Schwarz statt Bunt
Farbverbot macht Herner Tätowierstudios Sorgen

Farbige Tätowierungen werden auf nicht absehbare Zeit erst einmal nicht mehr möglich sein.  | Foto: Unsplash / Jayson Hinrichsen
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Größtenteils mit Unverständnis reagieren die Tätowierstudios in Herne und Wanne-Eickel darauf, dass sie ab Januar 2022 zahlreiche Farben nicht mehr nutzen dürfen. Die EU hat Tausende Chemikalien, die in den Farben enthalten sind, verboten. Wie eine nicht repräsentative Umfrage unter Herner Tattoo-Studios ergibt, rechnen man dort deswegen zumindest in der nächsten Zeit mit Einbußen.

Von Vera Demuth

Seit zehn Jahren tätowiert Jessica Kerzel, Inhaberin von Herzenswunsch Tattoo. Nie habe sie in dieser Zeit von allergischen Reaktionen gehört. Ähnliche Erfahrungen haben Jana Wojczewski von Pott.Ink, die ihr Studio seit zwei Jahren betreibt, und Samira Maaß, Inhaberin von Baker Street Tattoo, gemacht. Von weniger als einer allergischen Reaktion pro Jahr spricht Maaß, während Wojczewski „in den seltensten Fällen“ eine Nickelallergie auf die Farbe Rot erlebt hat.
Die European Chemicals Agency (ECHA) dagegen erklärt, dass Tätowierfarben, die aus mehreren Chemikalien bestehen, gefährliche Stoffe enthalten können, die nicht nur Hautallergien, sondern genetische Mutationen und Krebs verursachen können. Die sogenannte REACH-Verordnung verbietet daher ab dem 4. Januar 2022 den Gebrauch der Chemikalien.
„Die Farben werden nur auf Verdacht herausgenommen“, kritisiert Jana Wojczewski die EU-Entscheidung. Samira Maaß könnte diese besser nachvollziehen, wenn sie sich auf billig hergestellte Farben beziehen würde, „die nicht vernünftig auf den Markt gebracht werden“. Sie lasse sich jedoch von einem Vertreiber beraten, der ihr nur Farben empfiehlt, die auf den Markt dürften, erklärt sie. Jessica Kerzel begrüßt es grundsätzlich, dass die EU auf möglicherweise bedenkliche Stoffe reagiert, „aber dann muss es Ersatzfarben geben“.

Zunächst bleiben Schwarz und Grau

Denn das ist die Crux. Bisher gibt es nur einen Hersteller, der REACH-konforme Farben produziert – und zwar ausschließlich Schwarz und Grau. Auf nicht absehbare Zeit sind daher ab dem 4. Januar keine farbigen Tätowierungen mehr möglich. Wann die Hersteller weitere Farben produzieren und liefern, ist unklar. Das ist für viele Tattoo-Studios ein Problem, sind sich Samira Maaß, Jessica Kerzel und Jana Wojczewski einig.
„Ich mache sehr viel in Farbe, aber dann wird erst einmal nur Schwarz möglich sein“, erklärt Jessica Kerzel. Sie rechnet damit, dass sie in nächster Zeit weniger Aufträge und finanzielle Einbußen haben wird. Auch Jana Wojczewski geht von niedrigeren Einnahmen aus. Zwar hat sie sich auf Black and Grey spezialisiert, aber ihre Kollegin Tony konzentriert sich auf Comic Style, Old School und Water Color Style – alles in Farbe.
Bis zum Jahresende versuchen viele Kunden der drei Studios, sich ein Farbtattoo stechen zu lassen. „Alle sind in Panik und wollen noch schnell Termine machen“, erzählt Wojczewski. „Es gibt genügend Kunden, die mit einem Tattoo angefangen haben und jetzt nicht mehr fertig werden. Sie müssen vielleicht ein, zwei Jahre warten.“ Laut Samira Maaß sind Farbtattoos zwar nicht mehr so nachgefragt wie früher, aber bei Baker Street Tattoo sind in diesem Jahr trotzdem alle Termine ausgebucht.
Für 2022 kann Maaß sich vorstellen, dass sich manche Kunden, die eine farbige Tätowierung haben möchten, zunächst die Linien in Schwarz stechen lassen und dann warten, bis weitere Farben erhältlich sind. „Wir hoffen, dass die neuen Farben schnellstmöglich auf den Markt kommen“, sagt Jana Wojczewski.

50.000 Euro oder Haftstrafe

Samira Maaß hat die neuen REACH-konformen Schwarz- und Grautöne rechtzeitig ausreichend bestellt und schon ausprobiert. „Sie sind von der Konsistenz her nicht dasselbe, aber es funktioniert“, gibt sie sich optimistisch. Die bunten Farben wird sie zum Jahresende alle entsorgen. Denn wer ab dem 4. Januar 2022 dabei ertappt wird, die alten Farben zu verwenden, auf den warten saftige Strafen. „Das kann bis zu 50.000 Euro teuer werden oder sogar eine Haftstrafe bedeuten“, erklärt Maaß.
Für die drei Tätowiererinnen kommt die EU-Regelung zur Unzeit. Denn wegen der Coronapandemie mussten alle Studios mehr als ein halbes Jahr lang schließen und hatten sowieso schon mit Einbußen zu kämpfen. „Die Existenzangst ist ganz krass“, sagt Jessica Kerzel.

Autor:

Vera Demuth aus Bochum

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