Mord an zahmen Parkvögeln
Stadt Herne will auf Gänse schießen

Die Gans TG4. Sie bewohnt seit mindestens 12 Jahren den Dorneburger Park. Eine wichtige Persönlichkeit der Gänseschar, von der die jüngeren Gänse viel lernen können. Sie darf nicht sterben! | Foto: Britta Müller
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  • Die Gans TG4. Sie bewohnt seit mindestens 12 Jahren den Dorneburger Park. Eine wichtige Persönlichkeit der Gänseschar, von der die jüngeren Gänse viel lernen können. Sie darf nicht sterben!
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Die Stadt Herne gibt bekannt, dass sie die Gänse in den Stadtparks töten lassen will. Es werden verschiedene Gründe dafür angeführt, die allesamt haltlos und vorgeschoben sind. Ich gehe im Folgenden auf die Argumente ein, die die Stadt in ihrer öffentlichen Pressemeldung (https://www.herne.de/Meldungen/News-Detailansicht_102144.html) aufführt:

Behauptung der Stadt: "Mehrmaliges Brüten im Jahr bei geringen natürlichen Verlusten haben mittlerweile zu einer Überpopulation der Tiere geführt."

Richtig ist: Kanadagänse brüten NICHT mehrmalig im Jahr, sondern maximal einmal im Jahr. Es brütet nicht jede Gans, sondern nur ein kleiner Teil kommt in den Genuss, einen Nistplatz zu behaupten (etwa 20% der Gänse sind Brutvögel, 80% sind Nichtbrüter). Es ist relativ einfach, den Nachwuchs einzudämmen, indem man einen Teil der Eier im Gelege durch Gipseier austauscht. Da Gänse ihre Nester am Boden bauen, sind sie in den Stadtparks oft gut erreichbar (man sollte jedoch 2 Eier belassen, damit die Tiere Nachwuchs aufziehen können).

Einzelne Nilgänse brüten tatsächlich 2 Mal im Jahr. Dazu gehört die Nilgans mit dem Ring CR8 auf Schloss Strünkede, bei der in einzelnen Jahren schon eine Zweitbrut vorgekommen ist. Das ist aber eine Ausnahme. Diese Gans ist mindestens 10 Jahre alt, ein stattliches Alter. Auch hier ist es möglich, die Eier zu tauschen. So eine alte Dame, die schon mehr als 10 Jahre auf dem Schloss lebt, erschießt man nicht einfach!

Zum Thema "Überpopulation": Die Anzahl der Gänse ist seit vielen Jahren stabil. Es gibt feste Zähltermine, an denen Gänse gezählt werden (z. B. Die „Sommergänsezählung“). Die Zahlen schwanken, sind aber langfristig stabil und der Größe der Fläche angemessen. Von einer "Überpopulation" kann überhaupt keine Rede sein. Hierzu meine Zählungen vom 29.08.2019:

  • Stadtgarten Wanne-Eickel: 36 Kanadagänse und 12 Nilgänse
  • Dorneburger Park: 32 Kanadagänse und 1 Nilgans
  • Ostbachteiche: 19 Gänse am Wasser und 23 auf der Wiese hinter dem Musiker-Treff = 42 Kanadagänse, keine einzige Nilgans

Da Gänse Weidetiere sind und sich großflächig verteilen, ist die Anzahl der Tiere für ihr Umfeld absolut unauffällig und unproblematisch. Zur Natur der Gänse gehört das Leben in einer Schar, denn nur in der Gruppe mit vielen langen Hälsen fühlen sie sich sicher. An den Teichen waren natürlich auch andere Wasservögel, auch die vielzitierten verdrängten Stockenten.

Behauptung der Stadt: „Durch das massive Auftreten dieser sogenannten invasiven gebietsfremden Arten werden die heimischen Wasservögel verdrängt.“

Kanadagänse gehören zu den anerkannten heimischen Arten (§7 BNatSchG) und die von der Stadt gemachten Aussage, dass sie zu den „invasiven Arten“ gehört, trifft nicht zu. Das ist eine falsche Behauptung! Es gibt keine Belege dafür, dass sie andere Arten verdrängen. Jeder Ornithologe wird dieser Aussage widersprechen. Auch diese Behauptung: falsch!

Nilgänse gelten in Deutschland als etabliert und nicht invasiv, sind aber seit 2017 in der Unionsliste der invasiven Arten aufgeführt. Wenn die Stadt jetzt von einem „massiven Auftreten“ der Nilgänse spricht, verweise ich auf meine o. a. Zählungen: An drei Orten wurden dreizehn (!) Nilgänse gezählt.

In diesem einen Satz sind gleich drei falsche Behauptungen. Es ist offensichtlich, dass die Stadt überhaupt nicht weiß, wovon sie spricht!

Behauptung der Stadt: „Darüber hinaus beeinträchtigt der übermäßige Kot- und Fäkalieneintrag mittlerweile massiv die Wasserqualität der Teiche und führt unter anderem zur vermehrten Algenbildung durch Überdüngung.“

Fakt ist, dass wir im Moment rekordverdächtige Temperaturen und kaum Niederschlag erfahren (sog. Klimawandel). Die Wasserqualität leidet derzeit unter der enormen Hitze und Trockenheit. Große Mengen verdunsteten und werden nicht mehr durch Regen ausgeglichen. Ganze Teiche und Bäche trocknen aus, das wenige Restwasser wärmt sich stark auf, vor allem, wenn die Gewässer nicht tief genug sind. Das Algen­wachs­tum wird vor allem durch Licht (Sonneneinstrahlung) angeregt. Der Kot der Gänse begünstigt das Wachstum, hat aber einen eher geringen Anteil – zumal sich die Gänse als Weidetiere den größten Teil des Tages auf der Wiese aufhalten! Vermutlich ist der Eintrag von Phosphaten durch die Düngung der umliegenden Felder mindestens genauso hoch, nur wird niemand hierfür den Landwirt kritisieren. Wenn die Stadt überall Personal abbaut und keine Kapazitäten mehr für die Pflege der Grünflächen hat, dann muss sie sich ihr eigenes Fehlverhalten vorhalten lassen! Die Gänse sind jedenfalls nicht Schuld am Zustand der Gewässer!

Behauptung der Stadt: "Des Weiteren entstehen auf befestigten Wegen gefährliche Rutschgefahren durch teilweise flächendeckende Kotansammlungen."

Dass eine gefährliche Rutschgefahr von Gänsekot ausgeht, halte ich für Slapstick. Wie viel Gefahr geht von nassem Laub oder eine nasse Wiese aus? Wie sieht es mit der Gefahr von Enten- oder Hundekot aus? Wie viele Fälle sind der Stadt Herne bislang bekannt geworden, bei der jemand auf Gänsekot ausgerutscht ist?  Dieses Argument ist wirklich lächerlich.

Behauptung der Stadt: "Nach der EU-Verordnung 1143/2014 über invasive gebietsfremde Arten ist die Bundesrepublik Deutschland verpflichtet, Maßnahmen zur Verhinderung der Weiterverbreitung zu ergreifen."

Die EU Verordnung fordert nicht, dass man Tiere tötet. Hiervon wären ohnehin „nur“ die wenigen Nilgänse betroffen. Will die Stadt jetzt etwa die EU retten, indem sie ihre wenigen Nilgänse tötet? Die Entnahme der Eier wäre eine Maßnahme, die vertretbar ist, nicht aber das Abschießen der Vögel. Vor allem nicht durch die Hobbyjäger, die im Rat der Stadt sitzen und ein überwiegend privates Interesse haben, in den Stadtparks ihr blutiges Hobby ausüben zu können.

Aussage der Stadt: Die Jagdzeiten sind gemäß § 24 Abs. 1 Landesjagdgesetz NRW in Verbindung mit der Landesjagdzeitenverordnung NRW in der Zeit vom 16. Juli bis 31. Januar eines jeden Jahres.

Hier hat die Stadt wohl tatsächlich mal Recht. Ja, die Gänse dürfen außerhalb befriedeter Bezirke, sinn- und wahllos abgeschossen werden. Sogar in Naturschutzgebieten, sogar in Vogel­schutz­gebieten. Für Jäger gelten die meisten Regeln des Naturschutzes nicht. Wildgänse werden übrigens nicht gegessen, sie sind für den Menschen ungenießbar. Darüber täuschen auch fingierte Rezepte für Kanada- und Nilgans im Internet nicht hinweg. Man erschießt sie in den meisten Fällen einfach so zum Spaß und wirft den Kadaver dann weg, verwendet ihn als Apportel für den Hund, oder als Fuchsluder - um dann den Fuchs sinnfrei zu erschießen.

Wenn man jetzt auch noch das Erschießen der Tiere in den befriedeten Bezirken erlaubt, finden diese friedlichen Tiere bald nirgendwo mehr einen Platz, wo sie halbwegs sicher leben dürfen. Das kann doch nicht richtig sein!

Fazit: Alle Argumente, die die Stadt Herne anführt, um zur Jagd auf die Gans zu blasen, sind haltlos. Hier wittern Hobbyjäger, die auch m Rat der Stadt vertreten sind, ihre Chance, ihr blutiges Hobby auszuüben. Möglicherweise kann man hier sogar Nebeneinkünfte erzielen, wenn man zur Jagd einlädt, ein Jagdhundetraining anbietet oder die Prüfung von Jagdhunden abnimmt?  Wie viel Geld ist den Jägern das Leben unserer Parkvögel wohl wert? Welches Jagdgeld wird von ihnen erhoben, um zahme Parkvögel erschießen zu dürfen?

Das Töten der friedlichen Tiere, die zum Teil seit sehr vielen Jahren in den Stadtparks leben, ist ein Naturfrevel. Gänse leben in Dauerehen, sie sind auf ihre Familien und eine funktionierende Schar angewiesen. Viele Menschen erfreuen sich an den Tieren. Die Stadt Herne sollte mal in die Parks gehen und die Parkbesucher fragen, was sie vom Töten der Tiere halten. Ich glaube man wäre über das Ergebnis überrascht. Die Menschen mögen das Leben in den Parks - auch das Leben der Gefiederten!

Wer der Stadt Herne seine Meinung zu ihrem Vorhaben mitteilen möchte kann dies unter den E-Mail-Adressen info@herne.deoberbuergermeister@herne.de und fb-stadtgruen@herne.de gerne tun. 

Die Tierschutzpartei hat bereits Partei für die Gänse ergriffen und ein Musterformular mit einer Anfrage nach dem Umweltinformationsgesetz online gestellt:
https://www.tierschutzpartei.de/partei/struktur/landesverbaende/nordrhein-westfalen/gaensejagd-anfrage-an-die-stadt-herne.

Autor:

Britta Müller aus Marl

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