Spuren schweren Leidens: Wurde Marie S.* misshandelt?

Marie S. * sollte für 14 Tage in die Kurzzeitpflege. Sie starb im Krankenhaus. (Name von der Redaktion geändert.) | Foto: privat
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  • Marie S. * sollte für 14 Tage in die Kurzzeitpflege. Sie starb im Krankenhaus. (Name von der Redaktion geändert.)
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Es gibt Schicksale, die auch erfahrenen Reportern unter die Haut gehen. Dass, was Marie S.* vor ihrem Tod erlitten haben muss, zeugt von großem Leid. Marie S. * starb im Alter von 91 Jahren im Krankenhaus. Sie war von Kopf bis Fuß mit Wunden übersät.

Das ist aus insgesamt zehn Fotos, die dem Stadtspiegel Herten und dem Wochenblatt Herne vorliegen, ersichtlich. Das sagt auch ihre Tochter. Die in Herten lebende Monika R.* (* sämtliche Namen von der Redaktion geändert) hatte ihre an Demenz erkrankte, pflegebedürftige Mutter im Oktober letzten Jahres bei sich aufgenommen.
Vom 10. bis 24. Juni wollten sie und ihr Mann Urlaub machen, suchten einen Kurzzeitpflege-Platz und fanden ihn in einer Einrichtung in Herne-Wanne.
Das ist erst der Anfang einer Geschichte, die betroffen macht.

"Es ist einfach nur zum Heulen."

Marie S.* ist tot. Sie wird als eine sanftmütige Frau beschrieben. Eine Frau, die für ihre Familie da war und hart gearbeitet hat. „Als meine Mutter an Demenz erkrankte und nicht mehr alleine bleiben konnte, haben wir sie im Oktober letzten Jahres zu uns nach Herten geholt“, erklärt Monika R.*

Ihre Mutter stammt aus Mecklenburg-Vorpommern. Sie lebte in den letzten Monaten bei ihrer Tochter und ihrem Schwiegersohn in Herten. Eine fachlich qualifizierte Frau unterstützte sie, leistete Verhinderungspflege. Monika R.: „Wir brauchten Urlaub und haben einen Platz in einer Kurzzeitpflege-Einrichtung gesucht.“
In Herne-Wanne fand sich der einzige freie Platz in einer Einrichtung. Vom 10. bis zum 24. Juni sollte Marie S. hier gut versorgt werden. Besuch hatte die 91-Jährige reichlich: Jeden Tag kam ihr Enkel nach der Arbeit. Auch eine Bekannte von Monika R. kam oft, eine als Betreuerin von Demenzerkrankten qualifizierte Frau.

Mängel in Einrichtung gefunden

Monika R.: „Meine Mutter stürzte in der Pflegeeinrichtung und brach sich den Arm. Aber das war nicht das einzige, was passierte.“ Ihre Mutter sei oft nicht angekleidet gewesen und habe sich beklagt: „Warum werde ich angeschrien? Bin ich denn böse?“

Nachdem sich ihre Mutter den Arm gebrochen hatte, wurde Marie S. in einem Krankenhaus in Wanne-Eickel versorgt. Danach kam sie wieder zurück in die Kurzzeitpflege nach Herne-Wanne. Die Blessuren wurden schlimmer, wie die Fotos zeigen. Als Monika R. und ihr Mann zurückkamen, nahmen sie Marie S. aus der Kurzzeitpflege und brachten sie ins Hertener Elisabeth-Hospital. „Die Pfleger und Krankenschwestern reagierten entsetzt auf den Zustand meiner Mutter.“

Marie S. starb am 4. Juli im Krankenhaus. Wenn man die zehn Fotos betrachtet, die von ihr in den letzten Tagen ihres Lebens gemacht wurden, wird deutlich: Die alte Frau muss sehr gelitten haben. Sie wies Verletzungen an Armen und Beinen, am Kopf, am Rücken und im Genitalbereich auf.

Weil sie den Verdacht hatte, ihre Mutter sei in der Kurzzeitpflege gequält worden, erstattete Monika R. Strafanzeige wegen „Misshandlung von Schutzbefohlenen“ gegen Unbekannt. Die Staatsanwaltschaft Bochum leitete ein Ermittlungsverfahren ein.

Die Fakten: Der Rechtsmediziner, der am 10. Juli die Obduktion der Leiche von Marie S. durchgeführt hat, hatte sie bereits kurz vor ihrem Tod untersucht. Im Bericht der rechtsmedizinischen Untersuchung heißt es, Marie S. starb eines natürlichen Todes. Und: „Hinweise auf eine Misshandlung hat die Obduktion nicht erbracht.“ Mit Schreiben vom 17. Juli teilt die Staatsanwaltschaft Bochum Monika R. mit, das Ermittlungsverfahren sei eingestellt.
Dagegen hätte die Hertenerin Einspruch erheben können: „Ich habe das nicht getan, denn ich fürchte, es würde überhaupt nichts bringen.“

Ermittllungsverfahren eingestellt

Aber eines hat was gebracht: Aufgrund der Beschwerde bei der Heimaufsicht von Monika R. über die Einrichtung in Herne-Wanne war die Stadt Herne aktiv geworden, hatte die Unterlagen geprüft und Gespräche geführt. Die Auswertung (Schreiben vom 31. Juli) ergab, dass einige Mängel vorlagen. Beispielsweise seien die Expertenstandards „Sturzprophylaxe in der Pflege“ nicht ausreichend umgesetzt.
Aus rechtlicher Sicht ist der Fall abgeschlossen, das hat eine Nachfrage des Stadtspiegels bei der Staatsanwaltschaft Bochum bestätigt.

Die letzten Wochen haben Monika R. aufgewühlt. „Bevor wir in Urlaub fuhren, hat meine Mutter mit den Pflegern gescherzt. Sie machte einen guten Eindruck. Aber das war nur äußerlich. Wie die Untersuchungen gezeigt haben, war sie sehr schwer krank und wäre vermutlich bald gestorben. Aber der Gedanke daran, dass meine Mutter so entsetzlich gelitten haben muss, ist furchtbar.“ Monika R. appelliert an andere Menschen, deren Angehörige auf Pflege angewiesen sind: „Schauen Sie genau hin!“

(* Namen von der Redaktion geändert)

Information:
Kurzzeitpflege
ist die zeitlich befristete Unterbringung (maximal 28 Tage im Jahr) in einer Kurzzeitpflegeeinrichtung. Das Angebot entlastet pflegende Angehörige, auch im Krankheitsfall oder wenn sie in Urlaub fahren.

Neben der Kurzzeitpflege gibt es die Verhinderungspflege. Diese Angebote bestehen unter Umständen nebeneinander. Eine frühzeitige Anmeldung, insbesondere in den Urlaubsmonaten, ist sinnvoll.

Marie S. * sollte für 14 Tage in die Kurzzeitpflege. Sie starb im Krankenhaus. (Name von der Redaktion geändert.) | Foto: privat
„Hinweise auf eine Misshandlung hat die Obduktion nicht erbracht“, heißt es in dem Bericht, der dem Wochenblatt vorliegt. Es handele sich um einen natürlichen Tod. | Foto: privat
Autor:

Kerstin Halstenbach aus Herten

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