Die Hölle der Artikel und Umlaute

Moderatorin und Personalentwicklerin: Dr. Angela Scaglione motiviert die Mediziner. WB-Fotos (2): Detlef Erler
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„Ich finde, dass meine Sprache dadurch noch besser wird“, sagt Dr. Fadi Baseseh lächelnd. Der 36-jährige syrische Mediziner gehört zu den 33 Assistenzärzten, die im St. Anna Hospital an einem berufsbezogenen Sprachkurs teilnehmen.

Dabei geht es nicht etwa darum, Grundkenntnisse der deutschen Sprache zu lernen, sondern das bereits vorhandene „fortgeschrittene Sprachniveau“ weiter anzuheben. Schließlich sollen die Teilnehmer nach sechs Monaten die Prüfung „C 1 Hochschule“ ablegen können – das bedeutet Spracherfahrung auf Universitäts-Niveau.
Hintergrund des Kurses ist die Tatsache, dass immer mehr ausländische Mediziner an deutschen Kliniken tätig sind. Da soll die Kommunikation optimal laufen. Man will Patienten, Kollegen und Pflegepersonal perfekt verstehen können und auch selber so verstanden werden.
In einem Seminarraum des St. Anna Hospitals beschäftigen sich Ärzte aus Syrien, Jordanien, Zypern, Rumänien, dem Jemen und der Ukraine in lockerer Atmosphäre mit „der Hölle der deutschen Artikel“, den Fall-Endungen und dem unterschiedlichen Satzbau.
Dr. Fadi Baseseh lebt bereits seit 2002 in Deuschland, hat unsere Landessprache in Leipzig gelernt. „Am Anfang habe ich besonders mit den Umlauten ä, ü und ö gekämpft. Ich musste mich an die Buchstaben p, v und w gewöhnen, die wir im Arabischen nicht haben; dafür gibt es drei verschiedene Versionen des ‚a‘.“ Baseseh ist mit einer deutschen Ärztin verheiratet und unterliegt so ständiger sprachlicher „Kontrolle“.
„Meine Ehefrau Angelika hat mir gesagt, dass ich rede wie ein Roboter. Im Deutschkurs verbessere ich jetzt meine Sprachmelodie, übe lebhafteres Sprechen und bessere Akzentuierung.“
Für das Gelingen sind Dozent Jens Borchwald und Rhetorik-Expertin Dr. Angela Scaglione vom Bildungszentrum des Handels zuständig, die am St. Anna unterrichten. Borchwald hat bereits im südafrikanischen Grahamstown an der Rhodes-University Deutsch als Fremdsprache gelehrt.
Er baut „allgemeinsprachliche und berufssprachliche Elemente“ in den Kurs ein. Schließlich muss auch ein Jordanier adäquat reagieren können, wenn der Wanne-Eickeler Patient seufzt: „Herr Doktor, ich bin gestern die Wände hochgegangen“ oder „Hömma, ich geh‘ jetzt lieber ab inne Pofe“. Das ist die eine Seite, aber natürlich geht es auch darum, etwa dem Oberarzt oder der Stationsschwester Dinge verständlich zu erklären, damit es im Klinik-Alltag keine Pannen gibt.
Angela Scaglione streut derweil ein paar Lockerungs-Übungen fürs Gehirn in den Unterricht ein. Es dreht sich um das Hinterlassen von Spuren. „Das kann man tun als erster Mensch auf dem Mond, aber auch in kleinen Dingen – zum Beispiel, indem man eine Spielgruppe gründet.“
Von der „Keksdose“ kommt die quirlige Dozentin zur Formulierung „auf den Keks gehen“, bis Kollege Borchwald wieder mehr auf den Beruf abhebt. Thema ist die „Patientenvorstellung“, so wie sie der Assistenzarzt gegenüber seinem Oberarzt formuliert – sprachlich eindeutig und fachlich präzise. Das sollte den Kurs-Teilnehmern allerdings nicht schwerfallen.
Im Frühjahr können sie die „C 1“-Prüfung absolvieren. Damit hätten sie die fünfte Stufe einer sechsstufigen Kompetenz-Skala erreicht. Sprachkurse an deutschen Kliniken sind übrigens nicht die Regel, das St. Anna macht da eine rühmliche Ausnahme.
Dr. Baseseh hat nicht nur dieses Examen vor der Brust. Im April legt der Orthopäde seine Facharzt-Prüfung ab – vermutlich in exzellentem Deutsch.

Moderatorin und Personalentwicklerin: Dr. Angela Scaglione motiviert die Mediziner. WB-Fotos (2): Detlef Erler
Unterrichtet Deutsch als Fremdsprache: Jens Borchwald.
Autor:

Bernhard W. Pleuser aus Essen-Kettwig

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