser Projekt gewonnen, dem Kampf gegen Aids und für die Gleichberechtigung der Frau auf dem afrikanischen Kontinent große Aufmerksamkeit beschert. (rd)

Autor:

Karola Schröter aus Hemer

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