"Integrationsarbeit braucht einen langen Atem": Interview mit Martin Falke

Martin Falke | Foto: privat

Schlagzeug, Klavier und Fagott: Ein Benefizkonzert zugunsten der Integrationsarbeit für Flüchtlinge findet am Samstag, 7. Mai, um 18 Uhr im Heinrich-Strangmeier-Saal im Alten Helmholtz, Gerresheimer Straße 20, statt. Der Eintritt beträgt 10 Euro an der Abendkasse. Wir sprachen vorab mit Initiator und Pianist Martin Falke, der zudem Hildener Ratsmitglied ist.

1. Was ist der Anlass für dieses Konzert?
Um diese Frage zu beantworten, muss ich etwas ausholen. Im Jahr 1973 kam meine Mutter aus Südkorea ins Ruhrgebiet. Damals suchten die Krankenhäuser tausende Pflegekräfte und meine Mutter folgte diesem Ruf als junge Frau, in der Hoffnung auf ein besseres Leben für sich und ihre große Familie in Korea, der sie monatlich jede ersparte D-Mark schickte. Ursprünglich wollte sie nach zwölf Jahren zurückkehren, doch dann kam natürlich alles anders als erwartet: sie lernte in Bochum meinen Vater kennen. Seine Eltern wiederrum mussten im Krieg aus Oberschlesien nach Westfalen flüchten. Meine Mutter gehört nun zu dem Teil der koreanischen Krankenschwestern, die nicht mehr in ihre Heimat zurückgekehrt sind. Meine Eltern fingen bei Null an, wie man es so beschönigend sagt. Ich bin demnach ein Kind von Wirtschafts- und Kriegsflüchtlingen, also Integration 2.0 mit allem, was dazu gehört: etwas anders auszusehen als die anderen und dafür gehänselt zu werden, habe ich in der Schule selbst erfahren müssen. Kinder können ja bekanntlich direkt sein.

Ihre gesamten Ersparnisse hat meine Mutter als älteste von acht Geschwistern dann doch nicht an ihre Familie geschickt, denn sie entdeckte in Deutschland ihre Liebe zur Musik, kaufte sich ein Klavier und nahm Unterricht. Meine zwei Schwestern und ich haben als Kinder eine musikalische Ausbildung genießen dürfen; ich selbst habe die Musik sogar zu meinem Beruf machen können. Das Credo meiner Eltern lautete: "Alles, was du lernst und als Wissen oder Können in Dir trägst, kann dir niemand wegnehmen, selbst wenn Du mal wie Deine Eltern und Großeltern alles zurück lassen musst." Meine Schwestern und ich haben den Satz damals gehasst, doch heute ist dieser Satz aktueller denn je.

Niemand hätte zur Kommunalwahl vor knapp zwei Jahren gedacht, dass die Welt sich so verändern würde und die Auswirklungen bis in Hilden spürbar sein werden. Durch mein Direktmandat, das ich 2014 im Hildener Süden erringen konnte, kam ich nicht nur in den Rat der Stadt, sondern wurde unter anderem auch in den Integrationsrat und den Kulturausschuss entsendet. Das politische Ehrenamt eröffnet Horizonte, zeigt aber auch auf, dass man gerade in der Flüchtlingsproblematik selten gestalten, sondern oft nur reagieren kann. Der Wunsch, selbst etwas zu machen, wurde dabei immer größer. Wer bis hierher durchgehalten hat, weiß nun, dass sich Integration, Musik und Politik in meiner Person treffen. Meine Frau Nina Hildebrand, die selbst Pianistin und im Übrigen auch gebürtige Hildenerin ist, musste ich nicht erst überzeugen. Glücklicherweise haben wir hervorragende Musiker des Sinfonieorchesters Osnabrück gefunden, mit denen wir gemeinsam ein Konzert mit einem abwechslungsreichen und spannenden, aber auch anspruchsvollen Programm für die außergewöhnliche Besetzung zwei Klaviere, zwei Schlagzeuge und Fagott präsentieren können.

2. „Integrationsarbeit“ ist ein abstrakter Begriff – was bedeutet das konkret?
Die vielen Bilder der Willkommenskultur an den deutschen Bahnhöfen sind uns allen noch im Kopf. Das war wichtig und hat ein starkes Zeichen gesetzt. Nun gilt es, sich im Alltag zu bewähren. Die Hildener haben schnell gehandelt und sich im Vergleich zu anderen Städten vergleichsweise gut geschlagen, doch Integrationsarbeit braucht einen langen Atem. Man kann sie nicht kaufen, denn Integration beginnt bei jedem einzelnen von uns. Wir alle können dann von ihr gewinnen, wenn sich die Neuankömmlinge mit dauerhaften Bleiberecht möglichst schnell verständigen, Teil unserer Gesellschaft werden, Qualifikationen erwerben und selbst für ihren Lebensunterhalt sorgen können. Wir stehen jedoch erst am Anfang und müssen Berührungsängste abbauen und Gelegenheiten der Begegnung schaffen. Dies alles kostet Zeit und Geld und wir befinden uns bekanntlich in Zeiten knapper Kassen. Wenn Sie unser Konzert besuchen, unterstützen die zukünftige Integrationsarbeit und setzen ein positives Zeichen. Wir schenken Ihnen dafür die Musik.

3. Welche Projekte sollen mit dem Erlös konkret unterstützt werden?
Es wäre toll, wenn das Konzert zu ähnlichen Projekten anregen würde. Der Erlös soll zweckgebunden in zukünftige kulturelle Projekte der Integrationsarbeit fließen. Es gibt bereits jetzt Projekte in Kooperation mit der Musikschule Hilden. In größeren Städten wie z.B. Köln haben sich mittlerweile Chöre aus Flüchtlingen und Einheimischen gebildet, die sich regelmäßig zusammenfinden und auch auf Festen oder Konzerten auftreten. So etwas würde ich auch gern bei uns in Hilden sehen, die Planungen dazu liegen laut unserer Musikschulleiterin Frau Dämmer in der Schublade. Das Schöne an der Musik ist, dass sie selbst unterschiedlichste Nationalitäten und Sprachen zusammen bringen und sich somit über viele Grenzen hinwegsetzen kann – mit Hilfe ihrer sozusagen universellen Sprache.

Autor:

Lokalkompass Hilden aus Hilden

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