Von Nazis ermordet wegen "Hetze an der Stempelstelle"
Gunter Demnig verlegte fünf weitere Stolpersteine

Eine letzte Rose im Gedenken an die Verfolgten des NS-Regimes des Dritten Reich legten Schüler des Clara-Schumann-Gymnasiums an den Stolpersteinen, hier in der Lessingstraße 4,  ab.  | Foto: alle Bilder: Stefan Reimet
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  • Eine letzte Rose im Gedenken an die Verfolgten des NS-Regimes des Dritten Reich legten Schüler des Clara-Schumann-Gymnasiums an den Stolpersteinen, hier in der Lessingstraße 4, ab.
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Von Stefan Reimet. Zehn Stolpersteine zum Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus in Holzwickede waren bereits in der Emschergemeinde verlegt, jetzt kamen in einer dritten Aktion des Künstlers Gunter Demnig fünf weitere hinzu. Diesmal richtet sich der Blick aber auf politisch Verfolgte in der Emschergemeinde, die durch Willkür und Misshandlung teilweise bis in den Tod getrieben wurden.

In Anwesenheit von Vertretern der Gemeindeverwaltung, der Volkshochschule Unna und engagierten Gruppen des öffentlichen Lebens verlegte Gunter Demnig den ersten Stein in der Lessingstraße 4. An der gülden glänzenden Messingplatte mit der geprägten Aufschrift Karl Weil (26.5.1897 -1970) vorbeizugehen fällt schwer. Hier lebte der Bergmann, engagierte sich in der SPD und geriet in leitender Funktion ins Visier der Nazis. Aus dem Haus Lessingstraße 4 wurde er 1933 abtransportiert und in das Konzentrationslager Bergkamen-Schönhausen gebracht. Haftgrund: Er habe (…) systematisch gegen die Nationale Bewegung gehetzt. Gesundheitlich schwer geschädigt, mit ausgeschlagenen Zähnen und körperlich misshandelt, kehrte er wenige Wochen später zurück. Karl Weil fand keine Arbeit mehr, auf der Straße wurde er gemobbt und zog schließlich nach Dortmund um. Bis dahin lebte er in der Lessingstraße 4. An seinem letzten Wohnort verlegte Gunter Demnig den ersten Stein. Ulrich Reitinger, der bereits mehrere Publikationen über Verfolgung behinderter Menschen während der Naziherrschaft veröffentlichte, und seit Jahren gewissenhaft die Schicksale recherchiert, erinnerte an das Schicksal.
Verdacht genügte
Die VHS-Gruppe „Spurensuche NS-Opfer in Holzwickede“ unter der Leitung des Historikers Wilhelm Hochgräber, hat in Kooperation mit der Gemeinde Holzwickede bereits zehn Stolpersteine verlegen lassen. Die Opfer wurden damals wegen einer Behinderung als „lebensunwert“ eingestuft, als Zwangsarbeiter eingesetzt und verstarben häufig unter dubiosen Umständen. Gewidmet sind die Stolpersteine diesmal politisch Verfolgten und Andersdenkenden, die durch Denunziation oder einfach ihre freie Meinungsäusserung in die Fänge der Nazis gelangten. Dabei genügte bereits der Verdacht „staatsfeindlicher Umtriebe“ oder eine politische Frotzelei an einer Stempelstelle. Die meisten der Opfer wurden in KZ-Aussenstellen in Bergkamen oder Wickede interniert.
Ergreifend sind Schicksale wie das von Heinrich Dulle (geb.1884), Bergmann und Vater von fünf Kindern. Als engagiertes SPD-Mitglied war er Schikanen und Misshandlungen durch den Ortsgruppenleiter Holzwickedes ausgesetzt. Auf dem Marktplatz wurde er schließlich zur Schau gestellt und beschimpft. Vorwurf: Er habe bei der Reichstagswahl nicht die Nazis gewählt. Zur „Strafe“ sollte er Wahlplakate entfernen, weigerte sich und wurde später von Spaziergängern mit einem Strick um den Hals tot aufgefunden. Ebenfalls Vater von fünf Kindern war Wilhelm Nissel (geb. 1897). Als KPD-Mitglied musste er Hausdurchsuchung und im KZ Bergkamen-Schönhausen schwere Misshandlungen bis zum Ausschlagen mehrerer Zähne über sich ergehen lassen. Unter widrigen Bedingungen saß er schließlich ein Jahr im Polizeigefägnis Unna ein, bevor er zur Zwangsarbeit im Tiefbau verurteilt wurde, an den Folgen litt er bis zu seinem Tode 1954.
Aydaco = Mut
Mit kurzen Versen zum Gedenken an die Opfer des Nazi-Regimes, begleitet von Gitarrenmusik,gestaltete die Aydaco-AG des Clara-Schumann-Gymnasiums Holzwickede,unter der Leitung von Leitung von Sozial-Pädagogin Zurah Roshan-Appel, die Verlegung an den jeweiligen Orten. Schüler und Mitglieder VHS-Gruppe "Spurensuche NS-Opfer Holzwickede" legten an den Steinen Rosen ab.

Der Cororna-Pandemie zum Opfer fiel diesmal die zentrale Gedenkveranstaltung, die bei den Stolperstein-Verlegungen im März 2018 und Februar 2019 jeweils am Sonntag zuvor stattfand. Diese dritte Aktion soll nicht die letzte gewesen sein. Für das Frühjahr 2022 plant der Geschichtskreis Spurensuche die vierte Verlegeaktion gegen das Vergessen. 

Info:
An diesen letzten bekannten Wohnorten der Verfolgten wurden jetzt Stolpersteine verlegt:
Karl Weil (1897-1970), Lessingstraße 4; Caspar Lügger (1907 - 1969), Dürerstraße 18; Heinrich Dulle (1884 – 1933), Massener Straße 23; Josef Kiel (1883-1948), Landweg 8 und Wilhelm Nissel (1897 – 1954), Im Ostendorf 3.

Die Stiftung "Spuren-Gunter Demnig" organisiert mittlerweile die Verlegung von Stolpersteinen/ Stolperschwellen, von denen über 54.000 in 1.600 Orten in Europa und darüber hinaus liegen. Zur Beantragung wünscht Initiator und ausführender Künstler Gunter Demnig die Lebensgeschichte der NS-Opfer zwischen 1933 und 1945, vor allem der letzte nachgewiesene, frei gewählte Wohnort. Die kompletten Verlegekosten von 120 Euro/Stein werden über Spenden und Patenschaften finanziert. Bis zur Aktion vergeht ein knappes Jahr. Gunter Demnig wünscht ausdrücklich auch die Beteiligung von Schulen und Vereinen und hat eine längere Planungszeit, bis es zur Verlegung vor Ort kommt. Damit auch weiterhin Stolpersteine verlegt werden können bittet der Initiativkreis um Spenden auf folgendes Konto:
Gemeindekasse Holzwickede, Stichwort: Spende Stolpersteine plus Name/ Anschrift des Spenders unter IBAN: DE 55 44350060 0002 0033 33

Autor:

Stefan Reimet aus Holzwickede

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